Halbzeit

Tag 8

Zur Feier der Halbzeit (bzw. Halbstrecke) haben wir ein besonderes Schmankerl – hier unser Exklusivinterview zum Nachlesen:

Pia, Bernhard – Danke dass ihr mich heute an Bord willkommen heißt! Wie geht es euch?

B: Gut *schaut fad*

P: Gut. *umklammert ihre Knie und wippt vor und zurück, in völlig anderem Takt als die Wellen es vorgeben*

Na das klingt doch gut! Mal eine leichte Einstiegsfrage: Was ist euer Lieblingsessen an Bord?

P: Grillgemüse mit saftig frischem Brot; Kuchen

B: Segelspaghetti – Pasta mit einer halben Flasche Olivenöl, Knoblauch, Zucchini & Kapern

Das klingt ja köstlich! Und welches ist euer liebster Gegenstand an Bord?

P: Der Genuabaumniederholer *winscht ihn zum zweiten mal seit Beginn des Gesprächs nach*

B: Die Cockpitpölster *steckt sich die Erbse, die er gerade unter zwei Lagen Pölstern gefunden hat in den Mund*

Äh.. ok… Womit beschäftigt ihr euch denn den lieben langen Tag hauptsächlich an Bord?

B: Ausreffen! Und der Bordbatterie beim Laden zuschauen *öffnet unwillkürlich die App auf seinem Handy*

P: Einreffen und Existenzkrisen *eine stumme Träne rinnt die Wange hinab*

Was für ein spannender und abwechslungsreicher Alltag! Und was denkt ihr – welche besonderen Talente könnt ihr ins Bordleben einbringen?

B: Tote Fische von Deck entfernen und fad schauen bei jedem Wetter

P: Hungergetriebenes Kochen bei jedem Seegang und Zerstören von Unterhaltungselektronik *lacht*

Alles klar, darf ich hier mein Aufnahmeequipment ein Stückchen zu Seite schieben? Glaub da ist die Soundqualität besser. Danke. Nun, worauf könntet ihr denn gut und gerne verzichten?

P: Wellen von der Seite, Wind über 20 kn und Wale – letzteres haben wir auf dieser Etappe bisher erfolgreich vermieden

B: Duftenden, frisch gebrühten Kaffee aus der Kanne direkt auf den Salonboden verteilen und natürlich die scheppernden Geräusche den ganzen Tag

Was habt ihr in der letzten Woche dazugelernt?

P: Aufkommende Übelkeit in 5 Minuten zu überwinden und dann mittagessen

B: Mich klein zusammenzurollen *streckt sich hingebungsvoll*

Beeindruckend! Was sagt ihr zu dem unbeschreiblich klaren Sternenhimmel?

P: Ja, sind eh ganz schön viele Sterne.

B: *blinzelt zum Himmel und fühlt sich scheinbar vom Nachthimmel geblendet*

Jaaa, also eine Woche ist geschafft! Gratulation dazu. Was wollt ihr in Woche 2 auf See denn anders machen?

B: Die Kaffeemaschine besser am Herd fixieren

P: Weniger Wind haben

Und zum Abschluss: Habt ihr vielleicht etwas, was ihr unseren Leser:innen gerne mitgeben wollt?

P: Glaub nie einer Wettervorgersage, die du nicht selbst gefälscht hast.

B: Unsere Müllsäcke. Bitte

Wunderbar, danke für das Gespräch! 

Tag 9

Vor uns liegen nun weniger als 1.000 sm. Der Wind hat abgeflaut, so sehr, dass es teils sogar zu wenig ist. In der ganz mühsamen letzten Nacht hatten wir zwischen 7 und 24 kn und stark drehende Richtungen. Damit uns nicht fad wird. Der Seegang ist nach wie vor eine Farce.

Spannend für uns ist, dass wir mitten am Ozean täglich einzelne Vögel sehen – hübsche, weiße mit papageienartigem Schnabel und langem, antennenförmigem Schweifgefieder. Einer davon hat sogar einen Grußschrei ausgestoßen als er nah an uns vorbeigeflogen ist. Vorsicht mit dem Windgenerator, gefiederter Freund. Hobbyornithologin Barbara hat uns verraten, dass es Weißschwanz-Tropikvögel sind. Außerdem sind weite Teile der Meeresoberfläche unserer Route mit grünlichen, runden Büscheln von ca. 20 cm Durchmesser bedeckt, die zumeist in Bahnen auftreten. Was das genau ist, haben wir bisher nicht herausgefunden.

Tag 10

Wir haben Brot gebacken! Die Not, bedingt durch zwei geschimmelte Packungen Toastbrot, treibt uns dazu, diesen lange vor uns hergeschobenen Schritt endlich zu gehen. Wir sind also den Tag über damit beschäftigt Teig zu kneten und das Cockpit mit Mehl zu bestäuben um dann abends zwei frische, durchaus gelungene Leib Weißbrot aus dem Gasofen zu ziehen. Das Glück ist uns hold an diesem ersten Adventsonntag und die Welle beruhigt sich so sehr, dass wir zum ersten mal einen Tisch benutzen können und das Brot feierlich mit Ziegenkäse und Trüffelcreme verschmausen. Man gönnt sich ja sonst nix. 

Nach einer erstmals ruhigen Nacht finden wir am nächsten Tag einen fliegenden Fisch im Salon. Er musste 1,5 m hoch und 1 m weit springen um dann durch die Luke von 10 mal 30 cm um seinen Sterbeort zu erreichen. Zum Lohn verendet er auf Mahagoni, statt auf Teak. 

Gerade läuft alles ganz gut und wir atmen vorsichtig auf. Vor uns noch etwas über 800 Seemeilen, die wir gemäß den Vorhersagen langsamer, aber entspannter als bisher zurücklegen werden. 

Tag 11

Auch das nächste Mittagessen können wir zu Tisch genießen. Und wenn man gerade anfängt vom full english breakfast zu träumen – zack: Squalls. Diese isolierten Schlechtwetterzellen sind ein bekanntes Wetterphänomen am Atlantik. Sie schleichen sich von rechts hinten heran und bringen starken Wind und Regen. Uns erwischen zwar nur zwei kleine Squalls (28 kn und Nieselregen) und doch halten sie uns mit ihren Winddrehern und Böen die Nacht über beschäftigt. Die letzten Tage ist es generell schwierig den richtigen Kurs zu halten. In Kombination mit der Welle können wir unseren Schmetterling (Großsegel auf der anderen Seite als Vorsegel) nicht direkt vor dem Wind, sondern etwa 20° dazu fahren, was mindestens eine Halse am Tag bedingt. Der Anflug von atlantischer Idylle der beiden letzten Tage wird allerdings wieder unter Wellenbergen begraben. Vor uns noch ein Drittel der Strecke.

Frust & Frühstück

Buntes Treiben auf den Stegen der Marina Mindelo am Tag der Abreise von den Kap Verden: Drei Männer kommen auf den Steg und sprechen mich an mit: Frau Toth, oder? Ich: baff. Behörden? Kripo? Stalker? Tatsächlich sind die Vorarlberger, die in Kürze selbst am Segelboot Richtung Karibik unterwegs sind, Fans von JEDER Regatta. Sie verfolgen die ARC, und uns als einzige österreichische Teilnehmer, mit derselben Hingabe wie die Vorbereitungsregatten für das Ocean Race.

In den nächsten Posts fassen wir unser atlantisches Abenteuer noch einmal zusammen – mit Bilder! Falls ihr uns live via facebook verfolgt habt wird euch also das meiste schon bekannt vorkommen.

Startschuss

Wir dümpeln gemeinsam mit den anderne Booten der ARC+ bei böigen 4 bis 20 kn Wind im Startbereich vor der Marina Mindelo herum. Am Freitag um 13 Uhr UTC fällt der Startschuss für unsere lang ersehnte Atlantiküberquerung. Mit unserem Startmanöver können wir nur zufrieden sein. Dann ist, wie schon in Gran Canaria, der Wind weg und wir motoren eine knappe Stunde mit wunderbarem Ausblick auf die zahlreichen anderen Boote. 

Tag 1

Abwechslungsreicher hätten die ersten 24 Stunden kaum verlaufen können. Kurz nach dem Start setzen wir bei traumhaften Bedingungen unsere Passatbesegelung und sind erstmal höchst zufrieden. Nach wenigen Stunden geraten wir dann in die Landabdeckung der kapverdischen Inseln und motoren wieder ein Stückchen. Aus der Flaute heraußen nimmt dann der Wind, wie vorhergesagt, stark zu und sollte tagelang nicht mehr weniger werden.

Tag 2 & 3

  • Expectations: Hohe Wellenberge mit langer Laufzeit, konstanter Nordostpassat mit 15 bis 20 kn und Badehosentemperatur. So wurde uns die Barfußroute verkauft. 
  • Reality: Kurze, steile Kreuzsee mit unterschiedlicher Höhe und Richtung, böiger Ostwind mit 15 bis 30 kn und Nächte im Ölzeug. Hart an der Frustrationsgrenze.

Die erste holprige und windige Nacht hinter uns gebracht verbessern sich die Bedingungen an Tag 2 & 3 nicht. Es schaukelt wie wild hin und her, jede Bewegung ist anstrengend, es herrscht Notbetrieb bei uns. Spaß macht das so keinen. Selbst Harry Potter & the philosopher’s stone zu hören, den wir wahrlich auswendig können, ist anstrengend. Immerhin haben Harry, Ron & Hermine gerade einen ausgewachsenen Bergtroll erledigt. Zur Draufgabe hüpft auch noch eine Welle von hinten ins Cockpit und spült uns gut durch. Ein salziges Cockpit bereits an Tag 2 – Hurra! Doch es regiert die Hoffnung: Irgendwann muss es ja besser werden.

Tag 4 & 5

…stehen Tag 1 bis 3 in punkto Ungemütlichkeit im Grunde um nichts nach. Manchmal wird es kurz besser – um dann mit noch höheren Wellen aus mehreren Richtungen und Böen von über 30 kn zurückzuschlagen. Hin, her, hin, her, hin her, und jedes Mal scheppert diverser, nicht fixierbarer Inhalt in Fächern und Laden fröhlich mit. Nicht einmal interessante Meeresbewohner haben auf diese Bedingungen Lust, außer ein paar winziger fliegender Fische, die an Deck verenden.

Wenigstens von der Zubereitung eines exzellenten Frühstücks mit Spiegelei lässt sich Pia nicht abhalten. Der Anlass: Wir haben immerhin bereits über ein Viertel der Strecke hinter uns gebracht. 

Tag 6

Der Wind lässt nach! Mit bis zu 23 kn sind wir mit vollen Segeln noch immer rasend schnell (für unsere Schildkrötenverhältnisse), aber es läuft alles entspannter. Die Welle ist etwas niedriger, kommt aber immer noch von etlichen Seiten daher, also schaukeln wir weiter. Da man sonst eh nichts tun kann führen wir die Steuerstunde ein – jeder mindestens eine Stunde am Tag händisch steuern um dem Autopiloten eine Pause zu gönnen. Tote Fische an Bord: 20

Tag 7

Eine richtig gute Nachricht ist, dass Polly, unsere bereits mehrmals erwähnten Stegnachbarn in Las Palmas und in Mindelo, wieder nur wenige Seemeilen von uns entfernt fahren. Bei einem morgendlichen Funkplausch erfahren wir, dass sie genauso unter dem Schwell leiden wie wir. Sie sind auch überrascht von den Bedingungen, da uns das alles eigentlich anders versprochen wurde. Aber Technik, Equipment und Crew sind intakt, also reichts jetzt dann auch ganz langsam mit dem Gesuder. Um dem Schwell zu entrinnen, schlagen wir für eine Nacht einen südlicheren Kurs ein. Während der Plan tagsüber aufgeht, wird die Nacht dafür sogar besonders schaukelig. Also in der Früh alles wieder zurückgebaut und wieder auf den ursprünglichen Kurs. Und siehe da: Wir kommen zu einem ruhigen, kaum schaukeligen Frühstück, während wir uns der Halbzeit nähern. Aber jetzt heißt es erst mal: Polly jagen! Inzwischen jagen Aragorn, Legolas und Gimli Orks – wir sind bei Herr der Ringe II angekommen. 

Wochenzusammenfassung

Entbehrlich, aber immerhin her hin her hin her hin her hin her hin her hin her…

Vor dem Absprung

Am Freitag, den 18.11.2022, 12:00 Uhr 14:00 Uhr) ist Startschuss für die zweite Etappe der ARC+, gleichbedeutend mit unserer ersten transatlantischen Passage. Diese führt uns von der kapverdischen Insel São Vicente auf die karibische Insel Grenada. Die Distanz beträgt rund 2.200 Seemeilen (4.000 km), wir rechnen mit Ankunft in 16-20 Tagen.

Die zwei einwöchigen Schläge, die bereits in unserem Kielwasser liegen, können uns emotional nicht wirklich auf die fast drei Wochen vorbereiten, die uns bevorstehen. Da unser Probelauf aber ganz wunderbar geklappt hat, starten wir im technischen Sinne mit einem guten Gefühl und weit weniger gestresst als von Las Palmas. Wir machen keine großen Änderungen mehr am Boot, müssen nichts reparieren und es bleiben nur die haushalterischen Tätigkeiten wie proviantieren (wir haben auf den Kanaren bereits fleißig vorgearbeitet), putzen, tanken und uns mit Unmengen an Entertainment einzudecken. Trotzdem können wir uns noch nicht vorstellen wie es sich anfühlen wird, wenn heruntergeladene Serien, Hörbücher und Podcasts für mehrere Wochen praktisch unsere einzige Beschäftigung darstellen. Von schlafen und essen mal abgesehen. Stimmungslage: In freudiger Erwartung.

Rückblick Kap Verden:

Den letzten Sonntag, nach Überquerung der Ziellinie, verbringen wir nach ein paar Stunden Schlaf recht entspannt. Unsere Stegnachbarn aus Las Palmas kommen noch ein paar Stunden später an und lassen das Schlafen gleich ganz weg. Die Stimmung in der Marina ist großartig. Alle ARC+ Boote liegen in unmittelbarere Nähe zueinander und es wird gemeinsam der ersten Teilerfolg besprochen und auch ein bisschen gefeiert. Am Abend findet eine Welcomeparty statt mit Livemusik, Buffets und Rumcocktails. Es fühlt sich hier schon etwas karibisch an.

🇨🇻 Steckbrief Kap Verde 🇨🇻

10 Inseln, 9 davon bewohnt
Lage: etwa 700 km westlich der afrikanischen Küste,
auf Höhe von Dakar, Senegal (so weit im Süden waren wir noch nie!)
Hauptstadt: Praia auf Santiago
Amtssprache: Portugiesisch
Währung: Escudos (0,009 €)
Fläche: Kapverden 4.000 km2, São Vicente 227 km2
Einwohner: Kapverden 483.600, São Vicente 83.000, Mindelo 70.500
Entdeckung: 1456
Unabhängigkeit: 1975, von Portugal

Am Montag Vormittag nehmen wir an einer kleinen Bustour über die Insel teil. In kurzer Zeit können wir so viel von den unterschiedlichen Facetten der Insel bestaunen. Die meisten kapverdischen Inseln machen ihrem Namen Ehre und sind sehr grün – nicht so São Vicente, die zweite Insel von links, auf der wir uns befinden. Ausgehend von Mindelo, der zweitgrößten Stadt der Kap Verden, fahren wir vorbei an Shrimpsfarmen zu ausgetrocknete Flächen, in denen einmal im Jahr ein Fluss entsteht, der dann wirtschaftlich genutzt wird. Dann gehts weiter zu kleinen Dünenlandschaften, bei denen sich feinster, weißer Saharasand in der sonst schwarzen, vulkanischen Umgebung ansammelt und schließlich auf den höchsten Berg der Insel mit 750 m Höhe, wo es dann doch noch ziemlich grün wird.

Am Nachmittag kaufen wir ein neues Tablet, da unseres leider den 2,5m-Sturz in den Salon nicht überlebt hat. Das Malheur ist bereits auf der Überfahrt hierher passiert. Bernhard war zum Glück so schlau alle wichtigen Apps auch auf seinem Telefon zu installieren, wodurch wir ohne unser Tablet weder navigatorisch noch kommunikativ Probleme hatten. Als zusätzliches Backup kaufen wir noch das billigste Smartphone der Insel, wodurch wir jetzt dreifach abgesichert sind. Wir verbringen etliche Stunden in den WIFIs mehrerer Cafes, um Tablet und Telefon auf einen nutzbaren Stand zu bringen. Insbesondere bietet sich die floating bar im Marinagelände an, die ihrem Namen alle Ehre macht. Genau genommen schwimmt die gesamte Marina inklusive aller Stege, Büro, Werkstatt und Tankstelle. Weitere Mittagessen und ein Frühstück sind notwendig um wirklich auch genug Filme, Serien und auch ein paar digitale Seekarten dabei zu haben. Mehrmals gehen wir die kleinen Supermärkte ab und ergattern so Stück für Stück das meiste, was uns noch an Lebensmitteln und Haushaltswaren abgeht.

Die Siegerehrung der 1. Etappe findet feierlich in schönem Ambiente, mit überfordertem Barpersonal, im Hotel gleich neben der Marina statt. Das Siegerteam war mit über 12 Stunden Vorsprung gegenüber den zweiten schon nach knapp vier Tagen am Ziel. Das finden wir recht schwach – sie waren also nicht mal doppelt so schnell wie wir.

In den kommenden Wochen wird es seit langem keine sonntäglichen Blogbeiträge von uns geben. Wir werden aber unserem etablierten social media-Team (Danke Alice und Wolfi! <3) regelmäßig Updates via Satellitentelefon zukommen lassen, die ihr dann auf facebook lesen könnt. Nicht-vertrauliche Nachrichten könnt ihr außerdem gern via facebook schicken und die social media-Abteilung wird es uns dann zukommen lassen – wir freuen uns über ein bisschen Abwechslung!

Die folgende Redewendung passt hier so gut wie die Affenfaust aufs gespleißte Auge:
Wir sehen uns auf der anderen Seite!

ARC +, das Plus steht für Kap Verde

Am letzten Sonntag starten wir unsere bisher längste Passage von den Kanaren auf die Kap Verden – eine Inselgruppe, von der wir vor wenigen Jahren noch nicht mal sagen hätten können wo sie liegt. Die Route über die Kap Verden war für uns von Anfang an der Plan – ein wunderbarer Testlauf für die bevorstehende Atlantiküberquerung. Der Passatwind hat sich durch den Klimawandel so verändert, dass die Route über die Kap Verden trotz des vermeintlichen Umwegs für Segler kaum länger ist als die direkte Route von den Kanaren in die Karibik.

Kurzfassung der Regatta:

Mit Musik, Flaggen und winkenden Zusehern werden wir aus der Marina verabschiedet und begeben uns in den Startbereich gleich vor dem Hafen. Der Start der Touristenregatta ARC+ verläuft zäh bei kaum Wind. Einmal über die Startlinie gedümpelt sind wir unter den ersten, die den Motor einschalten. Insbesondere da unsere Segel gegen das neue Rigg schlagen, verzichten wir hier darauf besonders seemännisch zu sein und räumen drei Stunden lang das Feld von hinten auf. Motorstunden werden grundsätzlich dokumentiert und uns am Ende als Malus dazugerechnet. Als Wind einsetzt werden wir, wie erwartet, sukzessive wieder von allen Seiten überholt.

Die gesamten 6 Tage lang sehen wir unsere Stegnachbarn Polly am AIS – einen Tag lang sogar in echt und wir können mit ihnen funkend Neuigkeiten austauschen. Oft sehen wir am AIS auch andere Boot der Regatta – schön in diesem kollektiven Umfeld unterwegs zu sein! Der Zieleinlauf ist dafür eher einsam: Um 3:30 Uhr des siebten Tages überqueren wir im schwachen Mondschein die Ziellinie und legen wenig später an unserem schaukeligen und windigen Liegeplatz in der niedlichen Marina Mindelo auf der Insel São Vicente auf den Kap Verden an.

Unser Hochseeleben im Detail:

Da die Tage auf See ja doch alle weitgehend ähnlich sind, versuchen wir hier mal einen prototypischen Hochseetag zu umreißen: 

08:30 Frühstück. Wer von uns beiden gerade unter Deck geschlafen hat bringt Kaffee und Frühstück mit ins Cockpit. Meistens halten wir das Frühstück einfach – ein Dolci, Brot mit Marmelade, Kuchen. Zur Halbzeit kredenzt uns Bernhard ein full english breakfast. Die vielen britischen Teilnehmer der ARC haben uns auf den Geschmack gebracht. Panisch haben wir vor dem Ablegen noch zwei Dosen Heinz baked beans gekauft, nachdem andere Schiffe erzählen, ganze Kästen damit gefüllt haben. Allerdings wurden auf anderen Booten auch Unmengen von Zitronen gehortet (Angst vor Skorbut?). Unsere eine ist noch da. Dem Frühstück folgt oft eine kurze Aufräumrunde (Zeug für die Nachtfahrt weg, Sonnenbrillen her etc.) und gegebenenfalls Änderungen der Segelstellung. In der Nacht nehmen wir es eher in Kauf langsamer zu sein oder einen leicht falschen Kurs zu fahren. 

10:00 Erste Entspannungsphase. Nachdem die Überfahrt doch sehr rollend verläuft (Schiff bewegt sich um die Längsachse hin und her) ist jede Bewegung und sinnvolle Tätigkeit recht anstrengend. Wir gönnen uns dann meist ein Päuschen, bei dem wir uns im Cockpit vertäuen und Herr der Ringe-Hörbuch hören (mit Teil I sind wir durch). Zwischendurch bleibt auch immer etwas Zeit, sich um den Ladezustand der Batterien Sorgen zu machen. Bei der Fahrt Richtung Süden kriegen die Solarpanele nur am Vormittag richtig viel Sonne ab.

11:30 Irgendwann gegen Mittag kochen wir uns etwas zu Essen und verspeisen dann unsere größte Mahlzeit des Tages gemeinsam im Cockpit. Wir hatten unter anderem Hot Dogs, Chorizo-Mangold-Pasta, Erdäpfelgulasch, Kaiserschmarrn und Tiroler Gröstl. Für eine Woche ist doch noch einiges an Variation möglich. Die Atlantiküberquerung wird wohl mehr Risotto, Pastavariationen und Konserven mit sich bringen. Vorzugsweise kochen wir One-Pot-Gerichte, die sich dann auch ohne Tisch aus einer Schüssel löffeln lassen. 

13:00 Internetzeit. Das Satellitenmodem im 90er Jahre-Style bringt auch die gute alte Internetzeit zurück. Zuerst formulieren wir E-Mails und stellen sie in die Outbox. Mit hoffentlich einer einzigen Datenverbindung versenden wir dann die Mails und empfangen gegebenenfalls welche. Die ARC schickt uns jeden Tag einen Wetterbericht, die Positionen der anderen Regattaboote und ggf. wichtige News. Mit diesen Infos sind wir dann ein Weilchen beschäftigt und planen den Kurs und die Segelfläche für die nächsten 24 Stunden. 

14:00 Zweite Entspannungsphase. Der geistigen Anstrengung folgend lümmeln wir dann wieder eine Weile im Cockpit herum oder machen Nickerchen unter Deck. Daheim haben sich viele gesorgt, ob wir uns nicht zu viel sehen werden wenn wir jede Minute zusammen auf dem engen Boot verbringen. Im Segelumfeld meinten hingegen viele, dass man sich beim double handed sailing nur selten sieht und praktisch nie gemeinsame Zeit hat. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Wir nutzen schon unsere Chancen auf ein Nickerchen, sind aber hinsichtlich unserer Nachtschichten so gut eingestellt, dass wir doch ein paar gemeinsame Tagesordnungspunkte einplanen können.

15:00 Jause. Bewährt hat sich hier insbesondere die Kombi aus einem grünen Apfel und einem Kinder Bueno. Aber ähnlich wie an einem Bürotag gibts auch Kekse, Schoki, Pudding oder Obst zum Auffüllen des nachmittäglichen Zuckerdefizits. 

16:00 Dritte Entspannungsphase. Ich glaub es wird schon deutlich – so viel gibt es nicht zu tun. Die Tage bestehen hauptsächlich aus Essen und Schlaf nachholen. Manchmal spielen wir was, schreiben oder lesen. Hier in relativer Küstennähe gibt es noch einige Möwen, die wir interessierter beobachten als wir es sonst tun würden. Ein Highlight sind die fliegenden Fische, die es zuhauf gibt und die wie Rebellenschwadronen über die Wellen flitzen (leider zu klein zum Filmen). 

17:30 Vorabendprogramm. Wir beginnen uns auf die Nacht vorzubereiten. Wir planen, wann und was wir essen wollen, gehen alle ein bis zwei Tage duschen und räumen auf, was sich untertags so im Cockpit ansammelt. Dann wurschteln wir uns unmittelbar vor der Nachtwache in drei Schichten Gewand und werfen die Rettungswesten über. Die Kleidungsschichten werden dann hoffentlich Richtung Westen täglich weniger.

18:30 Sonnenuntergang. Wir beginnen unser Wachrad. Wir wechseln uns ab im Rhythmus 2,5 – 4 – 4 – 2,5 Stunden – immer abwechselnd einer an Deck und einer unter Deck. Hier gibt es viele Philosophien, aber diese war ein neuer Versuch und hat uns gefallen. Die erste Schicht ist gemütlich – noch nicht zu kalt und feucht – und wird gern zum einsamen Abendessen genutzt. Unter Deck wird meist eher gedöst statt wirklich geschlafen.

21:00 Die erste 4-Stunden-Schicht an Deck wird ebenfalls gern zum Abendessen genutzt. Während in der ersten Schicht noch wenig an Deck gedöst wird, stellen wir uns in den langen Schichten gern Sleeptimer auf 15-20 Minuten. In diesem Intervall kontrollieren wir Kurs, Segelstellung, AIS, Windstärke und machen einen Rundumblick. Für Windänderungen und Kollisionskurse mit anderen Schiffen haben wir zudem automatische Alarme gestellt. Gesteuert wird übrigens fast durchgängig von unserem fantastischen Autopiloten – er ist unser tüchtigstes Crewmitglied.

01:00 Rollentausch. Wer gerade die erste lange Schicht hinter sich hat verkrümelt sich unter Deck zum Schlafen. Optional haben wir einen Schlafplatz in der Achterkabine und einen im Salon hergerichtet. Je nach Wind und Welle ist mal der eine, mal der andere gemütlicher. Durchschlafen klapp nicht ganz, aber nach mehreren Tagen schläft man immer länger am Stück. An Deck herrscht hier die Schicht der Kamikaze-Fische. Häufiger kratzen wir in der Früh kleine (tote) fliegende Fische vom Deck, einmal einen kleinen Kalmar. Einmal springt aber ein gar nicht so kleiner fliegender Fisch direkt ins Cockpit, wo er mich – Fitzek-Hörbuch hörend – zu Tode erschreckt, als er auf meinen Füßen landet. Ich brüll los, Bernhard kommt nach oben geeilt und wirft ihn zurück ins Wasser. Wahrscheinlich hat ers überlebt. Im nächsten Moment fragen wir uns, ob wir ihn nicht hätten braten können, wenn er sich so bereitwillig in unsere Mitte begibt… Einmal sehen wir ganz kitschige Nachtdelfine im hellen Mondschein. Insgesamt konnten wir abgesehen von bereits genannten Tieren noch eine große Meeresschildkröte, einen riesigen Mondfisch und den Blas und die Finnen von zwei oder drei Walen in der Ferne beobachten, vermutlich Buckelwale. 

Dieser Fisch ist tot.

05:00 The darkest hour. Kurz vor dem Sonnenaufgang ist es zwar nicht am dunkelsten, aber am kältesten. Der Sonnenaufgang um ca. 7 Uhr versteckt sich fast immer hinter Wolken und warm wird es erst etwa gegen 8:30 Uhr. 

07:30 Bonusrunde. Noch einmal eine Stunde schlafen und aufwärmen für denjenigen, der die letzte Nachtschicht übernommen hat. Dann gibts Frühstück und die Routine beginnt wieder von vorne.

Kap Verde in Sicht

Brandaktuell:

Wir kehren gerade heim von der Willkommensfeier in Mindelo. Bis Freitag sind wir jetzt noch hier und dann geht es über den großen Teich. Wir werden uns davor noch mit ein paar Eindrücken aus São Vicente melden, wo uns morgen eine Inselführung bevor steht.

Auf den letzten Drücker

Eine spannende Vorbereitungsphase in Las Palmas liegt hinter uns. Neben den Umbauarbeiten, die (Spoileralarm!) alle auf den letzten Drücker fertig werden, besuchen wir Seminare, basteln selbst an kleinen Projekten, proviantieren (einkaufen, verstauen, einkochen) und trinken das ein oder andere Bier mit unseren Stegnachbarinnen und -nachbarn, die uns von beiden Seiten bei unseren Projekten anfeuern. Damit alle, die das hier lesen den gleichen Wissensstand haben, sei festgehalten, dass uns unsere nächste Etappe nur auf die Kapverden führt. Die tatsächliche Atlantiküberquerung startet Mitte November. Also alles easy. Die kommende Etappe wird ähnlich wie Gibraltar – Lanzarote, nur etwas länger und durch den etwas weniger angesagten Wind wohl noch etwas länger.

Proviantieren und Seminieren

Ein kurzes Update was unsere externen to-dos betrifft.

  1. Riggtausch
  2. Reling und Solarpanele umbauen
  3. Batterien tauschen
  4. Motorservice
  5. Verwirrten Autopilot zurechtrücken

1. Der Riggtausch ist tatsächlich zu unserer vollsten Zufriedenheit abgeschlossen. Insgesamt 6 Tage hat es gedauert, kleine Verzögerungen eingeschlossen. Doch nun glänzen die neuen Stagen mit den Wanten um die Wette. Ein gutes Gefühl, mit generalsaniertem Rigg aufzubrechen. Und mit Versicherung, denn der Riggtausch war die Bedingung dafür. 

2. Die neue Konstruktion, bestehend aus einem Stück fester Reling mit 360° verstellbaren Solarpanelen, kann man als Kunstwerk bezeichnen. Sunny, der begnadete Mechaniker mit Spezialgebiet Niro-Stahl, hat uns mit seiner akribischen und feinen Arbeit wirklich beeindruckt. Seine umgebaute Relingsstütze bezeichnet er selbst unbescheiden als piece of art. Von seiner Frau, die mit ihm arbeitet, erfahren wir, dass er selbst bereits einmal alleine um die Welt gesegelt ist, mit dem Ziel, die Oper in Sidney zu sehen. Der restliche Weg von Australien nach Hause war dann nur die Heimreise. Danach wurde er sesshaft im übertragenen Sinne. Mit Kind und Frau verlässt er mit seiner modifizierten Segelyacht Bulgarien, um auf die Kanaren zu ziehen. Also nicht nur passioniert in seiner Arbeit, sondern höchst authentisch und sehr freundlich. Das Ärgerliche an dem Solarpanelprojekt ist nur, dass es eigentlich das Ausbessern der schlechten Arbeit der Werft in San Giorgio ist.

3. Wir haben erfolgreich auf eine Lithiumbatterie umgerüstet, die uns nun doppelt so lange Strom liefern soll wie die alten Bleibatterien. Gleichzeitig konnte der Elektriker einiges an Spaghetti, wie er den Kabelsalat nennt, vereinfachen und auf einen aktuellen Stand bringen. Zweiteres bedeutete aber auch, dass er deutlich mehr Arbeitszeit gebraucht hat als erwartet und wir somit in Bezug auf alle eigenen to-dos unter Deck blockiert waren, da wieder einmal tagelanges Arbeitschaos herrschte. Als uns Javier nach Tagen verlassen hat, fühlte es sich fast so an, als würden wir ein Crewmitglied verabschieden.

4. Die Yanmar-Partnerfirma, die uns versichert hatte, dass sie das Service machen, kündigte uns am letzten möglichen Tag dann an, dass sie derzeit nicht einmal auf Gran Canaria sind und es sich somit nicht ausgeht. Um die Lichtmaschine und den Keilriemen hat sich jedoch Javier gekümmert – Öl nachfüllen schaffen wir gerade noch selbst. 

5. Zwei Raymarine-Techniker konnten das Problem in einer halben Stunde lösen (ein unerwartetes Systemreset, aber nichts kaputt) und das auch noch gratis im Rahmen einer Promoaktion der ARC. Am Samstag machen wir unsere erste kurze Ausfahrt seit Tagen, um die Kalibrierung abzuschließen. Im Hafenbecken drehen wir ein paar Kreise und fahren im Zickzack. Der Autopilot scheint sich nun wieder auszukennen. 

Alles neu macht der November

Am Tag vor dem Start besuchen wir das Skippers Briefing, in dem die Startmodalitäten erklärt werden, wir ein ausführliches Wetterupdate erhalten und einiges über Route und Ankunft erfahren. Die ARC ist im Grunde eine freundschaftliche Regatta (Wettfahrt) – dazu ein kurzer Exkurs ohne fundiertes, einschlägiges Wissen: Regatten mit unterschiedlichen Bootstypen funktionieren über Handicaps, das heißt, jedes Schiff wird im Vorhinein bewertet. Das wichtigste Maß ist dabei die Länge der Wasserlinie, also wie viel Rumpf im Wasser ist (Länge läuft!). Weitere Faktoren wie Anzahl und Größe der Segel kommen hinzu und… lange Rede kurzer Sinn: Unser Handicap ist ganz gewaltig und wir gehen als Vorletzter gewertet ins Rennen. Also viel Luft nach oben und wir können nur gewinnen! In Wahrheit ist es für uns aber ein Rennen gegen die Zeit, denn wer vor nächstem Sonntag 17 Uhr noch nicht auf den Kapverden ist, fliegt aus der offiziellen Wertung. Eine Ankunft vor Sonntag Abend ist aber eher fraglich, Montag oder Dienstag scheint realistischer. Es wird kein Sprint, sondern ein Marathon – genau genommen 38 Marathons.

Am letzten Tag gibts für uns noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen und dazwischen bleibt sogar ein bisschen Zeit, um nervös zu werden und fein zu dinnieren. Wir haben es zwar nicht so eilig von hier wegzukommen wie zuvor von Lanzarote, aber freuen uns jetzt doch schon sehr auf ein paar friedliche Segeltage.

Festliche Stimmung in Las Palmas

Die ARC hat uns mit GPS-Trackern ausgestattet, die alle vier Stunden ein Signal senden. Hier könnt ihr uns also ab jetzt noch genauer verfolgen (gratis App erforderlich für mobile Geräte). Außerdem werden wir wieder ein bis zwei kleine Updates von hoher See auf facebook posten. Baba, bis in 7 bis 9 Tagen!

Mit Mann & Maus, ohne Rigg & Reling

Noch eine Woche bis zum Start Richtung Kap Verden. Wir waren fleißig mit unseren to-dos hier in der Marina Las Palmas auf Gran Canaria. Nach etlichen Scooterfahrten zu diversen Bootsbedarfs- und anderen Läden sind wir mit allen relevanten Bastelarbeiten fertig. Langweilig wird uns jetzt trotzdem nicht. Warum?? Weil es weiter geht mit Wäsche waschen, Proviantisieren, Seminare besuchen, Tanken etc. etc. Für die Werft gibt es allerdings noch einiges zu tun. Auf dem Plan stehen:

  1. Riggtausch
  2. Reling und Solarpaneele umbauen
  3. Batterien tauschen
  4. Motorservice
  5. Verwirrten Autopilot zurechtrücken

Der Riggtausch (1) lässt sich bisher zusammenfassen mit guter Start – stark nachgelassen. Warum?? Nach Durchsicht des Berichts aus Lanzarote spricht der Rigger in Las Palmas endlich Klartext – ein neues Rigg muss her. Warum?? Weil beim letzten Tausch vor acht Jahren in Italien wohl richtig schlecht gearbeitet wurde. Am nächsten Tag bekommen wir die Kosten präsentiert, am übernächsten beginnen die Arbeiten. Nach zwei Tagen Intensivarbeit folgt dann eine unangekündigte Pause, die inzwischen drei Tage andauert.

Am Dienstag stoßen Fabian und sein zweieinhalbjähriger Felix zu unserer Crew. Kind an Bord – eine Premiere. Sie haben sich aber gut vorbereitet und Felix erscheint in schicker Schwimmweste. Um es den beiden möglichst schwer zu machen, entfernen wir nicht nur zwei Relingstützen (2), sondern drehen auch auf Wunsch der Rigger das Boot um (1). Wie-rum?? 180°, mit dem Mast als Drehachse. Warum?? Sie können dadurch leichter am Vorstag arbeiten. Eine zweite Premiere, denn mit Bug Richtung Steg haben wir noch nie angelegt. In Nord- und Ostsee ein Klassiker, im Mittelmeer kaum praktiziert. Warum?? Keine Ahnung, eigentlich. Leider sollte das unsere einzige (kaum den Namen verdienende) Ausfahrt bleiben. Warum?? Weil das Rigg bis zur Abreise unserer Gäste in einem unfertigen Arbeitszustand bleibt. Das Manöver (Anlegen mit Bug Richtung Steg) läuft zwar ganz gut, das Borden ist ab jetzt aber wesentlich komplizierter und erfordert regelmäßige Kletterpartien und das Übergeben von Waren und Kindern. Warum?? Mêlée ist für diese Art des Dockings nicht ausgerüstet. Uns fehlt eine Leiter am Bug. Zu hoch, unpraktisch, mühsam.

Die Relingstützen entfernen wir, da diese in der Werkstatt für eine sinnvollere Montage der Solarpaneele (2) vorbereitet werden. Oder wie Fabian es ausdrückt: Dass die Väter dieser Welt immer was zu tun haben. Unser Mittelcockpit bewährt sich hier, da es nicht nur uns Schutz auf hoher See, sondern auch Felix beim Spielen genügend Abstand zum Wasser bietet.

Inzwischen startet das Rahmenprogramm der ARC+ und wir finden uns mit den Crews der anderen 92 (!) Boote bei gemeinsamen Sundownern und Welcome Drinks ein. Den Freitag Vormittag verbringen wir damit, Bäume in den Bergen von Gran Canaria zu pflanzen. Warum?? Nachdem einst rund 50 % der Insel bewaldet waren, liegt dieser Anteil derzeit bei nur 1 %. Eine Organisation, die schon seit Jahren mit der ARC zusammenarbeitet, bietet nun Touristen wie uns die Möglichkeit einen kleinen Beitrag zur Wiederbewaldung zu leisten. Anstrengender, aber auch lustiger als erwartet. 

ARC Forest, Gran Canaria

Der Umbau unserer Batterien (3) soll am Dienstag beginnen, das Motorservice (4) hoffentlich auch nächste Woche und zum Thema Autopilot (5) wissen wir noch gar nichts, obwohl der entsprechende Techniker Partner der ARC ist. Ein bisschen Glück brauchen wir schon, dass noch alles fertig wird. Warum?? Auch wenn hier alles etwas professioneller läuft, Werften gonna be Werften… 

Eine aufregende Woche jedenfalls – Umbauarbeiten mit Kind an Bord. Schwer zu sagen, welche Fraktion der größere Wirbelsturm ist. Letztlich läuft aber alles sehr entspannt. Die Arbeiter waren zuerst selbstständig superfleißig und freundlich und dann verschwunden. Fabian und Felix können sich wunderbar selbst unterhalten und versorgen, geben uns aber dann doch die Ehre auf eine große Fischplatte (Lieblingsessen von Felix) zu gehen und bekochen uns sogar an einem Abend. Im direkten Vergleich muss man aber fairerweise sagen, dass die Arbeiter ein bisschen weniger oft fragen: Warum?? 

Drei Inseln

Was für eine lange und abwechslungsreiche Woche. Es fühlt sich an, als hätten wir Lanzarote schon vor Wochen hinter uns gelassen, dabei sind es erst vier Tage.

Zum Wochenbeginn merken wir, dass es uns langsam reicht mit dieser Marina, diesen Restaurants, dem Steg. Unserem freundlichen, gut gelaunten Stegnachbarn Ray, der uns jeden Tag fragt ob wir schon unsere neuen Batterien haben. Wir teilen ihm dann mit, dass Valentino, der Batteriemann, wohl verschollen ist und auch die Werft ihn nicht mehr erreicht, worauf er seufzend antwortet: That’s not good – und dann links und rechts mit Nachbarn plaudernd den Steg entlangspaziert. Jeden Tag aufs neue. Lagerkoller wäre übertrieben, aber nahe dran.

Aber wir warten ja auf den Rigger, der Dienstag Vormittag mit nur einer knappen Stunde Verspätung auftaucht. Ergebnis des Riggchecks: Wir sollten mal einen ordentlichen Riggcheck machen. Herrje!! Der offizielle Prüfbericht vom Riggerboss fällt schriftlich auch nicht deutlicher aus. Eventuell sollten wir zwei etwa 10 cm lange Befestigungen austauschen. Oder doch alles? Oder nur alle Befestigungen? Wir telefonieren mit Werften auf Teneriffa und Gran Canaria. Keine klaren Ansagen. Nach Tagen schaffen wir es aber einen Fix(?)termin für Gran Canaria auszumachen, die sich alles nochmal ansehen und auch innerhalb von zwei Wochen einen kompletten Riggtausch vornehmen könnten, wenn notwendig. Ob notwendig, weiß keiner. Fürs Erste bleibt uns mal nichts übrig, als guter Dinge zu sein.

Etwas abgezockt und verwirrt haben wir jetzt erst recht einen Grund, Lanzarote rasch hinter uns zu lassen. An unserem Abschlussabend gesellen sich Vera und Josef, die ab Dienstag die Insel erkunden, zu uns. Solang man mit keiner Schiffswerft zu tun haben muss, jedenfalls ein schönes Urlaubsziel. Bei Sangria, gutem Essen und netter Gesellschaft lassen wir die Woche ausklingen um am nächsten Tag gleich wieder eine längere Etappe zu starten. Eine gute Gelegenheit uns wieder die schönen Seiten des Segelns in Erinnerung zu rufen – nämlich ziemlich alles außer mit Werften zu tun zu haben. 

Die Überfahrt nach Teneriffa dauert etwas mehr als einen Tag und bietet, wie der Vortag, die gesamte Gefühlspalette. Halbwind – traumhaft! Die Wellen sind lang und hoch, schütteln uns aber nicht wie verrückt durch. Und wir sind wieder deutlich schneller als gedacht. Überraschend: Erstmals nach fast vier Monaten leiden wir unter Seekrankheit. Nicht stark, aber doch so, dass wir die guten Bedingungen nicht wirklich genießen können. Waren wir zu lange an Land? Oder doch der Sangria? Jedenfalls verbringen wir den Großteil des Tages in therapeutischer Horizontalposition. Spätestens bei der Ankunft in Santa Cruz geht es uns aber wieder gut und wir starten den oben beschriebenen Telefonmarathon mit diversen Mechanikern auf Gran Canaria.

Santa Cruz, Teneriffa

Am nächsten Tag starten wir vormittags mit dem Bus Richtung Santiago del Teide im Westen der Insel, wo wir meine Großeltern besuchen. Die Anreise per Schiff hätte uns leider zu viel Zeit gekostet, da wir allerspätestens am Dienstag schon in Gran Canaria sein müssen. Zum Abendessen gibts Schnitzel. Und zwar authentisches Schnitzel ohne Tunke, da es im Ort ein österreichisches Lokal gibt. Dazu burgenländischen Grünen Veltliner. Würde man ja sonst im Urlaub nicht machen, aber nach dieser Zeit hat das schon was. Danach wollen wir noch auf einen Absacker in die Bar des großen Hotels nebenan, was wir vor 10 Jahren schon einmal gemacht haben. Diesmal jedoch werden wir von einem Securitymann mit Schlagstock und Handschellen (beides kommt nicht zum Einsatz) hinausgeleitet. Darf man wohl nicht mehr. Dann verkrümeln wir uns eben ins Hostel und verbringen unsere insgesamt dritte Nacht der Reise an Land. Nach chillen am Pool, einem english breakfast zum Mittagessen und einem Kaffee gehts leider schon am nächsten Tag mit dem Bus wieder zwei Stunden zurück nach Santa Cruz, wo unsere Mêlée auf uns wartet.  

Playa de la Arena, Santiago del Teide, Teneriffa

Nach ein paar flautigen Tagen läuft die Überfahrt nach Gran Canaria besser als erwartet – ein stabiler Am-Wind-Kurs. Lediglich der digitale Kompass scheint verwirrt zu sein, da er unseren Ostkurs als Südkurs anzeigt. Spannend, aber nicht tragisch. Viel aufregender ist, dass wir kurz nach der Abfahrt von Santa Cruz zum erstem Mal von unserem Schiff aus einen Wal sehen. Ein einsamer Pilotwal. Und zur Draufgabe begleitet uns ein paar Stunden später für ca 15 Minuten eine größere Delfinschule mit mehreren Jungtieren. Wir erreichen Las Palmas auf Gran Canaria erst nachts und dürfen noch gespannt sein, wie es hier aussieht und was die Insel zu bieten hat. Neben Reparaturen und Vorbereitungen haben jetzt zwei Wochen Zeit, die Insel zu erkunden.

Alea iacta est

… soll Cäsar verlautbart haben, als er den Rubikon überquerte. Ganz so dramatisch ist unsere Lage hier in der riesigen Marina Rubicón in Playa Blanca im Süden von Lanzarote nicht, aber zurück wollen wir auch nicht mehr. Wenn fünf Tage Atlantik hinhauen, dann wohl auch drei Wochen. Abhängig ist das jedoch unter anderem vom Rigger, der erst am Dienstag zu uns an Bord kommen und Mast, Stagen, Wanten* etc. inspizieren wird – das ist nicht nur für unsere Sicherheit, sondern auch für die Versicherung relevant. Derzeit geht es deshalb für uns auch nicht voran und so bleiben wir einfach ein paar Tage genau da wo wir sind. Trotz der clickbait-Einleitung wird das ein recht unspektakulärer Blogbeitrag, aber besser mal zu Papier bringen bevor sich die Ereignisse am Ende wieder überschlagen…

Wir sind schon die ganze Woche im Urlaubsmodus auf Lanzarote (nein Vesselfinder steckt nicht fest, nein es ist nichts passiert). Einfach richtig urlaubig. Am Donnerstag haben wir einen Elektriker an Bord, der uns zum Umbau unseres Batteriesystems berät. Die Batterien sind jedoch auf dieser Insel nicht lagernd und die Lieferung per Schiff dauert 15 Tage – geht sich nicht aus, damit ist dieser Handlungsstrang auch vorerst schon wieder abgeschlossen.

Wir erledigen ein paar Kleinigkeiten, wie alles mit rutschfesten Unterlagen und Luftpolsterfolie auszukleiden. Das Scheppern unseres gesamten Hab und Guts war eins der nervigsten Dinge auf der Überfahrt und lässt sich so künftig hoffentlich verhindern. Bernhard baut in einem Anflug von Genialität unsere Duschbilgenpumpe** so um, dass wir sie künftig sowohl als Duschbilgenpumpe als auch als Bilgepumpe nutzen können. Schlaue Idee, schlaues System, hoffentlich bleibt alles dicht. 

Alle paar Mahlzeiten gehen wir essen und lassen es uns gut gehen. Dazu gibt es hier auch viele Möglichkeiten – vom Inder, über Italiener (dafür sind wir noch nicht wieder bereit) über ein argentinisches Restaurant, in dem die Größe der Hauptspeisen einer halben Kuh entspricht, bis hin zur Haute Cuisine. Jedenfalls schieben wir eine ruhige Kugel und als Abendprogramm mal ein paar flottere, auf der nahegelegenen Bowlingbahn. Dort gibt uns der Mitarbeiter schließlich für ein Spiel die Ehre, weil wir seine letzten Gäste sind. Generell muss man zu dem kleinen Urlaubsort sagen, dass um 23 Uhr die Gehsteige hochgeklappt werden. Tagsüber gönnen wir uns eine Massage im 5-Sterne-Hotel und machen einen Ausflug in die Vulkanlandschaft. In der Bustour durch den Nationalpark Timanfaya mit hunderten Kratern und Lavastein soweit das Auge reicht lässt sich die Dimension der Ausbrüche von 1730 erahnen.

Timanfaya Nationalpark

Im Industriegebiet des Hauptorts Arrecife schaffen wir uns nach monatelangem Ringen und Überlegen zwei (unelektrische) Tretroller an. Unsere Officegänge und Chandleryerledigungen legen wir jetzt rollend zurück. Eine neue Art des Cruisinglebens. Unser erster Rollerausflug führt uns ans Ende des Wellenbrechers.

Nach dem Riggcheck planen wir einen kurzen Abstecher nach Teneriffa, bevor wir schließlich Gran Canaria erreichen werden, wo zwei Wochen lang Seminare und Feierlichkeiten im Rahmen der ARC stattfinden. 

*Stagen… halten den Mast nach vorn und hinten; Wanten… halten den Mast auf beiden Seiten; gemeinsam mit dem Mast und diversen anderen Teilen heißt das dann stehendes Gut – das wird beim Riggcheck kontrolliert

**Die Bilge ist der tiefste Punkt im Schiff. Hier sammelt sich früher oder später immer Wasser – nicht nur von einem Wassereinbruch, sondern auch Regenwasser, Spritzwasser, Kondenswasser etc. Es braucht also eine Möglichkeit diesen Bereich zu lenzen, in unserem Fall ab Werft eine manuelle Pumpe, die vom Cockpit aus bedienbar ist. Die Duschbilge andererseits ist quasi die Duschtasse, aus der das Duschwasser mittels elektrischer Pumpe abgepumpt werden kann – einfach abrinnen lassen wäre ja blöd nachdem unter uns Wasser ist. Neu ist jetzt die Möglichkeit die Schläuche der elektrischen Pumpe mittels Ventilen so umzulenken, dass sowohl Dusche, als auch Bilge ohne Muskelkraft (und schneller!) abgepumpt werden können.

123 Stunden Atlantik

Tag 1 – Raus aus dem Nebel?

Die Marina in Gibraltar ist nur wenige Gehminuten von einem McDonald’s entfernt. Nachdem wir die beiden letzten Abende an Land noch zivilisiert essen waren (stilecht mit Fish & Chips in Gibraltar und fein in La Linea am Strand) decken wir uns kurz vor der Abfahrt nach Lanzarote noch mit Cheeseburgern ein, die wir bei der Fahrt aus der Bucht mampfen. Als Unterhaltungsprogramm zum Essen: Delfine. Die mit Abstand größte Schule die wir je gesehen haben. Ich versuch nicht zu übertreiben, aber würde schätzen es waren an die hundert sogenannte gewöhnliche Delfine. Ein irritierender Name, weil diese zweifarbigen Exemplare hab ich noch nie gesehen. Nach einem netten Einstieg wird es vor Tarifa ruppig mit über 30 Knoten Wind. Das Reffen schaffen wir gerade noch und dann ist mit dem Wind von hinten alles halb so wild. Fast schon schön. Wir fahren nördlich des Verkehrstrennungsgebiets – backbords eine Unmenge an Frachtschiffen.

Die erste Nacht ist – fast schon Tradition – nicht so gemütlich. Kalt, viel Wind, viel Welle, schwierig zu steuern. Immerhin macht sich der Windgenerator mal bewährt, wir sind mit wenig Segelfläche richtig schnell und immerhin keine Flaute! Als der Mond untergeht verlier ich kurzfristig die Orientierung und versteuere mich. Bernhard eilt in Pyjama und Rettungsweste heraus um mit mir gemeinsam unsere beiliegende Lage wieder in eine Fahrt umzuwandeln. Klappt gut und unsere Sicherheitsmechanismen (Preventer für den Großbaum) werden einem Härtetest unterzogen und bestehen.

Tag 2 – Kurs auf Madeira

Diesig ist es noch immer, aber es wird heller. Wind und Welle drehen nicht wie angesagt auf Nordost und wir fahren immer noch nicht Richting Süden, dafür haben wir Kurs auf Madeira – ein Abstecher? Um die Stimmung hoch zu halten setzen wir auf comfort food – heute: (spanische) Erdbeeren mit Vanillejoghurt. Wir unterhalten uns mit Büchern, Hörbüchern, Essen, Schlafen. Alles in allem sind wir an Tag 2 etwas langsamer als an Tag 1, aber der Kurs passt dann letztlich.

Die zweite Nacht ist durchwachsen, aber wahrscheinlich etwas gemütlicher als die erste. Beeindruckende Wellenberge schieben uns voran, bis eine kleine freche Welle dann rüberhüpft und mich unter Deck ein Weilchen mit Aufwischen beschäftigt. Ab sofort bleibt die Schott geschlossen. Noch etwas mehr Klettern und Potential für blaue Flecken.

Tag 3 – Schmetterling

Wir nutzen die ersten Sonnenstrahlen um die Genua mit Spibaum zu setzen und zwar auf der anderen Seite als das Großsegel (Schmetterling), da Wind und Welle jetzt genau von hinten kommen. Sonnenstrahlen ist dabei ein Euphemismus, denn es ist immer noch diesig. Wir taumeln in den Wellen durch den Tag, dafür sind wir schnell. Am frühen Nachmittag besuchen uns winzige, pfeilschnelle Delfine. Außerdem sehen wir in der Ferne zwei andere Segelboote. Buch, Hörbuch, Spaghetti.

Durch den exzessiven Einsatz des Autopiloten, der einen ganz überragend guten Job macht, sind unsere Batterien am Limit und wir drehen den Motor zum Laden auf. Motorgebrummel und Wellengeschaukel – Edelkombi. Und kalt ist es nachts. Wir tragen lange Unterwäsche, Hose und Pulli und darüber das warme Ölzeug. Durch den kurzen Motoreinsatz haben wir dann immerhin auch heißes Wasser zum Duschen.

Tag 4 – Es geht nichts über ein gutes Frühstück

Bei Striezel und Kaffee vergessen wir rasch die anstrengende Nacht. Tagsüber ist es mit einer Lage langer Kleidung angenehm. Am Nachmittag lässt der Wind nach und wir reffen aus. Wir sind nicht mehr ganz so schnell, dafür lässt langsam, ganz ganz langsam, die Welle nach. Über das Satellitentelefon laden wir einen neuen Wetterbericht herunter: Der Wind soll jetzt so angenehm bleiben und die Ankunft in La Graciosa wäre mitten in der Nacht. Der neue Plan ist es daher gleich in den Süden von Lanzarote zu segeln und dort Montag Nachmittag anzukommen. Inzwischen perfektionieren wir es, uns selbst im Cockpit so zu vertäuen, dass wir ohne Anstrengung ein Weilchen sitzen oder liegen können. Und so verbringen wir den Tag mit dem Herr der Ringe I Hörbuch. 

Die Nacht ist wieder gemischt: Während wir um Mitternacht herum bei viel Wind vermutlich Geschwindigkeitsrekorde aufstellen, wird es in der Früh fast flautig.

Tag 5 – Endspurt

Die Welle wird wieder ungemütlicher, der Wind dafür etwas mehr, sodass wir schnell bleiben. Die Sonne versteckt sich heute nicht hinter dem üblichen Dunstschleier, sondern hinter dicken Wolken. Zum Wahltag sind wir besonders österreichisch und den Wellen zum Trotz gibts zu Mittag Schwammerlsauce mit Semmelknödel – köstlich! Am Nachmittag kommt die Sonne heraus und der Wind lässt nach, sodass wir die Besegelung etwas umbauen. 

Gemächlich geht es durch die Nacht. In unsere drei Schichten gehüllt erzählt Bernhard, dass es in unserer Zielmarina ein Pool gibt. Ob es am Endspurt liegt oder an der nachlassenden Welle – wir schlafen besser denn je während unserer off-duty. 

Tag 6 – Land(zarote) in Sicht

Kurz vor 5 Uhr erblicke ich das erste Mal Land. Mit richtig gemütlichem Rückenwind lassen wir unsere erste Langfahrt entlang der Ostküste von Lanzarote ausklingen. Kurz vor 15 Uhr haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Wir organisieren noch ein paar Wartungstermine für die nächsten Tage, nehmen einen Anlegerschluck und versinken dann gegen 18 Uhr in einen traumlosen, 13-stündigen Tiefschlaf. Weil es uns hier gefällt, wir einiges abarbeiten können und Bernhard nostalgische Kindheitserinnerungen hat beschließen wir bis nächste Woche auf Lanzarote zu bleiben.

Fazit zur Fahrzeit

Wir waren schnell! Schneller als wir es zu hoffen gewagt hätten. Phasen mit richtig Wind waren immer genau so lang, dass es nicht zu anstrengen geworden ist, aber wir gut Fahrt gemacht haben. Keine Flauten. Die Welle war durchgehend nervig, aber daran gewöhnt man sich. Während wir bei dieser Investition bisher noch gezögert haben, werden wir die Servicebatterien nun definitiv tauschen. Seekrankheit war glücklicherweise gar kein Thema. Die verkürzte Schlafzeit hat uns wesentlich weniger zugesetzt als erwartet. Die Nächte waren viel kälter als gedacht, tagsüber dafür angenehm. Drei mal Delfine in 5 Tagen! Währen wir auf Lanzarote ankommen, entkommen unsere Hobbitfreunde gerade dem Dunkelwald.

Nebel, Kälte – ab in den Süden!

Nein, es ist noch nicht Sonntag, aber am Sonntag planen wir irgendwo zwischen Festlandspanien und den Kanaren zu segeln. Darum gibts heute diesen außertourlichen Bericht mit einer kleinen Gedankensammlung live aus der Marina Alcaidesa direkt am Grenzzaun von Gibraltar. 

Bereits seit dem Ablegen von Estepona liegt Nebel über uns, ein Vorbote auf die Straße von Gibraltar. Dies wird in mehrfacher Hinsicht eine spannende Episode für uns. Häufiger Nebel in Kombination mit sehr viel Schiffsverkehr, Winddüseneffekten und verschiedenen Strömungen. Es folgt für Interessierte ein kurzer Einblick in letztgenannte.

Einerseits gibt es den hydrologischen Strom, der aufgrund der stärkeren Verdunstung im Mittelmeer ständig Wasser vom Atlantik Richtung Osten hineindrückt, uns also konstant mit 1 Knoten bremsen wird. Dem entgegen steht die durch den Wind verursachte Strömung, die uns bei dem angesagten Ostwind von hinten anschiebt. Schließlich gibt es noch den dynamischen, aber gut planbaren Gezeitenstrom, der sich wiederum in eine Hauptströmungsrichtung und zwei Nebenströme aufteilt. Auch wenn die Strömungsgeschwindigkeiten uns keine ernsthaften Probleme bereiten sollten, so ist es doch ein interessanter Planungsaspekt.

Von unserem Liegeplatz im Grenzgebiet aus machen wir einen kurzen Ausflug ins britische Gibraltar und einen ins spanische La Linea. Der Grenzübergang lässt sich am besten als niedlich beschreiben. Zu Fuß passieren wir zwei Beamtinnen, denen die Tatsache, dass wir Reisepässe in Händen halten wohl reicht. Gleich nach der Grenze spazieren wir über das Flugfeld des berüchtigten Flughafen von Gibraltar. Die Starts und Landungen sind auch von unserem Liegeplatz aus spektakulär (laut).

Gibraltar & La Linea

Jedenfalls wird es Zeit Richtung Süden aufzubrechen, denn es ist kalt geworden. So kalt, dass wir gern unsere Deckenbezüge mit Decken füttern würden, dass warm duschen wieder Spaß macht und so kalt, dass Essen wieder zu normalen Zeiten möglich ist. Außerdem beschlägt die neue Kaffeemaschine, was mich zum nächsten Gedanken führt – wir haben eine neue Kaffeemaschine, sogar in Bootsfarbe. Grund dafür ist, dass Bernhard versucht hat, mit der alten Bialetti Kaffee ohne Wasser zuzubereiten und dabei der Griff weggeschmolzen ist. 

Nächster Gedankensprung: Danke an alle UnterstützerInnen, die es uns ermöglicht haben in Spanien unser Wahlrecht in Anspruch zu nehmen. Für das richtige Feeling haben wir am Navigationstisch eine Wahlkabine gebastelt und malerisch vor der Alhambra in Granada unsere Stimmen eingeworfen. 

Nachdem wir letzte Woche an einem Webinar zum Segeln und zu den Wetterbedingungen auf den Kanaren teilgenommen haben, fühlen wir uns jetzt gut gerüstet für das neue Revier. Heute werden wir, so der Plan, Festlandeuropa (bzw. Festland generell) für lange Zeit verlassen. Erste Anlaufstelle wird La Graciosa, die kleine Insel nördlich von Lanzarote. Die Fahrtstrecke dorthin beträgt ca. 600 Seemeilen (1.100km), die geplante Fahrtzeit wird je nach Wind zwischen 7 und 10 Tagen betragen. Die Tanks sind voll, das Beiboot verstaut, Mahlzeiten vorgekocht. Auch unser Satellitentelefon beherrschen wir mittlerweile einigermaßen und so können wir euch durch unser engagiertes Social Media Team via Facebook auf dem Laufenden halten. Auf ins Abenteuer!

Adra, Granada, Benalmádena!

Wir empfangen Flo noch am Sonntagnachmittag in Almerimar. Almerimar ist eine junge Planstadt mitten im Nirgendwo, die auf Wikipedia als Luxusurbanisierung beschrieben wird. Ein durchaus treffender Ausdruck für diese seltsame Stadtstruktur. Roland hat sich zwischenzeitlich alleine auf Bade- und Entdeckungstour aufgemacht. Stunden später eine Nachricht:

Ich werde noch länger zurück brauchen. Trinkt schonmal was, vielleicht sogar Essen und ich mach später eine black story was mir passiert ist.

Das Rätseln beginnt – Ein Rettungseinsatz? Ein Date? Ein Verbrechen? Die wahre Geschichte war nicht zu erraten. Roland – ein Pechvogel vor dem Herrn – hat es geschafft in einem Nationalpark in Treibsand zu geraten. Bis zur Hüfte in stinkendem Matsch steckend und um seine Schlapfen ringend, kämpft er sich aus seiner misslichen Lage, um dann noch eine Weile damit zu verbringen, den klebrigen Sand wieder von der Haut zu waschen. Spätestens beim sehr guten Abendessen in einem Strandlokal ist er wieder in einem tadellosen Zustand und wir planen die kommende Woche. Nach dem Essen lernen wir Carlos I kennen und schätzen – er wird uns die restliche Woche und noch länger begleiten.

Luxusurbanisierung Almerimar bis zur Absteige Adra

Der Plan war es, bis Motril zu segeln und dann mit dem Bus in die viel empfohlene Stadt Granada zu fahren. Gegen den Westwind und 3 Meter Welle schaffen wir es nur bis in das unschmucke Örtchen Adra. Hier lassen wir das Meer ein paar Tage Meer sein, vertäuen Mêlée mit einem ganzen Haufen Leinen in der Marina und fahren dann eben mit einmal Umsteigen Richtung Norden.

Roland & Flo waren beide schon in Granada und halten unsere Erwartungen, besonders an die Tapaskultur hoch. Zu jedem Getränk gibt es ein zumeist sehr gutes Häppchen zu essen. Die Getränkepreise bleiben dabei moderat bis günstig. Unter diesen Voraussetzungen schmausen wir uns also zwei Tage lang kreuz und quer durch die Stadt. An Tag 2 finden wir mit Sushi und mexikanisch sogar Fusiontapas. Die Stadt selbst ist aufregend: Schmucke Kathedralen und Hügel als Landmarken, enge Gässchen wechseln sich mit gemütlichen Plätzen ab, der farbenfrohe marokkanische Stil dominiert die Schaufenster und Restaurants. Unsere (dank Roland & Flo) hohen Erwartungen werden an allen Fronten erfüllt. 

Granada

Schlafen in einem „richtigen“ Bett nach über zwölf Wochen am Schiff ist überraschend unspektakulär. Unser Air B&B sieht dafür ganz besonders aus und bietet einen großartigen Ausblick auf die Alhambra.

Unser hübsches Air B&B in Granada

Das Gelände der Alhambra mit Festung und Gärten können wir am Rückreisetag noch bestaunen. Den Besuch des Palastes Nasrid hätte man wohl schon vor einem Monat buchen müssen – schwierig mit unserem stark wetterabhängigen Verkehrsmittel. 

Alhambra

Am Rückweg nach Adra sehen wir das aufgewühlte Meer und sind ausgesprochen zufrieden mit der Entscheidung zu unserem Landausflug. Mêlée ist auch noch da und unbeschadet. Sie hat aufgrund des starken Windes am Liegeplatz Schräglage. In der Nacht beruhigt sich der Wind und bei großteils, aber nicht ausschließlich Flaute geht es weiter Richtung Westen. Am Weg zur Playa de la Herradura sehen wir zwei Mondfische beim Sonnenbaden – ein ziemlich kurioser Anblick. Vor Anker besuchen uns am nächsten Tag bereits zum zweiten Mal Delfine beim Frühstück. 

Von der Playa de la Herradura nach Benalmádena

Wir motoren dann weiter durch die Flaute in den Westen von Malaga, wo uns ohne Erwartungen in Benalmádena eine scheinbar irische Touristenhochburg erwartet. Wie Almerimar handelt es sich um eine Planstadt, die um die Marina herum gebaut wurde. Die Marina selbst ist riesengroß mit ausgesprochen interessanter Struktur – Schiffe liegen an kleinen Halbinseln direkt an Hotels an. In der Mitte dieser ganzen Konstruktion – ein Einkaufszentrum. Inklusive Food Court und Minigolf. Roland & Flo verlassen uns heute schon frühmorgens und wir starten unsere wöchentliche Routine: Wäsche waschen, Deck von Salz befreien, unter Deck von Dreck befreien, Einkaufen und Frühstücken – diesmal in der irischen Edition. Good day, Mates!

Benalmádena

W000° – Westlich von Greenwich

Nach einer Nacht an der Boje im Westen von Formentera lassen wir die Balearen also hinter uns. Unsere letzte kurze Überfahrt von 30 Stunden verläuft gemischt. Nachdem wir unter optimalen Bedingungen mit Rückenwind und ausgebaumter Genua starten, setzt nach wenigen Stunden wieder unsere altbekannte Flaute mit Welle von der Seite (Option A) ein. Um gegen den aufkommenden Frust anzukämpfen probieren wir zwei neue Dinge aus:

Unter dem Bimini spannen wir zwischen Mast und Großschot eine Hängematte und hängen uns damit selbst kardanisch auf. In diesem schattigen Plätzchen kann man zwischendurch Muskeln und Hirn baumeln lassen – merken wir uns für künftige, rollende Überfahrten. 

Schritt 2 verlangt uns mehr ab. Mit dem Boot haben wir einen Spinnaker gekauft, haben mit diesem monströsen Leichtwindsegel jedoch keine Erfahrung. Fast drei Monate haben wir uns nun davor gedrückt das Segel auszupacken, haben versucht einen Coach zu finden, haben schon den Bergeschlauch gesetzt und wieder heruntergenommen, haben Ausreden gesucht warum genau jetzt der falsche Moment dafür ist…  Bei der nunmehr x-ten Überfahrt mit Flaute und Welle von der Seite ist aber Schluss mit Ausreden. Wir haben mittlerweile etwas Übung mit dem Spibaum und auch die Leinenführung für den Spinnaker und die Funktionsweise des Bergeschlauchs mehrmals theoretisch durchgespielt. Also ausse mit dem Fetzen! Es haut großteils hin. Er steht, wir fahren. Eine Relingstütze nimmt bei Experimenten mit dem Niederholer Schaden. Außer dass es uns einiges abverlangt – körperlich und geistig – ist das eigentlich ziemlich cool! Kann man wieder machen. Vor Sonnenuntergang beenden wir jedoch zur Sicherheit den Testlauf und kehren zurück zum Motoren mit Welle von der Seite. Immerhin gibts noch die Hängematte. Nach der eher mühsamen Nacht können wir am nächsten Tag noch ein bisschen segeln und erreichen am Nachmittag die ruhige und gut geschützte Marina von Cartagena. Mit wenigen Minuten Verzögerung kurz vor der Hafeneinfahrt, da wir angefunkt und gebeten werden, dem auslaufenden Kreuzfahrtschiff auszuweichen. 

von Ibiza ans spanische Festland (augenschonende Filterdarstellung des Spinnakers)

Cartagena ist anders als andere Städte. Römische Relikte und moderne Fußgängerzonen liegen hier direkt nebeneinander, mitten in der Stadt eine Festung am Berg, drum herum wieder neue Bauwerke. Historische Fassaden werden zum Teil in moderne Gebäude eingeschlossen. Sehr sehenswert. Leider fehlt uns die Zeit die entlegeneren Bereiche der Stadt zu erkunden. Zeit ist jedoch für ein Abendessen an einem der Hauptplätze (…? Die Struktur der Stadt lässt sich für mich ganz schwer erfassen). Als unerwartetes kulinarisches Highlight gibt es in einem Tapas- und Grillrestaurant Garnelen-Tempura, Oktopuskroketten, frittierte Artischocken in Orangensauce und einen saftigen Angus-Burger. Außerdem entdeckt Bernhard in Cartagena das Ministerium für Olivenöl (ich zweifle ja dessen Existenz an) und einen kleinen Supermarkt, der ausschließlich die beiden Dinge anbietet, die wir gerade noch auf der Einkaufsliste haben: Frisches Brot und Kinder Überraschungseier.

Am nächsten Morgen trauen wir kaum unseren Augen. In der beschaulichen Marina, in der hauptsächlich ältere, hochseetaugliche Segelboote liegen (wir fühlen uns gut aufgehoben) hat über Nacht in direkter Nachbarschaft zu unserem Liegeplatz still und heimlich die Celebrity Apex, ein 306 m langes Kreuzfahrtschiff festgemacht. Es ist größer als die gesamte Marina und passt hier irgendwie gar nicht ins Bild (wie so oft bei Kreuzfahrtschiffen).  

Cartagena

Nach einem Kuchenfrühstück geht es weiter Richtung Südwesten. Das Gute an den drei folgenden motorlastigen Tagen sind die gut ankerbaren Nächte. In der Nähe von Águilas ankern wir zwischen einer Miniinsel mit Ruinen und einer vom Rest der Welt abgekapselten Ferienanlage.

Unweit Águilas

In der Cala de San Pedro ankern wir bei Schwell und Südwind zwischen Bergen vor den Resten einer Burg. Abends kehren, wie angesagt, Flaute und ruhige See ein. Ein wirklich imposanter Ort frei von jeglicher Beleuchtung und Geräuschen. 

Cala de San Pedro

Für einen Mittagsstopp geht es am nächsten Tag bei Flaute weiter in das wüstenartig anmutende Naturschutzgebiet Cabo de Gata, den trockensten Ort Europas. Eine wirklich beeindruckende, vulkanisch geprägte Landschaft, die schon für manchen Blockbuster als Kulisse diente (Wir waren am selben Ort wie Indiana Jones!!). Bei einem kurzen Schnorchelausflug im verhältnismäßig eisigen Wasser (25,5°C) entdecken wir (vermutlich) einen Knurrhahn (sagt mein Huawei) – ein eigentlich recht hässlicher Fisch.

Cabo de Gata

Weiter gehts dann bei anhaltender Flaute Richtung Almería, wo wir direkt vor dem Stadtstrand ankern, den Stadtbummel jedoch auslassen. Für die nächsten Tage ist ohnehin mehr Zeit an Land eingeplant. 

Almería

Samstag Nachmittag haben wir Spaß auf unserem Kreuzkurs nach Almerimar. Noch ist der einsetzende Westwind ganz willkommen, bei der Planung der nächsten Tage bereitet er uns jedoch etwas Kopfzerbrechen. Am späten Nachmittag kommt Roland zum zweiten Mal zu uns an Bord. Beim Abendessen läuft Segelprominenz an uns vorbei – die Youtuber Julia & Markus von der Segelyacht Insieme. Bernhard quatscht sie frech von der Seite an und so können wir am nächsten Tag beim Frühstück etwas mit ihnen plaudern. Heute kommt noch Flo zu uns an Bord und wir beobachten weiter aggressiv das Wetter. Es ergeben sich die Möglichkeiten Option A) Gegenwind mit Welle von vorn oder Option B) mit dem Bus nach Granada.

Ein Zwischenfazit zu Südspanien, das wir ja noch gar nicht kannten. Eine einmalige Bergkulisse, viel schöneres Wasser als erwartet (bei diesen Bergen würde man nicht direkt daneben Sand vermuten) und unerwartet weitläufig – zwischen die Städten liegt meist kilometerlang nur Natur. Wir freuen uns auf eine weitere Woche mit Roland und Flo und zur Abwechslung etwas weniger Meer und mehr Land. 

Ibiza – Affären

In Gehweite der Marina S’Arenal befindet sich die legendäre Ballermann-Meile. Was bedeutet das für uns? Ein sinnvoller Lebensmitteleinkauf erweist sich als schwierig. Außer aufblasbaren Flamingos und hartem Alkohol gibt es nicht viel zu erwerben. Immerhin kommen wir, nach fast drei Monaten der Abstinenz, zu dem geplanten (und erhofften) Abendessen bei McDonalds, zu dem uns die spätabends dazugestoßenen Alice & Wolfi begleiten. Am nächsten Morgen nutzen wir vor dem Ablegen noch ausgiebig den Marinapool, frühstücken und planen dabei die kommende Woche, bei der die Überfahrt nach Ibiza und der optimale Zeitpunkt dafür eine große Rolle einnimmt. Die Wettervorhersagen sind mäßig: Fast durchgehend bedeckt, mehrere Tage Regen, Samstag wildes Gewitter. Zum Glück haben wir Brettspiele und Freunde dabei.

Unsere letzte Nacht auf Mallorca verbringen wir an der Boje von Port Andratx, einer beschaulichen Bucht an der Südwestspitze der Insel. Beim ausgiebigen Plantschen macht Pia die erste Bombe ihres Lebens. Wetter bedeckt aber warm.

Marinapool in S’Arenal und Port Andratx, Mallorca

Den nächsten Tag verbringen wir mit der zwölfstündigen, wechselhaften, jedoch in weiten Teilen segelbaren Etappe nach Ibiza, wo wir bei Sonnenuntergang ankommen. Im Vergleich zu Mallorca gibt es auf Ibiza nur wenige Häfen und Marinas. Der Versuch bei Einbruch der Dämmerung eine Boje im Bojenfeld von Sant Antoni aufzunehmen wird von einem tobenden Hafenmitarbeiter im Schlauchboot verhindert. So ankern wir vor der örtlichen Partymeile mit entsprechender gratis DJ-Beschallung.

Von Mallorca nach Sant Antoni, Ibiza

Am Morgen erhalten wir Besuch von einem Posidonia-Control-Boat – der Mann im Dinghy starrt mit einem riesigen orangenen Teleskop auf den Meeresboden. Posidonia ist das Seegras in den Balearen, in dem das Ankern aus Naturschutzgründen verboten ist. Doch statt einer Geldstrafe (weil wir aus Mangel an Alternativen in einem solchen Bereich ankern) erhalten wir freundliche Tipps und eine App, in der die Seegrasfelder exakt eingezeichnet sind.

Ibizas Nordwesten

Es folgen zwei weitere Ankerstopps auf Ibiza und Formentera. In der Cala Comte auf Ibiza können wir im schicken Strandrestaurant endlich Sangria und Paella auf der Spanien-to-do-Liste abhaken. Abgesehen von den Unmengen an Quallen in der Bucht und dem schaukeligen Liegeplatz haben wir hier einen wunderschönen Ort entdeckt. Verbringen wir eben etwas Zeit an Land. Und wie wir so von den Felsen aufs Meer starren, kämpft sich die Sonne für einen malerischen Sonnenuntergang unter den Wolken hervor.

Paella & Sangria in der Cala Comte

Formentera, jene Insel, die auch als die Karibik Europas bezeichnet wird, besticht nicht nur mit türkisblauem, quallenfreiem Wasser sondern auch mit dem netten Örtchen Es Pujols, das wir nur kurz für Besorgungen besuchen.

Es Pujols, Formentera

Am nächsten Tag ankern wir mittags noch einmal etwas weiter nördlich vor Sanddünen. Hier ist es noch etwas türkisblauer, warm und wunderschön!

Quallenfreies Schnorcheln vor Formentera

Die Woche endet in der Marina Santa Eularia. Nach einer 30-minütigen Busfahrt feiern wir den Geburtstag von Alice in Ibiza-City, wo wir verschiedene Partymeilen entlangschlendern und den einen oder anderen Cocktail probieren.

Während wir vor allem bei den längeren Etappen absurd oft Flaute mit Welle von der Seite beklagen, haben wir am nächsten Tag das erste Mal seit Beginn unserer Reise richtig schlechtes Wetter. Nicht das Anfang der Woche vorhergesagte hochdramatische Gewitter, aber es gießt immer wieder wie aus Kübeln. In der geschützten Marina lässt es sich aber bei English breakfast und französischem Omelett gut aushalten. Alice & Wolfi reisen am Samstag Abend ab, um noch eine Woche die Küsten Mallorcas auf ihrer Charteryacht zu erkunden. Die Balearen waren für uns ein absolutes Highlight – hier kommen wir hoffentlich irgendwann nochmal her. Für uns steht morgen die Etappe ans spanische Festland an. Wind und Wetter sind günstig angesagt. Wer will tippen – A) Flaute mit Welle von der Seite oder B) etwas anderes.

Santa Eularia und Ibiza

Malerisches Mallorca

Am Sonntag machen wir unseren bisher kürzesten Schlag – rund 300 Meter von der Stadtmole in Alghero in die Marina, mit einem Zwischenstopp bei der Tankstelle. Andi kommt an Bord und bei einem Begrüßungsabendessen beschließen wir, am nächsten Tag erst am Nachmittag abzulegen. Einerseits um nicht bei Dunkelheit in Menorca anzukommen und andererseits – das haben wir schon gelernt – um die längere Etappe gut ausgeschlafen zu starten.

Wir lassen also das nette Örtchen Alghero, das es absolut wert ist dort drei Tage zu verbringen, hinter uns. Wir lassen aber vor allem endlich Italien hinter uns! Wie schon so oft folgt auf einen super Segeltag eine mühsame Motornacht mit Welle aus Nordsüdost und Flaute aus Südnordwest. Erst im Laufe der zweiten Nacht verbessern sich die Bedingungen, aber immerhin erreichen wir ziemlich genau nach Zeitplan die Bucht von Fornells auf Menorca, wo Bernhard die Buoy Patrol (Hafenmeister, keine Boyband) anfunkt und um einen Liegeplatz bittet.

Alghero bis Menorca

Einmal fest an der Boje wird uns klar – der Ort ist ein Traum! (Sagen wir das zu oft?) Wasser, das zum Verweilen einlädt, eine schöne Stadt, ein wunderbarer Lunch. Wir haben es gut getroffen, oder wie Andi es treffend formuliert: Hier is besser als auf der Pulmo in Krems.

Fornells, Menorca – Day & Night

Am nächsten Tag geht es gleich weiter nach Mallorca, da wir zum einen Irina abholen und zum anderen Menorca, jedenfalls von der Landseite, schon ein wenig kennen. Auf Mallorca aber war ich noch nie und die Balearen sind wahrscheinlich das Ziel, auf das ich mich im Mittelmeer am meisten gefreut hab – und bisher wurden wir definitiv nicht enttäuscht. Wir landen eher zufällig in Cala Bona, einem winzigkleinen, süßen Hafen, in dem wir tatsächlich mal das größte Boot sind. Dahinter liegt ein touristischer und doch netter Ort, in dem vor allem Briten ausgiebig feiern und wohl noch nicht mitbekommen haben, dass ihre Queen heute gestorben ist. Wir lassen uns auf die britische Urlaubskultur ein und gehen abends indisch essen. 

Start in Menorca bei Sonnenaufgang, durchs Gewitter nach Cala Bona, Mallorca

Am nächsten Tag finden wir für einen Mittagsstopp die vermutlich schönste Bucht, die wir bisher gesehen haben. Türkises, kristallklares Wasser, Fische aber keine Quallen und Höhlen in der Felswand zum Erforschen. Ich bin so froh, dass ich schnorcheln geübt hab und an der nur noch ganz kleinen Meeresphobie arbeite, sonst würde mir so viel entgehen! Ich glaub die Bilder sprechen hier für sich. 

Cala Barques

Kreuzend geht es dann mit unserer hochgeschätzten Sturmfock weiter Richtung Süden. Auch unser Bojenplatz für die Nacht in Portocolom ist gut geschützt mit schönem Ambiente und beeindruckendem Sonnenuntergang. 

Davor gibt es jedoch noch eine kleine Kletteraktion, weil das Spifall, das wir gern verwenden um das Dinghy zu Wasser zu lassen, in den Mast abhaut. Dirk aushängen – hochklettern – Sorgeleine in den Mast einfädeln – Fall wieder hochziehen – Dinghy zu Wasser lassen – an Land fahren und essen gehen. Ganz einfach. Das hervorragende Essen in dem ausgesprochen untouristischen, mallorquinischen Restaurant am Kirchenplatz belohnt uns für unsere Mühen. 

Portocolom

Kaum möglich, den folgenden Satz zu schreiben, damit er klingt als wäre es etwas fantastisch Gutes: Am nächsten Tag läuft nochmal alles ganz ähnlich. Ein Mittagsstopp in einer traumhaften Bucht mit Höhlenschnorcheln, gemütliches Halbwindsegeln, vorbei am türkisblauesten, kristallklarsten Wasser, das uns je untergekommen ist am südlichsten Kap von Mallorca und am Abend werden wir von Ini und Andi vorzüglich bekocht.

Cala Mondragó

Die Balearen lassen sich ganz wundervoll an und zum Glück dürfen wir noch eine Woche in dieser traumhaften Umgebung bei 30°C Luft- und Wassertemperatur verbringen. Heute gibt es wieder einen fliegenden Crewwechsel in S’Arenal. Ini & Andi verbringen noch eine Woche am mallorquinischen Festland und Alice & Wolfi kommen abends zu uns an Bord. Unser heutiges Tagesziel: Ein Cheeseburger. Vielleicht auch zwei.

Cap de Ses Salines

West coast

Wrap up zum letzten Sonntag

Chaos, Unverständnis und 20 Knoten Wind herrschen, als wir in der Marina Portoscuso gebeten werden, unseren gerade erst bezogenen Liegeplatz doch noch einmal zu wechseln. Tatsächlich gelingt es uns auch im dritten Versuch nicht, an dem vorgeschlagenen neuen Liegeplatz am Fingersteg anzulegen. Seitenwind, enge Manövrierverhältnisse und unser Radeffekt verhindern es, sodass wir erneut, 10 Meter neben dem ursprünglichen Platz, längsseits anlegen. Das alles passiert, während das Flughafentaxi für Tamara, Reinhard und Roland bereits wartet. Aus einem entspannten wird also dank der ungeduldigen Marineros ein überstürzter Abschied. Einen (gefühlten) Augenblick später rollen bereits Uschi und Pez auf zweifelhaft legalem Wege mit den Motorrädern in der Marina ein. Zur Begrüßung: Bier & Burger.

Das Programm für die kommenden Tage lautet: Landrattentaugliche Urlaubsetappen und Einführung in die Segelei. Der Plan geht auf – es geht in einstündigen Schlägen bei gut segelbaren Verhältnissen zunächst zurück nach Carloforte auf der Insel San Pietro, wo wir diesmal auch rechtzeitig in einer Pizzeria reservieren, köstlich dinieren und am nächsten Tag noch ein paar malerische Ecken des Ortes entdecken. Am nächsten Tag mit etwas mehr Wind in den Norden von Sant‘ Antioco für einen Ankerstop, dann schließlich mit Rückenwind zurück nach Portoscuso. Von allem etwas – ein gelungener Kurztrip, und wir winken Uschi und Pez zum Abschied, die ihre einspurige Heimreise auf mehrere Etappen antreten.

Portoscuso bis Carloforte und zurück

Charge!!!

Die rote Ladekontrollleuchte am Motorpanel belästigt uns schon seit einigen Tagen, weshalb wir bereits an den wohl nötigen Austausch unserer Starterbatterie denken. Nach dem Ablegen von Portoscuso, um Sardiniens Westküste Richtung Norden zu erkunden, leuchet es jedoch erstmals im Dauerzustand (und wird auch heller?), und diesmal haben wir tatsächlich ein Problem, denn die Spannung beider Batterien nimmt trotz sechsstündiger Motorfahrt immer weiter ab. Es folgt also eine vermeintlich gezwungene Fahrt im Regen in die entlegenen Marina Oristano, wo es weit und breit nichts gibt außer einen Getränkeautomaten und einen kaputten Geldwechselautomaten, was die Benutzung von erstgenanntem erschwert. Wir vereinbaren einen Termin mit einem Techniker für den nächsten Morgen, den wir schließlich dank einer erfolgreichen DIY-Reparatur (Danke an Richard für die technische Beratung) wieder stornieren. Es war nur ein loses Kabel an der Lichtmaschine. 

Oristano im Regen

Dann also keine Zeit verlieren, raus aus Oristano und weiter Richtung Norden. Die Bedingungen sind zur Abwechslung einmal so gut, dass wir statt der geplanten zwei Stunden noch vier weitere Stunden nordwärts segeln. Für uns als penible Planer doch was Besonderes! So ankern wir schließlich vor dem Hafen von Bosa, wo wir dann leider eine eher unangenehme, weil schaukelige Nacht verbringen. Sechs Stunden wunderbares Segeln können dadurch aber nicht getrübt werden. 

Schön aber schaukelig vor Bosa

Alghero

Zweckmäßig, ohne jede Erwartung, allerdings mit Empfehlung unseres Hafenhandbuchs und von Pez gemäß Hörensagen, haben wir Alghero als unseren letzten Hafen vor der Überfahrt auf die Balearen auserkoren. Das bedeutet auch: Alghero wird der Ort sein, an dem wir Italien nun endgültig hinter uns lassen. Versöhnlicher könnte der Abschied kaum sein. Die Stadt überrascht uns und sie ist wahrscheinlich unser bisheriges Highlight. An der Altstadtmole können wir 2 Tage gratis liegen – ohne jegliche Infrastruktur aber sehr gut geschützt. Dass es sowas tatsächlich gibt! Mit optimaler Ausgangslage erkunden wir also die sehr beschauliche Stadt und können diverse länger anstehende Einkäufe und Arbeiten am Schiff erledigen, z.B. unseren ersten Ölwechsel und die Wartung der Genuawinschen.

Angemessener Abschluss: Alghero

Heute, an dem Tag, an dem wir seit genau 2 Monaten auf unserem Schiff leben, verlegen wir unseren Liegeplatz noch einmal um ein paar Meter, um vor der Überfahrt mit unserem gerade eingetroffenen Gast Andreas (und damit Andi Nummer 3) noch einmal die Vorzüge einer Marina genießen zu können. Morgen werden wir dann also zu dritt zu der rund 40-stündigen Fahrt Richtung Balearen aufbrechen und dann erstmals die spanische Flagge setzen. Die Wetterlage scheint günstig. Ciao Sardegna, Arrivederci Italia!

Wie die Sardinien

Die Überfahrt von Sizilien nach Sardinien verläuft besser, als ich es zu hoffen gewagt hätte. Schon viel Flaute, aber moderate Welle und ein paar Highlights, wie der beeindruckend sternenklare Nachthimmel. An Tag 2 werden wir kurze Zeit von Delfinen begleitet. Mindestens 8 besonders lebensfrohe Exemplare eskortieren uns und springen wie verrückt in unserer Bugwelle umher, dass sie sich fast überschlagen.

Sizilien bis Sardinien

Am Dienstag Abend erreichen wir mit letztlich nur zwei Tagen Verspätung den Hauptort Cagliari und dürfen endlich Tamara, Reini und Roland an Bord begrüßen. Zum ersten mal zu fünft an Bord wird ein spannendes Experiment – zum Glück haben wir Übung in Tetris!

Die nächsten Tage verbringen wir damit zu ankern, genuesische Wachtürme zu sammeln und vor Quallen zu flüchten. Wir genießen außerdem das Ende des Hochsommers – in einer Nacht müssen wir sogar einmal eine Luke zumachen! Wir ankern in den Buchten Capo di Pula in der Bucht von Cagliari, Teulada und Punto di Torre Cannai. In Teulada werden wir beim Frühstück erneut von Delfinen besucht. Delfine so nah am Ankerplatz haben wir noch nie gesehen und wir sind so überrascht, dass es nicht mal Fotos gibt. Zum Glück haben wir den ursprünglich gewählten Ankerplatz mit karibisch anmutendem, türkisblauem Wasser aufgegeben, da es uns in diesem paradiesischen Höllenloch zu windig war.

Südsardinien

In Punto di Torre Cannai auf der Insel San Antioco sehen wir uns einen der unzähligen Genuesischen Wachtürme mal aus der Nähe an. Beim Landgang verliert Bernhard ein Stück von seinem Finger und Reinhard spießt sich eine Kaktusfrucht durch seine Hand (dramatisierte Darstellungen) nachdem Tamara ihn wenige Minuten zuvor vor den kleinen, fiesen Dornen gewarnt hat. Alles in allem ein ganz netter Ausflug.

San Antioco

Reini lernt segeln. Nachdem er sich seit mehreren Jahren erfolgreich davor gedrückt hat, uns am Schiff zu begleiten („Masterarbeit“, „Corona“,…), muss er jetzt jedenfalls Interesse heucheln. Reini hat in der Bootsfahrschule gelernt:

Hallberg-Rassy, getakelt, kuttergetakelt, sloopgetakelt, ketschgetakelt, crawlgetakelt, Besanmast, Seil/Leine/Ende, Tampen, Klampe, Kuchenbude, Weidmannsheilstek, Palstek, Defender, Schwell, Wanten, Stagen, Salinge, Groß, Genua, Fock, Spinnaker, Gogglefils, Admiralitätsanker, Leeleine, Dirk, Baum, reffen, abdirken, Bimini, Sprayhood, Dinghy, Yurtojradius, Luv, Lee, abfallen, am Wind, Reinwind, Schott, Schot, Genuaende, Bändsel, Plotter, Southerly, Mooring, Marinero, Muringstange, steuerbord, backboard, Kielwasser, Bö, Manöverschluck, Captainsdinner, Cockpit, Navigationstisch, Gangway/Passarella, Lateralzeichen, Kardinalzeichen, Kreuzsee, Verdränger, Gleiter, Ankerkevin, Ankerball, Motorlicht, Wuhling, Ree, Schwalbennest und vieles mehr*

*Liste bitte nicht als Lernunterlage verwenden – manche Begriffe sind alternative Wahrheiten

Zum Abschluss der mistralbedingt verkürzten Woche besuchen wir das kleine, nette Städtchen Carloforte auf der Insel San Pietro, bevor es 5 Seemeilen zurück nach Sardinien geht, wo unsere Crew uns in Portoscuso verlässt. Wenige Stunden später kommen auch schon Uschi und Pez mit den Motorrädern angerollt und wir dürfen ihnen für wenige Tage unser alternatives Fortbewegungsmittel näher bringen.

Zwei heiße Nächte in Palermo

Wir schwitzen in Palermo. Eine kritische Entscheidung steht an: Überfahrt nach Sardinien im Sturm oder eine Woche Festsitzen auf Sizilien. Dazu ist noch eine Reparatur ausständig, die in kurzer Zeit organisiert und erledigt werden muss. Aber eins nach dem anderen.

Nachdem uns Andi und Benni verlassen haben, machen wir mit Jan, einem Mitarbeiter der ARC, eine virtuelle Sicherheitsinspektion unserer Mêlée. Das ist nicht nur sehr hilfreich, sondern macht richtig Spaß und wir haben jetzt einen sehr genauen Plan was uns noch fehlt, um fit für den Atlantik zu sein.

Am nächsten Tag, Freitag Vormittag, starten wir unsere bisher längste Überfahrt von Lefkas in die Straße von Messina – und das nur zu zweit. Der Schlag hat von allem etwas: Die beiden ersten Tage können wir weite Strecken entspannt bei Halbwind segeln. Die beiden Nächte und Tag 3 sind (unent)spannender. Die erste Nacht ist gezeichnet von Gewittern. Genau auf unserer Route eine Wand von Blitzen. Mit Hilfe des Radars manövrieren wir uns trockenen Fußes und ohne Detonationen durch die Zellen. Es fühlt sich kontrolliert und trotzdem absolut unheimlich an! Ab dem Sonnenuntergang an Tag zwei sind Wind und Welle gegen uns. Um 1:20 Uhr passiert es: Beim Versuch die Genua zu setzen löst sich die Rollanlage vom Vorstag und die Genua rauscht aus. Das heißt: Volles Zeug bei stärker werdendem Wind ohne Reffmöglichkeit. Wir gehen auf Nummer sicher und bergen die Genua über das Fall – ein Kraftakt bei 20 kn Windgeschwindigkeit. Mit dem Motor geht es dann noch 20 Stunden weiter gegen die Welle. Um 21:20 liegen wir nach 280 sm in der Marina Villa San Giovanni, die wir schon vom letzten Jahr kennen. Bier, Pizza, Schlafen.

Lefkas bis Villa San Giovanni

Und wenn die Suche nach einem Reparaturservice in diesem kleinen Örtchen fehlschlägt, welchen Weg wählt ihr dann? Wenn der Genuafurler euch in die Knie zwingt, wagt ihr dann einen noch gefährlichen, stinkenden, dreckigeren Weg? (Frei zitiert)

Palermo
Ich glaub es ist in der Vergangenheit schon herausgekommen, dass wir nicht die größten Fans von Italien sind (vom Essen abgesehen). Der Gipfel ist aber Palermo. Als wir diese – Sie nennen es „Stadt“ – 2018 besucht haben, haben wir eigentlich gehofft ihr für immer den Rücken gekehrt zu haben. Und doch: 24 Stunden später sitzen wir nach einer gemütlichen Überfahrt in Palermo. Und schwitzen.

Die Küste entlang von Villa San Giovanni bis Palermo

Zunächst die Reparatur der Reffanlage: Dank unserer separat zu bedienenden Sturmfock können wir während der Überfahrt etwas segeln. Wir versuchen abzuschätzen, was die Reparatur der Genuarollanlage wohl kosten wird und nachdem wir das genaue Problem nicht kennen, liegen unsere Schätzungen zwischen 100 € (ein ehrfurchtgebietender Blick des Riggers) und 4.000 € (ein komplett neues System einbauen lassen). Oft liegt die Wahrheit in der Mitte, aber manchmal läuft auch mal was gut. Die Reparatur ist in Kürze erledigt, von einem freundlichen und kompetenten Fachmann mit dem wir uns vorab über WhatsApp Details ausmachen. Letztlich fehlen nur sechs Schrauben (wie viele davon zum Zeitpunkt des Zwischenfalls wohl noch da waren?) und es kostet gerade einmal 150 €. Glimpflich.

Dann ist da noch der Sturm: Das Wetter gibt uns ein Fenster von rund 48 Stunden Südwind bevor der nordwestliche, extrem starke Mistral einsetzt und eine Überfahrt nach Sardinien unmöglich macht. Der vorhergesagt Südwind ist jedoch auch nicht ohne und auch der Marinero in Palermo schluckt als er hört, dass wir noch übersetzen wollen. Das nächste Wetterupdate sagt 60 kn in Böen voraus – damit hat sich das Thema Überfahrt vorerst erledigt. Wir müssen zwar unseren Zeitplan über Bord werfen und unsere nächsten Gäste auf Sardinien um mehrere Tage vertrösten, doch die Erleichterung, nicht zwei Nächte durch den Sturm zu segeln, überwiegt in dem Moment. Wir bleiben also in Palermo und schwitzen weiter – von hier an aber nicht wegen des Zeitdrucks und, ja ich würde es emotionalen Stresses nennen, sondern wegen der vorherrschenden 40°C.

Schlechte Aussichten für die Überfahrt nach Sardinien

Palermo selbst ist keine Perle, bleibt uns aber doch deutlich besser in Erinnerung als vom letzten Besuch: Die Marina ist klein aber fein, der Marine Shop hervorragend ausgestattet (viele todos gekauft zum Abwettern) und das kulinarische Bingo aus Arancini, Cannoli und Zitroneneis lässt sich auch rasch auftreiben.

Nach zwei Nächten geht es etwas planlos weiter Richtung Westen an dieses eine Kap ganz im Nordwesten von Sizilien – wo sind wir eigentlich? Hübsch ist es jedenfalls. Noch vor Einsetzen des Mistral beobachten wir mehrere Brände an der sizilianischen Nordküste, wobei kurz sogar Asche auf uns herab regnet.

San Vito Lo Capo

Weiter geht es auf die interessante Insel Favignana im Westen von Sizilien. Türkisblaues Wasser, aber Schwell in unserer Bucht. Ein ähnliches Bild zeichnet sich heute auf Marettimo ab, wobei wir nach einmaligem umparken und adjustieren nun auf eine ruhige Nacht hoffen dürfen und dann hoffentlich morgen Früh Richtung Sardinien starten können. Stück für Stück pirschen wir uns in den letzten Tagen an unser Ziel heran und haben unsere geplante Überfahrt schon um etwa 50 sm verkürzt. Wir erwarten eine unruhige See, wenig Wind von vorn und langsam voranzukommen. Sardinien wir kommen – geschüttelt, nicht gerührt.

Lefkas – ein bisschen Segeln & andere Abenteuer

Ein Gastbeitrag

Ahoi liebes Schiffstagebuch!

Endlich ist es wieder so weit! Nach ziemlich genau einem Jahr dürfen Benni und ich (Andi) Bernhard und Pia wieder auf ihrem Segelschiff begleiten. Die letzte Reise auf der Mêlée ist uns gut in Erinnerung geblieben – wir flüchteten gemeinsam aus Genua Richtung Neapel. Nach dieser doch etwas anstrengenden Fahrt freuen wir uns dieses Jahr auf einen ruhigeren Urlaubstörn rund um die Insel Lefkas.

Eingespielte Crew seit 2021

Sehr zeitig am Samstag in der Früh fliegen wir nach Griechenland und stehen bereits um 8:30 am Steg der Marina Preveza – bereit für die Abfahrt…. die dann doch erst am Sonntag ansteht. So verbringen wir den Tag in der Marina, wo wir uns sogleich dem ruhigen griechischen Lebensstil anpassen, dreimal im Kaffeehaus einkehren, versuchen in der Hitze unseren Schlaf aufzuholen und ansonsten nicht viel tun, außer Bernhard und Pia bei ihren Bootsarbeiten im Weg herumzustehen bzw. zu liegen. Am Abend geht es dann doch noch ein paar Schritte weiter in eine griechische Taverne, in der uns zu unserem Erstaunen für Griechenland untypische rennende Kellner köstliches Essen an den Tisch servieren.

Am Sonntag fühlen wir uns dann wieder wie echte Crewmitglieder, als wir am Vormittag in Crewuniform endlich in See stechen. Zuerst passieren wir einen Kanal vorbei an der Stadt Lefkada, um von dort unsere Bucht für die Nacht auf der kleinen Insel Meganisi anzusteuern. Auf dem Weg streifen wir eine sehr spektakulär aussehende Gewitterzelle und haben genügend Wind, um für kurze Zeit die Segel zu setzen.

Durch den Lefkas Kanal, vorbei am Gewitter nach Meganisi

Beim Versuch in unserer Bucht zu ankern wird die Stimmung an Bord jedoch für kurze Zeit aufgeheizt und die umliegenden Boote bekommen ein richtig spektakuläres Ankermanöver bei 25 Knoten Windböen von der Seite zu sehen. Die Details sind dabei unwichtig – was in Erinnerung bleibt: Bernhard, der danach mit zwei Bier in den Händen zum französischen Nachbarboot schwimmt, um sich für die tatkräftige Mithilfe zu bedanken.

Meganisi

Auch die nächsten zwei Tage halten wir uns in den Buchten Ormos Sivota und Vliho auf, wobei die Ankerbedingungen nicht mehr so herausfordernd sind. Die heißen Nachmittage verbringen wir Schatten suchend an Deck oder im Wasser ohne Stress und mit sehr viel Gemütlichkeit. Für ein paar Stunden haben wir auch Glück mit dem Wind – vor der Bucht Vliho kreuzen wir gegen den Wind auf und Benni und ich wissen wieder, wieso wir Segelboote eigentlich so lieben.

Besonders ereignisreich ist der Aufenthalt in der Bucht Sivota. Benni, Bernhard und Pia wagen einen Klippensprung aus ca. 8m Höhe – mir wird schon beim Zuschauen schlecht. Nicht nur deswegen wird uns diese Bucht in Erinnerung bleiben. Bernhard erleidet einen Wespenstich an einer sehr ungünstigen Stelle und auch das nigelnagelneue Dinghy wird nach einem erneuten Zwischenfall mit dem Fäkaltank umgetauft. Ab sofort besuchen wir das Land mit Hilfe von Stinki 2.

Sivota

In der Bucht Vliho fällt uns plötzlich ein neues Crewmitglied auf: Eine riesige Gottesanbeterin hat es sich unter Deck gemütlich gemacht, als Pia gerade dabei ist einen Geburtstagskuchen für Bernhard zu backen.

An unserem vorletzten Tag feiern wir schließlich Bernhards Geburtstag mit einem Frühstück auf einem naheliegenden Berg. Benni und ich sind uns nicht sicher, was wir hier eigentlich machen – haben wir einen Segeltörn oder einen Wanderurlaub gebucht? Oben angekommen werden wir zum Glück mit einem grandiosen Ausblick und einem riesigen Frühstück belohnt.

Vliho

Am Nachmittag geht es dann auch wieder in den Norden in die Marina Lefkada, wo Benni und ich unsere letzte Nacht an Bord verbringen. Davor gehen wir natürlich noch einmal essen und stoßen auf das Geburtstagskind an.

Nach insgesamt 47 Seemeilen brechen wir braungebrannt und mit einem Crewshirt mehr in der Tasche wieder Richtung Heimat auf. Unseren zwei gastfreundlichen Lieblingssegelyachtbesitzern wünschen wir eine strapazenfreie Weiterreise nach Sizilien und hoffen noch auf viele aufregende gemeinsame Stunden an Deck der Mêlée.

Lefkas

Schiff Ahoi!
Andi und Benni

Ein langer Schlag

Schon August! Wir haben also das Land gewechselt und dann nochmal. 

Im Morgengrauen raus aus Bar

Von Bar in Montenegro aus starten wir unsere erste Überfahrt für dieses Jahr, und zwar nach Korfu. 180 Seemeilen und 38 Stunden später sollten wir gut durchgeschüttelt und müde auf der grünen Insel ankommen. Gleich beim Start vor Bar zu Sonnenaufgang erwartet uns ein recht gewaltiger Seegang mit Wellen bis zu 3 m und das auch noch genau von der Seite, während der Wind, allen Vorhersagen zum Trotz, genau von vorn kommt. Wir motoren also erst mal ein paar Stunden, bis der Wind dann doch dreht und wir bis Mitternacht recht stabil segeln können. Der Seegang bleibt ungemütlich. Bernhard und ich wechseln uns alle zwei Stunden ab. Alex ist unpässlich. Dann wieder ein paar Stunden mit Motor bis zum Sonnenaufgang. Die Fahrt unter Motor ist jeweils noch etwas ungemütlicher: Wir sind weniger stabil gegenüber den Wellen, es ist laut und stinkt. Ab dem Vormittag an Tag zwei beruhigt sich die Welle ganz allmählich und die letzten Stunden segeln wir auf unser Ziel zu. Zwischen Korfu und Albanien wird es dann sogar angenehm. Die Welle bleibt aus, der Wind ist stabil und es fühlt sich wieder ein bisschen an wie die geschützte Bucht von Kotor. Nach den Formalitäten des Einklarierens fallen wir einmal um in die kleine Clubmarina mit imposanter Kulisse, direkt vor der Altstadt von Korfu, die zufällig noch ein Plätzchen für uns frei hat. Ein kleines, aber feines Abendessen und dann endlich richtig schlafen….

Korfu Stadt und Süden

Im Süden von Korfu und im Norden von Antipaxos haben wir dann zwei sehr griechische Segelabende. Irgendwo an der Küste werfen wir den Anker in 5 m Tiefe und im Sand hält er auf den ersten Versuch bombenfest. Kein Vergleich zu den regelmäßigen Zitterpartien in Kroatien. Ein Sprung ins kühle Nass lässt uns wissen, dass Hochsommer ist – frische 29,2°C. Für uns als Nebensaisonurlauber ist das schon was besonderes, mal längere Zeit im Meer herumgammeln zu können. Am zweiten Abend wird es mit Mythos-Bier in der Strandbar und anschließendem Halloumi-Grillen mit Tsatsiki noch griechischer. Jäh endet unsere Idylle um 5:30 Uhr, als Seegang und Ostwind einsetzen und der Ankeralarm uns weckt. Aufgrund des ohnehin nahenden Sonnenaufgangs, des auf einmal sehr ungemütlichen Schlafs und der unweiten Felsen packen wir uns zusammen und düsen eben ein paar Stunden früher als geplant Richtung Preveza. 

Antipaxos

In Preveza stehen zwei große Themen an: Crewwechsel und Segelservice. Alex verlässt uns am Freitag Vormittag und Andi und Benni (der uns ziemlich genau vor einem Monat zum Schiff gebracht hat) reisen Samstag Vormittag an. Das Segelservice hab ich ein paar Tage zuvor per E-Mail ausgemacht, wovon vor Ort aber keiner wusste. Zudem war im Office der Segelmacher gar keiner, der von etwas wissen hätte können. Nach einem Anruf bei der ausgehängten Telefonnummer kann ich mit dem Zuständigen – Nikos – sprechen und frage ob ein Segelservice bis morgen oder übermorgen möglich wäre. Seine Reaktion: Impossible! Montag also – nagut. Zurück am Schiff wurschteln wir das Großsegel herunter und bringen es ins Office. Sogleich beginnt Nikos demonstrativ unser Segel mit einer großen Schere zu zerstören (Look how easy it is destroyed!). In unsere entsetzten Gesichter erklärt er uns, dass es schon sehr alt ist (stolze 31 Jahre – das wissen wir) und wohl nicht mehr länger als einen Monat zu leben hätte, wenn man nicht sofort grundlegende Reparaturen verrichte. Bange erwarten wir einen Kostenvoranschlag für die lebenserhaltenden Maßnahmen – der dann überraschenderweise deutlich unter dem klassischen Tausender liegt. Außerdem ist es doch possible die Arbeiten bereits am nächsten Tag abzuschließen. Das Segel liegt, Stand jetzt, gewartet und bezahlt am Schiff und wartet darauf wieder zum Einsatz zu kommen – die Spannung steigt.

Letzter Segeltag nach Preveza

Ab heute starten wir eine ganz gemütliche Urlaubswoche rund um Lefkas. Zum einjährigen Jubiläum sind wir stilecht wieder mit der selben Crew unterwegs wie während der Überstellung von Genua nach Napoli im August 2021.

Die Bucht von Kotor

Schon Dubrovnik hinter uns zu lassen und so weit in den kroatischen Süden vorzudringen, wie wir es noch nie getan haben, ist ein bisschen spannend. Mit dem eigenen Schiff in ein Land zu reisen, das wir noch nie besucht haben, umso aufregender. 

Vorbei an Dubrovnik, immer Richtung Süden

Diesig liegt unser Ziel Montenegro hinter den letzten Ausläufern Kroatiens versteckt, als wir am Dienstag in Cavtat ausklarieren. Davor durften wir noch den coolsten Hafenmeister Kroatiens kennenlernen: Er hat uns auf seinem Jetski besucht, in Badeshorts und Pink Floyd-Shirt, und war damit zufrieden, dass wir mitten in der sehr belebten Badebucht ankern.

Ein kleines bisschen Wind, gerade zu wenig zum Segeln und genau von vorn macht die Fahrt trotz Motoren bei der Hitze ganz gut erträglich. Ein paar Meilen vor dem Ziel können wir dann noch ein bisschen Leichtwindsegeln. Mit der entsprechenden, spannungsaufbauenden Geschwindigkeit runden wir das letzte kroatische Kap und segeln in die Bucht von Kotor – wo wir fast erschlagen werden. Ganz plötzlich fällt der Wind von 6 auf 0 kn und die Temperatur steigt um gefühlte 20°C. Eine mühsame letzte halbe Stunde also durch die Bucht bis Zelenika zum Einklarieren. Ein furchtbare Mole, die im Internet etwa so beschrieben wird: Bei schlechtem Wetter sollte man dort nicht anlegen, sonst bleiben nur Teile vom Boot übrig. Zum Glück Flaute. Das Einklarieren funktioniert ebenso reibungslos wie das Ausklarieren zuvor und dann ist es nur noch ein Katzensprung zu unserem ersten Ziel Herceg Novi

Einklarieren in Zelenika und der erste Abend in Montenegro: Herceg Novi

Die Bucht von Kotor ist wirklich ganz besonders. Ein Promenadenbummel mit Blick über die Bucht fühlt sich an wie ein Spaziergang an einem österreichischen See: Wellenlos, voll mit Wassersportfahrzeugen und Bergkulisse. Schon an Tag 1 finde ich, der Ausflug hierher hat sich gelohnt. Auf einmal fühlt es sich nicht mehr nur an wie Urlaub, sondern wie eine Reise. Die Bucht besteht eigentlich irgendwie aus drei Buchten, die wir alle einmal besegeln – was in dem Fall heißt, jeweils einmal kurz die Segel setzen und wieder bergen, weil außer ein paar Düsen und Kapeffekten die Tage windtechnisch nicht viel los ist. Zelenika und Herceg Novi liegen gleich nebeneinander im Süden. An Tag 2 gabeln wir in Tivat in der Mitte der Bucht unser neues Crewmitglied Alex auf.

Die Marina Porto Montenegro in Tivat ist ein surrealer Ort. Hier stapeln sich die Luxusyachten (z.B. die drittgrößte Segelyacht der Welt – die Black Pearl) und man stolpert am riesigen Marinagelände über Louis Vuitton und Dior.

Kotor – sicher das Highlight in der nach dem ganz im Osten versteckten Städtchen benannten Bucht. Wir liegen an einem kleinen Steg vor beeindruckender Kulisse mit Blick auf die Festung in der Bergwand. Nach einem Tipp unserer Liegeplatznachbarn besteigen wir diese am nächsten Tag frühmorgens, ein schweißtreibender, aber lohnender Aufstieg, der sich über rund 1.400 Stufen erstreckt.

Kotor und die Festung Sveti Ivan

Nach insgesamt drei Nächten verlassen wir die Bucht von Kotor wieder und setzen unseren Weg Richtung Süden fort. In der sehr belebten Durchfahrt von Norden Richtung Süden, wo die Fähren im 5-Minuten-Takt queren, sehen wir dann tatsächlich Delfine! Mitten in der Bucht! Zwei Stunden südlich davon verbringen wir noch eine gemütliche Nacht vor Anker (mit obligatorischem Grillen) und dann eine Nacht in der Industriestadt Bar. Damit haben wir den 888, den Törnführer für Slowenien, Kroatien und Montenegro, der in keiner Bordbibliothek und Segeltasche fehlen sollte, von Nord bis Süd durchgespielt.

Gerade planen wir auf Hochtouren unsere erste Überfahrt 2022 von Bar nach Korfu – in 35 Stunden wollen wir dort sein und die uns schon bekannte grüne Insel auch vom Wasser aus kennenlernen.

Kühlung in Kaštela

Farewell, alter Kühlschrank. Er wurde als Wunder bezeichnet und hat sich für uns aufgeopfert. Gegen Ende etwas inkontinent, führt ihn seine letzte Reise nach nunmehr 30 Jahren gen Kühlschrankhimmel. Der Neue macht komische Geräusche und hat seltsame Funktionen – mal sehen ob wir Freunde werden. Einen guten Tausender hat er uns jedenfalls abgerungen – you better work b*. Der Einbau funktioniert rasch und reibungslos dank eines Spezialisten, dessen Kontakt wir in Borik bekommen haben. 

Wochenstart in Trogir und ein würdevoller Abschied vom Kühlschrank in Kaštela

Zu Gunsten von kaltem Bier verbringen wir zwei Tage in der ausgestorbenen Marina Kaštela, was sich als ziemlicher Glücksfall erweist. So haben wir einen sanften Einstieg ins Bootleben für Michi und Michi, können ausgiebig das 25 m Becken im Marinahallenbad nutzen und einen abendlichen Ausflug nach Split unternehmen. 

Mit ein paar Euro weniger am Konto und ein paar gut gekühlten Bieren gehts weiter in ein nettes Bojenfeld auf der Insel Brač, am nächsten Tag nach Sveti Klement. Wiedermal Anker mit Landleine. Wiedermal sind wir erst beim dritten Versuch glücklich mit der Endposition und Haltekostruktion. Wenn jemand Tipps hat zum Landleinen für Dummies – immer her damit! 

Grillen in Brač und chillen in Sveti Klement

Am Weg nach Korčula versuchen wir zum zweiten Mal die Genua auszubaumen… Und es funktioniert! Bei 6-8 kn Wind schippern wir gemütlich 2,5 Stunden lang mit 3,5 kn SOG dahin. Zum ersten Mal hat übrigens ein Gast seinen eigenen Kübel für den Fall fortgeschrittener Seekrankheit mitgebracht – diesen aber glücklicherweise nie auspacken müssen.

In Vela Luka auf Korčula nehmen unsere Gäste, nach einer köstlichen abendlichen Fischplatte, im Morgengrauen die Fähre zurück nach Split.

Abschiedsabend in Vela Luka

Zu zweit motoren wir in der flautigsten Flaute die wunderschöne, grüne Insel Korčula entlang Richtung Osten. Dort werden wir an der Nordküste mit einer traumhaften und ruhigen Ankerbuch belohnt. Ab hier geht es immer noch weiter Richtung Süden, wobei wir in wenigen Tagen Montenegro und damit buchstäblich Neuland erreichen werden.

Im Osten von Korčula

Und zum Schluss – vor langem angekündigt und lange auf sich warten lassen: Unser live-Tracker via AIS! Keine sehr hübsche Seite und mit Werbung – wenn also jemand Tipps zum eleganten AIS-Tracking für Dummies hat – immer her damit! Und warum funktioniert es jetzt und nicht schon vor drei Wochen? Zwei Kabel waren vertauscht. Jetzt geht er.

Ankern für Anfänger

Als viertes Crewmitglied dürfen wir in Primošten Thomas an Bord begrüßen. Nach einem gemeinsamen Dinner am Sonntagabend (Ćevapi – wie der Kroate sagt) geht es am Montag bei guten Segelbedingungen nach Trogir. Ein Muss für Segeltouristen in der Gegend und doch hat Pia es noch nie hingeschafft – höchste Zeit also. Die als Zwischenstopp auserkorene Blue Lagoon (die schönste von allen?) erweist sich als überfüllt mit Ausflugsbooten. Zudem sehr windig und somit nicht sehr gemütlich.

In Trogir verlassen nach einem weiteren vorzüglichen Abendessen und einem kleinen Frühstück im Marinarestaurant unsere beiden Mitsegler uns und das Schiff. Segeln – Essen – Schlafen – wir sind im Urlaubsrhythmus! Meistens, aber nicht immer: Wir nutzen die kommenden Tage auch, um kleinere Erledigungen und Reparaturen anzugehen. Highlight der Woche ist das neue, größere und stabilere Dingi, das wir in Trogir, nach einer kleinen Marktforschungsrunde, dann doch direkt im Marinashop erstehen.

Teak schrubben und die erste Ankernacht vor Šolta

Unsere viertägige Route zu zweit verläuft in kurzen Etappen im Bummelgang – haben wir ja in Italien gelernt. Wir ankern viel, was zwar die finanziell beste Möglichkeit der Übernachtung ist, in Kroatien aber nicht ganz so trivial, da der Grund oft felsig und bewachsen ist und die Tiefe schnell abfällt. Nochmal spannender wird es in engen Buchten beim Ankern mit Landleine. Jedes Manöver ist hier eine individuelle Herausforderung, da die Gegebenheiten an der Küste immer anders sind. Oft wird man mit einsamen, ruhigen Buchten mit türkisem Wasser belohnt und manchmal läuft es wie auf Hvar:

In einer Bucht mit Ausflugsschiffen und Motoryachten ankern wir in recht großer Tiefe. Nach einem Ausflug in die malerische Strandbar, dem Genuss von je einem Aperol Spritzer und 22 € ärmer geht die Sonne in unserer kleinen Bucht unter. Der Wind kommt nicht aus der vorhergesagten Richtung und der Welle scheint die Windrichtung ohnehin egal zu sein. Wir fühlen uns auf dem Ankerplatz mit Landleine in Felsnähe unwohl und beschließen kurzerhand eine Nachtfahrt mit nicht ganz klar definierten Ziel. Nach einem Zwischenstopp in der Bucht vor der Stadt Hvar (überfüllt) finden wir mit dem zweiten Ziel, der winzigen Insel Jerolim, eine geschützte Bucht mit traumhaftem Ausblick auf den Vollmond. Ungemütlicher Schwell bleibt, die Distanz zu den Felsen ist jedoch jetzt deutlich gemütlicher. Gute Nacht.

Via Hvar nach Jerolim in einer Nacht

Wir lernen unser Boot kennen. Ein Beispiel: Als wir im Cockpit mit dem funktionslosen Schalter eines ehemaligen Nebelhorns spielen, bemerken wir, dass wir nur geglaubt haben, dass dies der funktionslose Schalter eines ehemaligen Nebelhorns ist. Viel mehr ist es ein voll funktionstüchtiger und ausgesprochen praktischer Bedienschalter für den Anker – über ein Jahr nach dem Kauf erleben wir immer wieder Überraschungen.

In Vis an der Boje

Unser neues Dingi wird ausgiebig getestet – auch dank unseres elektrischen Außenbordmotors macht es richtig Spaß! Kein Vergleich zu dem alten Beiboot, das viel zu schnell Luft verliert und das wir, aufgrund eines unglücklichen Zwischenfalls mit dem Fäkaltank, liebevoll nur noch Stinki nennen.

Am verlassenen Fischersteg in Veli Drvenik

Wir segeln nach Šolta, Hvar, Jerolim, Vis und Veli Drvenik, um schließlich erneut in Trogir anzulegen, wo wir schon unsere nächsten Gäste an Bord erwarten.

Tag 0

Was für ein aufregender Tag 0! Montag gegen Mittag werden die letzten Arbeiten am Schiff erledigt und die ungefähr budgetierte, aber dennoch gesalzene Rechnung gelegt. Dann heißt es für uns nur noch raus hier! Nach einer letzten Runde im Marinapool, Müll entsorgen und Packen unserer sieben Sachen düsen wir los Richtung Süden: Vom Fluss Corno durch die Dalbenstraße der Lagune raus aufs offene Wasser des Golfs von Triest. Endlich Salzwasser.

Wir durchqueren das „Dreiländereck“ Italien – Slowenien – Kroatien und legen nach 25 unter besten Bedingungen gesegelten Seemeilen an der Zollmole in Umag an. Die Grenzpolizei behandelt Bernhard, der sich um die Bürokratie kümmert, unfreundlich – gewährt uns aber in ihrer Gnade den Aufenthalt in ihrem Land. Nach einem Wechsel auf die Boje und einem sehr gemütlich Abendessen erwartet uns zur Abrundung des Tages noch eine spannende Nacht: Gegen 22 Uhr zieht ein Gewitter mit Böen bis zu 25 kn und 1 m hohen Wellen über uns. Nicht tragisch, aber wir werden an der Boje gut durchgeschüttelt. Der Windgenerator freut sich.

Es folgen drei längere Etappen bei teils sehr gutem Segelwetter: Umag – Pula dann Pula – Ilovik, eine über die Jahre lieb gewonnene Insel im Süden der Partyinsel Losinj.

Dann geht’s von Ilovik nach Borik nördlich von Zadar, wo wir für zu viel Geld zwei Nächte verbringen. Der sichere Liegeplatz in der Marina gibt uns aber die Möglichkeit mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Schutz vor der einsetzenden Bora, Wäsche waschen, allerhand Tasks abarbeiten (Leinen sortieren, Gasherd warten, Teak schrubben etc.), Einkaufen und unterschiedliche Besucher empfangen.

Nachdem kurz vor der Abfahrt aus San Giorgio unsere Wasserpumpe (mal wieder) den Geist aufgegeben hat, die dann vom Mechaniker scheinbar durch schiere Willenskraft wieder in Stand gesetzt wurde, ist zwei Tage lang alles in Takt auf unserer alten Lady. Donnerstag Abend will dann der Kühlschrank nicht mehr – ist ihm kaum zu verübeln bei den Außentemperatur. Kurzerhand lässt sich aber in Borik ein Elektriker auftreiben und das Problem lässt sich durch das Nachfüllen von Kühlmittel lösen – juhu! Kurz nach dem Elektriker kommt auch schon Andi an Bord, der uns für vier Tage bis Split begleiten wird.

Aktuell befinden wir uns noch in den Ausläufern der Bora, die wie so oft eine recht kräftezehrende Wirkung auf uns hat. Die heutige Tagesetappe bringt uns nach Primošten, wo wir bereits am frühen Nachmittag an der Boje anlegen.

Farewell Leben an Land

Wir sind angekommen! Jedenfalls physisch. Danke dafür, Benni! Ich werde in den letzten Wochen oft gefragt ob ich schon aufgeregt bin. Eigentlich nicht. Als erstes gehts nach Kroatien – fühlt sich also an wie ein Urlaub. Nur mit sehr viel Gepäck. Zudem überwiegt der (Umzugs-)Stress und eigentlich auch der Ärger, dass die Werft immer noch nicht alle Arbeiten erledigt hat. Vor Montag Nachmittag wir also nicht abgelegt. Hoffentlich Dienstag.

Was ist in den letzten Wochen in der Werft passiert? Neu sind neben ein paar kleinen Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten:

  • Komplett neues Unterwasserschiff mit Kupferanstrich
  • Ein wunderschönes riesiges, neues Bimini (Sonnenschutz) – zum Glück ist es schön, war nämlich auch ganz schön teuer
  • Die Sprayhood (Schutz gegen Spritzwasser und Regen) wurde komplett ersetzt
  • Ein Windgenerator und zwei Solarpanels sollten uns weitgehend energieautark machen.
  • Ein neues, praktisches Spülbecken in der Küche mit einer manuellen Salzwasserpumpe zum Abwaschen
Bitte das Bimini, den Windgenerator und das Solarpanel beachten

So weit, so theoretisch. Die Salzwasserpumpe ist ein praktisches Feature auf Booten um Wasser zu sparen: Mittels Fußpumpe wird Seewasser in einen separaten Wasserhahn gepumpt. Eine bis dato ungelöste Fehlkonstruktion führt bei uns allerdings dazu, dass bei Betätigung der Fußpumpe das Wasser über dem Abfluss in das Waschbecken gepumpt wird. Es läuft dann über eben diesen Abfluss zwar auch wieder ab, nützlich ist diese Konstruktion leider trotzdem nicht.

Pfusch am Bau Nummer Zwei: Beim Befüllen des Wassertanks bemerkt ein Arbeiter, dass sich die Bilge (tiefster Punkt des Rumpfes) gänzlich mit Wasser gefüllt hat. Nachforschungen ergeben eine überraschend einfache Lösung dieses Problems. Der Deckel des Wassertanks fehlt. Er läuft über und das überschüssige Wasser läuft in die Bilge. Der Deckel ist akut unauffindbar – doch vier Tage später ist er wieder da. Wohl bei einer Wartung in der Werkstatt vergessen worden.

Tatsächlich war das bereits unser zweiter Beinahe-Wasserschaden. Der erste wäre noch etwas spektakulärer gewesen – nämlich am Trockenliegeplatz. Nach starkem Schneefall zum Jahreswechsel drang Schmelzwasser aufgrund der verstopften (mittlerweile ausgebauten!) Klimaanlagenleiche ins Schiff ein, bis wenige Zentimeter unter die Bodenbretter. Nur ein kleines bisschen mehr Wasser und die Katastrophe wäre perfekt gewesen.

Erfolgreicher Tausch des Genuafalls

Aber zurück zu unserer derzeitigen Lage. Morgen sollen die letzten Arbeiten erledigt werden. Es ist heiß. Schritt für Schritt kriegen wir das Riesenchaos am Schiff in den Griff. Die Wasserpumpe ist kaputt. Es bleibt spannend. Und heiß.

Nur mit Reservierung

Hui, nur noch 6 Tage. Die wichtigste Nachricht zu Beginn: Das Schiff ist im Wasser! Am Pfingstmontag darf Mêlée nach 8 Monaten am Trockenliegeplatz in der Werft wieder zurück in die Cantieri Marina am Fluss Corno. Der für Samstag angesetzte Krantermin wird kurzerhand auf Montag verschoben. Das überrascht uns nur noch wenig.

Poleposition vor dem Kranen

Überraschender ist, dass die Werftmitarbeiter Freitag, Samstag und Montag auf Hochtouren arbeiten – teils gleichzeitig zu viert an Bord an unterschiedlichen Baustellen. Haben sie sich doch im Zeitplan verschätzt, oder ist es wirklich angenehmer auf den letzten Drücker bei 30°C?

Glanzpolitur

Naja, am Montag um 16:30 Uhr ist der Moment gekommen. Mêlée wird mit dem Travellift hochgehoben und im Wasser wieder abgesetzt.

Ein Kontrollgang eines Arbeiters am Schiff und Mêlée wird kurzerhand wieder hochgehoben. Aufgeregte Diskussionen von fünf Männern, die unter dem Schiff unseren Tiefenmesser begutachten, der wohl leckt.

Männer, die auf einen Tiefenmesser starren

Das Problem lässt sich dann aber rascher lösen als erwartet. Da der Motor noch nicht einsatzbereit ist (Wärmetauscher und Auspuff sind noch in der Werkstatt) wird Mêlée relativ ungeschickt, von einem Gummiboot begleitet, auf den Wasserliegeplatz gezogen, gedrückt und geschoben.

Mêlée kurz vor dem wichtigen Etappenziel Wasserliegeplatz

Auf unsere Frage, ob das kleine Problem mit dem Lotgeber denn gelöst wurde antwortet der Mechaniker beim Verlassen des Schiffs: It should be ok for now. Hmmmm…

Während wie oben erwähnt noch viel am Schiff gearbeitet wird, gehen wir höflich den Mechanikern, Installateuren, Tapezierern, Elektrikern, Polierern und Rudi aus dem Weg und verbringen unsere Zeit dafür am Pool der Marina.

Rudi

Während wir Zeit totschlagen, beobachten wir die pool lady beim Zeit totschlagen: 

12:45 Ankunft Bernhard und Pia am Marinapool. Zwei sonnenbadende Gäste sind anwesend, 49 Sonnenliegen sind unbenutzt. Die Pool-Lady hält uns mit der Frage nach einer Reservierung auf. Wir schauen fragend, sie rollt mit den Augen, gewährt uns aber die nachträgliche Reservierung für heute. Wir reservieren gleich auch für den nächsten Tag, weiter im Voraus ist leider nicht möglich. Dank der Eintragung in die Reservierungsliste ergattern wir zwei Liegen, dann sind nur noch 47 frei. Dann einsames Baden im Pool. Die Sonnenbadenden verlassen das Gelände, drei neue tauchen auf – nur noch 46 Liegen frei. Die Pool-Lady beginnt mit ihren Tätigkeiten: Pool reinigen, Rasensprenger aufdrehen, eingehendes Studieren der Reservierungsliste mit insgesamt drei Namen darauf, Sonnenliegen waschen, Boden schrubben. Dann alles wieder von vorne. Ihr T-Shirt gibt preis, dass sie wohl auch Rettungsschwimmerin ist. Die maximale Tiefe ist 1,40 m, aber sicher ist sicher.

Marinapool

Zeitsprung.

16:30 Pia und Bernhard sitzen an der Poolbar. Es regnet, doch das schreckt pool lady nicht ab. Sie wäscht 40 Minuten lang im Nieselregen die Liegen. Dann wieder der Rasensprenger, die Reservierungslisten studieren, Pool reinigen. Wir sitzen unter dem Regenschirm und sind fasziniert von dieser Konsequenz.

#blogginglife

Der nächste Tag

11:00 pool lady reichts mit uns. Wir sollen nicht nach Lust und Laune vorbeikommen und uns auf die Liste eintragen, sondern tunlichst am Vormittag anrufen und telefonisch unsere ausländischen Namen buchstabieren, damit sie uns auf die Liste schreiben kann. Dazu ein Limerick:

Die Lady beim Pool ist ganz alleine.
Sie putzt die Sonnenliegen und Bodensteine.
Nur mit Reservierung ist ein Platz zu kriegen.
Sie putzt auch im Regen die leeren Liegen.
Badegäste gibt es keine.

Zwischendurch Cannoli-Pause

In den Mittagspausen der Arbeiter und am Sonntag können wir auch noch ein paar Kleinigkeiten am Boot erledigen. Alle to-do Listen sind über Bord geworfen und wir versuchen noch ein paar nervige Tasks fertig zu kriegen.

Unsere letzten Wochen an Land bestehen aus Bootsbedarf besorgen (hier noch Polierpaste, dort ein Weichschrubber, da noch ein neues Fall,…), Ausräumen der Wohnung und Verfrachten unseres Hab und Guts in Bernhards früheres Kinderzimmer und aufs Schiff. Eine schwierige Planung: Ok, das Ziel ist die Karibik, Start im Mittelmeer ist im Juli – wie viele Pullis brauch ich!? Wie viele Pfannen sind praktikabel? Und wie viele Bücher sind zweckmäßig und wann wird es prätentiös? Es wird sich weisen.

Winter im Schnelldurchlauf

Bei 5°C und Nebel in die Decke einmummeln, bei -5°C um den Heizlüfter drängen – nicht gerade was man sich als Start in ein Segelabenteuer erwartet, aber eine emotional treffende Beschreibung unserer letzten Monate. Insgesamt 5 Mal fahren wir zwischen Oktober und Mai die 5 Stunden nach San Giorgio und erledigen mehr oder weniger relevante Kleinigkeiten. Ein Highlight, im wahrsten Sinne des Worts, ist die neue Beleuchtung: Ein paar hässliche Lampen werden ausgetauscht, alles auf LED umgestellt und nach langer Recherche finden wir goldene Leselampen mit USB Steckplatz (beide Kriterien waren mir ein großes Anliegen). Deren Montage und Verkabelung fühlt sich für uns, als komplette Elektriknoobs, schon wie ein ziemlicher Erfolg an.

Bordelektrik 101

Weniger erfolgreich gestaltet sich die Kommunikation mit der Werft. Von Monat zu Monat fragen wir nach wann wohl welche Arbeiten erledigt werden, was schon gemacht wurde, wann wir eine Rechnung bekommen, ob sich eh noch alles ausgeht bis Juli, ob wir helfen können, wann endlich was gemacht wird,…!! Der Werftleiter erklärt uns dann mehrmals warum es Verzögerungen gibt, was schon alles im Laufen ist und dass wir viel entspannter sein müssen weil sich das alles bis Juli zehnmal ausgeht. Leichter gesagt als getan…

Aussicht aufs WC vom Trockenliegeplatz

Nachdem alles in allem über den Winter wenig Aufregendes passiert ist eine ruhmlose Anekdote zum Abschluss: Unsere Arbeiten am Boot beziehen sich insbesondere darauf Gegenstände aus der Wohnung aufs Schiff und Gegenstände vom Schiff in die Wohnung zu transportieren – oft auch hin und wieder zurück. Nach der 5-stündigen Anreise mit vollgepacktem Kofferraum (was im Renault Twingo keine besondere Leistung ist) und weiteren 5 Stunden abwechselndem Arbeiten und Prokrastinieren am Boot wollen wir uns vor dem obligatorischen Pizzaessen umziehen – hm, wo ist eigentlich die gelbe Tasche? Facepalm. Unter all dem Transportgut haben wir einfach unsere Reisetasche mit Gewand zu Hause vergessen. Der nächste Weg führt also in den 1-Euro-Shop des örtlichen Einkaufszentrums und wir statten uns mit qualitativ fragwürdiger Kleidung für den Abend und die, dann doch einen Tag früher stattfindende, Heimfahrt aus.

Sonnenstrahlen werden sinnvoll genutzt.

Im Juni sollten zum Endspurt weitere Besuche mit etwas wenige nach-dem-Rechten-Sehen und mit tatsächlichen to-dos stattfinden.

Zeit zum Aufhübschen vor dem großen Chaos

Zum Thema Route durchs Mittelmeer

Mit Juli starten wir unsere Reise in der Adria. Die Route durchs Mittelmeer wird uns zum Einleben großteils durch bekannte Regionen, aber auch an ein paar neue Orte führen. Um ein planbares Setting für unsere Gäste an Bord bieten zu können, haben wir eine ungefähre Reiseroute festgelegt, die etwa so aussehen wird:

Auszug aus der Bordbibliothek

Juli:

  • Kroatien: die ganze Küste von Norden (Istrien) bis Süden (Dubrovnik) in 3 Wochen mit flexiblen Zustiegsmöglichkeiten für Gäste
  • Montenegro: die recht kurze, aber wohl sehr schöne Küste ist Neuland für uns, dafür nehmen wir uns eine Woche Zeit.

August:

  • Griechenland: Korfu mit seinen kleinen vorgelagerten Inseln und weiter bis Lefkas
  • Sizilien: via Südküste mit einem Abstecher nach Malta oder über den Norden inkl. der Liparischen Inseln, schließlich im Westen Siziliens die Ägadischen Inseln
  • Sardinien: 2 Wochen gemütlich um die Insel, optional mit Bonifacio an der Südspitze Korsikas

September:

  • Balearen: Menorca, Mallorca, Ibiza und Formentera
  • Südspanien: von Alicante bis Tarifa, Vorbereiten, Ausrüsten und Proviantisieren für unsere bislang größte Überfahrt.

Von hier aus geht es dann in einem ca. fünftägigen Schlag weiter auf die Kanarischen Inseln. Am 26. Oktober beginnt dann das Rahmenprogramm der ARC und somit die direkte Vorbereitung auf die Atlantiküberquerung.

Zum Thema Sicherheit

Die ARC (die Flotte mit der wir im November den Atlantik überqueren wollen) hat wirklich hohe Sicherheitsstandards, weshalb wir uns gründlich mit unserer eigenen Sicherheitsausrüstung auseinandergesetzt haben. Weil das im Detail nicht sonderlich spannend ist, gibt es hier eine kurze Auflistung unseres gesamten, alten und neuen Sicherheitsequipments an Bord. Unsere zukünftigen Mitreisenden dürfen alles auch im Detail kennenlernen 😉

  • Rettungsinsel für vier Personen mit Offshore-Ausstattung
  • Dan Buoy (Rettungsring mit Markierungsflagge und weiterem Firlefanz)
  • Life Sling (Bergungsschlaufe mit Rettungsleine)
  • vier frisch gewartete, automatische Rettungswesten (auch mit Firlefanz)
  • EPIRB (Notfunkboje für satellitenunterstützte Rettungsaktionen)
  • 2 kleine personalisierte MOB-Module (Notfunksender)
  • UKW-Funkgerät
  • Iridium GO! (Satellitenkommunikationsgerät)
  • AIS (Schiffsidentifikationssystem zum Verfolgen unserer Position – auch via Internet)
  • Radargerät und -reflektor
  • Handfackeln (um bei Nacht auf sich aufmerksam zu machen)
  • Signalpistole mit Signal- und Fallschirmraketen (um aus der Ferne auf sich aufmerksam zu machen)
  • Rauchtöpfe (um bei Tag auf sich aufmerksam zu machen)
  • Vuvuzela (Mini-Nebelhorn)
  • Suchscheinwerfer
  • Werkzeug (Bolzenschneider, Duct Tape, WD-40,…)

Handfackeln erzeugen ein 2000°C heißes, unlöschbares Magnesiumfeuer, das auch im Wasser weiterbrennt.

Außerdem haben wir im Februar ein zertifiziertes World Sailing Sicherheitstraining bei Christian Kargl besucht. In dem zweitägigen Seminar haben wir u.a. Handfackeln gezündet, Feuer gelöscht (nicht in direktem Zusammenhang) und sind im Hallenbad mit Ölzeug und Rettungswesten in Rettungsinseln geklettert.

Ein letzter Einsatz für unsere alte Rettungsinsel

Am Ende des Trainings nutzen wir die Gelegenheit, noch fehlende Sicherheitausrüstung zu bestellen, u.a. eine neue, leichtere Rettungsinsel, einen offshore survival grab bag und diverses person over bord-Equipment.

Zum Thema Crewshirts

Zwischendurch etwas einigermaßen Aktuelles: Anfang des Jahres haben wir mit Franz und Martin, dem Team des WerkWerk, Crewshirts gedruckt!

Franz hat den Rahmen zum Siebdruck mit unserem Logo für uns angefertigt. Wir haben dann mit Martin im WerkWerk passende Farben gemischt und dann unseren halben Kleiderschrank bedruckt. Jetzt kann man uns egal wo wir verloren gehen wieder zu unserem Schiff zurückbringen 😉

San Giorgio – home of Sunbeam

Und wie wars am Meer? –
Das Boot liegt nicht am Meer sondern knappe 6 km im Landesinneren.
Diese vermeintlich sarkastische Antwort müssen wir in den letzten Monaten öfters mal geben. Ist aber die reine Wahrheit. Die Cantieri Marina San Giorgio di Nogaro liegt am Fluss Corno nördlich der Laguna di Marano – die Flusseinfahrt liegt genau zwischen Lignano und Grado. San Giorgio ist ein so kleiner, so abgelegener Industrie- und Hafenort, dass nicht einmal Raffaele, der gut vernetzte Vorbesitzer der Mêlée, ihn kennt. Auf unserer Karte ist eine ziemlich genaue Position markiert.

Nach einer abnehmend windigen und teils noch regnerischen Fahrt durch die Flusslandschaft, die dem Marchfeld gar nicht so unähnlich ist, erreichen wir schließlich die Marina und legen an der vorgelagerten Tankstelle an.

Es folgt das komplette Anfüllen des Dieseltanks (gegen Dieselpest) und das komplette Entleeren der Wassertanks (gegen Zufrieren der Leitungen). Dann gehts auch schon Richtung Kranlift. Auch wenn wir das schon beim Gutachten in Genua erlebt haben, ist es wieder beeindruckend und ein bisschen gruselig, wie 12 Tonnen mit nur zwei Gurten angehoben und spazierengeführt werden.

Bei der direkt folgenden Grobreinigung des Unterwasserschiffs zeigt sich, dass wir in den letzten Wochen durch den starken Bewuchs am Propeller wohl nicht sehr geschwindigkeitseffizient unterwegs waren. Außerdem bestätigt sich die Notwendigkeit einer Grundsanierung des Unterwasserschiffs, da sich die übereinander aufgetragenen Schichten der letzten Jahre schon ablösen.

Wir erhalten unseren endgültigen Landliegeplatz und schließen die Check-In-Formalitäten im Marinabüro ab. Nach einem ersten Erkundungsgang über das Werft- und Marinagelände belohnen wir uns im zugehörigen Restaurant mit einem (Land-)Anlegeschluck. Als Hausbier wird Stiegl serviert. Die Partnerschaft der Marina mit der Salzburger Sunbeam-Werft ist der Hauptgrund, warum wir gerade diesen Ort für die anstehenden Reparaturen und Upgrades ausgewählt haben. Sunbeam wiederum hat San Giorgio aufgrund seiner geographischen Lage als Partner gewählt – es ist von Salzburg aus der nächstgelegene Punkt am Mittelmeer.

Propeller nach einmaligem Abspülen

Es folgt noch am selben Tag ein Gespräch mit dem technischen Leiter der Werft, unsere Pläne und Vorstellungen betreffend. Ein kleiner Überblick unserer ersten Wünsche:

  • Komplettsanierung des Unterwasserschiffs
  • Ausbau der defekten Klimaanlage
  • Befestigung und Abdichtung der Relingsstützen
  • Reaktivierung des Cockpit-Kompasses
  • Tausch bzw. Service diverser Luken
  • Installation von Sprayhood und Bimini
  • Einbau einer Wasserentsalzungsanlage
  • Installation von Solaranlage und Windgenerator
  • Einbau eines Wasserindikators
  • Installation einer Salzwasserfußpumpe
  • Wartung der Gas- und Ruderanlage
  • Motorservice insbes. Reparatur des Auspuffs

Manche vom Gutachter als kompliziert eingestufte Projekte sollten sich als einfacher als geplant herausstellen, manche als komplizierter als erwartet oder gar unmöglich und manche als leicht umsetzbar aber erschreckend teuer.

Karma Teil II

Zurück nach Italien! Um uns herum verdichten sich die dicken, dunklen Gewitterwolken, als wir die Zollmole in Umag verlassen. Ein paar Regentropfen bekommen wir schon ab, aber Wind soll erst in ein paar Stunden kommen. Aber wie oft richtet sich der Wind schon exakt nach der Vorhersage?

Eine halbe Stunde später: Mit minimaler Besegelung kämpfen wir uns bei Platzregen, schlechter Sicht und Gegenwind über den Golf von Triest. Richtig unschön wird es, als Wasser nicht nur in unsere Stiefel gelangt, sondern auch ins Schiff. Die Ableitungen, der seit vielen Jahren defekten Klimaanlage, verstopfen und über die Lüftungsschlitze kommt schwallartig Regenwasser ins Innere. Auch wenn wir das Problem rasch in den Griff bekommen ist das ein Bild, das man keinesfalls sehen möchte.

Grado in Sicht

Halb erfroren und durchnässt erreichen wir etwa vier Stunden später die Dalbenstraße vor der Hafeneinfahrt von Grado, als uns ein Boot auffällt: Sie setzen die Genua und bergen sie sogleich wieder, ziehen Kreise zwischen den Dalben. Wir kommen näher und sie rufen uns wegen eines Motorschadens um Hilfe. Nach kurzem Zögern, aufgrund unseres verhältnismäßig leistungsschwachen Motors, bauen wir einen Hahnepot und schleppen die Yacht Pilgrim, eine wirklich hübsche X-442 mit deutscher Crew, langsam durch die Dalbenstraße.

Wir schleppen die Pilgrim nach Grado.

Später erfahren wir, dass die italienische Küstenwache zwar verständigt wurde, dort aber leider niemand deutsch oder englisch spricht. Ich rufe der Crew der Pilgrim über zwei Bootslängen durch den Wind meine Telefonnummer zu und wir besprechen telefonisch einen Ort und ein Anlegemanöver, das wir ein Weilchen später ganz sauber ausführen: Die Pilgrim legt seitlich an einer alten Mole kurz vor Grado an. Eine spontane Einladung zum Essen lehnen wir dankend, weil immer noch durchnässt, ab. Für uns gehts unmittelbar weiter durch die ziemlich beeindruckende, versteckte Einfahrt des Stadthafens von Grado, wo wir uns endlich mit einer heißen Dusche, Tee und Rum aufwärmen dürfen. 

Am nächsten Tag legt die Pilgrim mit notdürftig geflicktem Motor (separater Kanister mit externer Dieselleitung) direkt neben uns im sonst ausgestorbenen Stadthafen an. Die ausgesprochen freundliche und dankbare Crew, bestehend aus Dietmar, Günter und Klaus, lädt uns nun erneut zum Abendessen auf ihr Schiff ein. Diesmal nehmen wir an – und würden es nicht bereuen.

Einfahrt zum Stadthafen von Grado

Ein paar Stunden später werden alle unsere Erwartungen weit übertroffen: Die Herren des Düsseldorfer Yachtclubs sind absolute Gourmets und fantastische Köche. Es wird uns nach dem Anstoßen auf die Ereignisse der letzten Tage ein viergängiges Menüs serviert. Zu jedem Gericht gib es Hintergrundinfos (z.B.: Dieser Mozzarella ist aus einem Spezialitätenladen in einem kleinen Ort am Gardasee, die Tomate dazu wurde aus 20 Sorten sorgfältig ausgewählt, um möglichst gut mit dem Käse zu harmonieren…) und natürlich jeweils einen dazu passenden Wein. Nach einem Safranrisotto gipfelt das Menü in einer mehrstündig geschmorten zarten Entenbrust. Diese ist nicht nur köstlich, sondern hat den praktischen Nebeneffekt, dass es bei herbstlichem Borawetter im Inneren der Pilgrim wohlig warm ist.

Wir tauschen Seemannsgarn und Lebensgeschichten aus, wobei die Odyssee der Pilgrim, mit ihrem eigenwilligen Motor, eine eigene Erzählung wert wäre – aber das ist schließlich nicht unsere Geschichte. Wohl genährt und gewärmt sind wir gespannt auf den nächsten Tag, an dem das Auskranen in San Giorgio di Nogaro geplant ist.

Langweilige Tage mit Alice & Wolfi

Aufregende Ereignisse machen die bessere Geschichte – für einen schönen Urlaub gibts aber nicht besseres als ein paar langweilige Tage.

Nach ein paar Einkäufen und Hafenespressos legen wir bei wenig Wind in Petrčane ab. Wir nutzen die weitgehend flautige Fahrt Richtung Norden um zum ersten Mal die Genua (Vorsegel) mit dem Spibaum auszubaumen – eine beliebte Besegelung für die Atlantiküberquerung mit dem Passatwind im Rücken. Das Handling langt uns etwas Hirnschmalz ab, funktioniert aber schließlich bestens.

Der Wetterbericht kündigt für die kommenden Tage Jugo an, den typischen konstanten Südostwind, der Wellen und Regen mit sich bringt. Es gilt die Route also taktisch zu planen, da wir die nächsten Tage eine Flottille mit der Cleo und ihrer Crew Alice und Wolfi bilden wollen, die von Pula aus starten, und nicht nur im Hafen abwettern wollen.

Wir liegen schon ein paar Stunden an der Mole von Ilovik, als bei kontinuierlich stärker werdendem Wind Alice und Wolfi in aller Seelenruhe neben uns anlegen, als hätten sie nicht gerade ihre ersten 50 Seemeilen zu zweit an Bord hinter sich gebracht.

Die lange Strecke, die sie am ersten Tag auf sich genommen haben sollte gleich am Folgetag belohnt werden: Nachdem uns der Jugo wie angekündigt erreicht, planen wir eine kurze Etappe nach Lošinj. Nach einer welligen Etappe mit Rückenwind legen wir uns an die Boje und können in der windgeschützten Bucht noch ein bisschen plantschen.

Gegen Abend erklärt uns eine Crew, deren Bootshaken beim Versuch, an der Boje neben uns anzulegen, über Bord ging, dass sie schon den ganzen Tag vom Pech verfolgt sind, weil sie durchwegs direkt gegen den Wind fahren mussten. Gemeinsam mit Alice und Wolfi erlauben wir uns im Nachgang ein wenig Überheblichkeit, weil wir in der Planung eindeutig ein paar gute Entscheidungen getroffen haben.

Lieblingsmanöver „Heck an Heck“ mit schwimmender Pia

Aufgrund der anhaltenden stürmischen Verhältnisse in der Kvarnerbucht beschließen wir am nächsten Tag mit Rückenwind zurück nach Pula zu fahren und in Folge Istrien zu erkunden.

Ruhe vor dem Sturm vor Poreč

Nach einer regnerischen Nacht in Pula und einer Nacht im Bojenfeld von Poreč sollte in den nächsten beiden Tagen der Jugo einer Bora (böiger Nordostwind) weichen. Wir wollen daher frühzeitig Strecke Richtung Norden machen um von ihr nicht unangenehm überrascht zu werden. Frühmorgens verabschieden wir uns also wieder von der Cleo und begeben uns bei bereits nahendem Schlechtwetter nach Umag wo wir mit dem Ausklarieren an der Zollmole unsere Zeit in Kroatien offiziell beenden. Doviđenja!

Karma Teil I

Im folgenden wird ein Unfall ohne Personen- aber mit leichtem Sachschaden anschaulich (aber ohne Fotos) beschrieben:

Freitag Nachmittag herrscht buntes Treiben vor Biograd während wir nach dem Abschied von der Indiana gemütlich Richtung Norden segeln. Vertieft in Diskussionen über den besten Zeitpunkt für die nächste Wende und gleichzeitiges Studieren der Seekarte übersehen wir, aufgrund unserer riesigen Genua, eine Sun Odyssey 34. Die Rufe der anderen Crew hören wir zu spät und ein koordiniertes Ausweichen ist nicht mehr möglich. Durch die geringe Relativgeschwindigkeit passiert wenig: Ein kleiner Kratzer auf ihrer Badeplattform – bei uns hat nur der Anker Kontakt. Trotzdem: Wie blöd ist das denn! Unser erster Unfall auf See und wir sind eindeutig schuld! Wir werden noch eine Weile hadern…

Als Zeichen der Schuld schnappe ich im Affekt unsere (originalen) Unterlagen und wir übergeben den Unfallgegnern treibend unsere Dokumente, um Daten für die Versicherungen auszutauschen. Soweit ein normaler Unfall (dumm genug), aber ab hier wird es dubios.

Die Crew der Sun Odyssey will die Unterlagen, auch nach vehementen Aufforderungen, nicht zurückgeben, weigert sich zudem, ihre Dokumente vorzuweisen und nötigt uns schließlich durch Einbehalten unserer Dokumente mit nach Sukošan, in ihre Charterbasis, zu fahren. Aufgrund des Zeitdrucks (Richards Heimflug) spielen wir, nach fruchtlosen Diskussionen und dem Hinterfragen der Rechtmäßigkeit dieser Machenschaft, mit. Einen kurzfristigen Liegeplatz in Sukošan zu bekommen ist schwierig und wir lassen Bernhard am Steg raushüpfen. Während Richard und ich gegenüber am Transitsteg anlegen, wird es für Bernhard in der Marina noch mal interessant.

Die Unfallgegner haben sich bereits auf ihrem Schiff in Position gebracht, um ihn nun mit dem folgenden Anliegen zu konfrontieren: Wie Sie sehen, sind wir alte Menschen, und für dieses sehr traumatisierende Ereignis hätten wir gerne einen Ausgleich in Form von 250 € pro Person. Nach kurzem Schweigen und erwartungsvollen Blicken vergewissert sich Bernhard, dass niemand körperlich verletzt ist. Seiner Aufforderung, unsere gestohlenen Dokumente zurückzugeben, wird unter zunehmender Aufmerksamkeit und neugierigen Blicken der Nachbarcrews Folge geleistet. Statt der geforderten 1.000 € bekommen sie nochmals eine verbale Entschuldigung für den unglücklichen Vorfall. Bis heute haben wir glücklicherweise nichts mehr von diesen Menschen gehört.

Bernhard einigt sich mit dem überaus entspannten Vercharterer der Sun Odyssey und seinem noch entspannteren Labradoodle auf einen Betrag für den entstandenen Schaden am Gelcoat, den unsere Haftpflichtversicherung in Folge anstandslos übernimmt. Die Chartercrew hat sich kurz davor auch im Charterbüro unbeliebt gemacht, indem sie (erfolglos) versucht hat, auch hier Geld aus der Sache herauszuschlagen.

Was lernen wir daraus? Wichtige Dokumente dürfen wir nur in Kopie herausgeben – und manche Menschen sind einfach perfide.

Einmal tief durchatmen, dann folgt eine Rochade – Bernhard wird an der Tankstelle wieder aufgegabelt, Richard verabschiedet und wir düsen kopfkratzend in den Sonnenuntergang.

Petrčane bei Nacht

Ein versöhnliches Ende findet dieser Tag zu später Stunde an einem einsamen Steg in Petrčane, knapp 10 km nördlich von Zadar. Der nächste Tag beginnt umso schöner in diesem ruhigen, beschaulichen Örtchen. Vor uns liegen ein paar entspannte Tag in denen wir Mêlée zum ersten mal nur zu zweit segeln.

Petrčane bei Tag

Kroatien auf eigenem Kiel

Drei Wochen nachdem wir Mêlée in Bari zurückgelassen haben, kehren wir mit Richard als Begleitung dorthin zurück. Unser Schiff hat den Aufenthalt in der geschützten und sympathischen Marina Ranieri gut überstanden. Das zweite Kapitel der Überstellung nach San Giorgio planen wir nun weit weniger engagiert. Es beginnt mit einer ruhigen 24-stündigen Adriaquerung von Bari auf die kroatische Insel Vis. Danach sind für die nächsten zwei Wochen nur noch Tagesetappen geplant – Urlaub quasi.

Diesmal steht eher der soziale Stress im Vordergrund. Wir kennen fünf Crews, die zeitgleich im selben Revier unterwegs sind und wir wollen möglichst alle irgendwann treffen.


Der erste Schlag innerhalb des kroatischen Hoheitsgebietes führt uns, nach obligatorischem Anmeldungsprozedere bei Grenzpolizei und Hafenkapitän, bei besten Segelbedingungen nach Rogoznica. Vor der Insel Kaprije treffen wir am nächsten Tag Kathi, Flo, Roland und ihre Crew, die mit der Indiana unterwegs sind. Nach einem gemeinsamen Ankerstopp segeln wir alle weiter Richtung Murter.

Auf der Strecke Vis – Rogoznica dreht der Wind so günstig, dass wir den Schlag praktisch ohne Änderung der Segelstellung zurücklegen können.
Ankern am Päckchen vor Kaprije

Auf dem Weg dorthin durchqueren wir eine Wettfahrt der Adriatic Sailing Week und winken unserem Lieblingsregattateam zu: Hallo Dieter, Martin, Thomas!! Sie sehen uns nicht – war bestimmt trotzdem ein wichtiger Beitrag zu ihrem Sieg. 

Dank unserer riesigen Genua segeln wir bei Windgeschwindigkeiten von unter 10 kn am Wind noch mit 5 kn Richtung Sonnenuntergang – ein Traum. Kurz vor der Marina Jezera fahren wir noch an der Zieleinfahrt des Mariteam Cup vorbei, wo uns Stefan am RIB einen kurzen Besuch abstattet. Mêlée ist eine Poserin – besser hätte sie im Licht der Abendsonne gerade nicht aussehen können. Nach einem gemeinsamen Pizzaessen mit der Indiana-Crew besuchen uns Betti und Stefan zu später Stunde noch am Boot. Betti bringt großartigen, selbstgemachten Grappa und Stefan verrät uns eine der wichtigsten Lektionen für Bootseigner: Auf einem Boot kostet alles einen Tausender

Naja, außer die Sachen die wirklich teuer sind. Da kommt Vorfreude auf für das im kommenden Winter geplante Refit. 

Nach einer wechselhaften, teils stürmischen Überfahrt nach Pašman, geprägt von permanentem Ein- und Ausreffen, bringen wir am zweiten gemeinsamen Abend unser Lieblingsmanöver zur Anwendung: Zwei Boote an zwei Bojen, die (z.B. mithilfe eines schwimmenden Rolands) bis zum Schlafengehen Heck an Heck verbunden werden.

Heck an Heck mit der Indiana

Als Abendgestaltung gibt es eine Palatschinkenparty, bei der die Gasherde beider Boote auf Hochtouren laufen. Am nächsten Tag gehts dann weiter Richtung Norden, in den Kanal von Zadar.

Uvula Soline, Pašman

In den folgenden Tagen werden wir harte Lektionen in Punkto Karma erfahren, sowohl schreckliche als auch sehr nette Menschen kennen lernen, Mêlée erstmals zu zweit segeln und Alice & Wolfi treffen.

Nächtliche Adrenalinschübe

Wir verlassen Brindisi also etwas hektischer und unbürokratischer als geplant. Kurz nach dem Aufbruch organisieren wir einen Liegeplatz für die Nacht – und gleichzeitig für die nächsten drei Wochen – und beginnen unseren letzten 13-stündigen Schlag Richtung Norden nach Bari. Die Dünung ist deutlich schwächer und der Wind abgeflaut, sodass wir weite Teile der Strecke unter Motor bewältigen müssen.

Abendstimmung in Apulien

Als es dunkel wird und wir die Küste entlang motoren, fällt uns ein Boot auf, das aus einiger Entfernung direkt auf uns zu kommt. Auf dem Kartenplotter sehen wir keine AIS*-Daten, darum fällt es schwer, seinen Kurs und die Gefahr einer Kollision abzuschätzen. Nach einigen Sekunden bemerken wir, dass das Schiff mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, denn die Lichter kommen sehr schnell näher. Ein kurzer Panikschub erfasst Franz und mich – sieht es uns trotz unserer Positionslichter nicht? Das Schiff rast kurz darauf gefühlt 5 Meter hinter unserem Heck vorbei, schaukelt uns ordentlich durch und ist nach wenigen Sekunden wieder in der Dunkelheit verschwunden – Was war das denn???

Eine gute Stunde später eine ähnliche Situation: Aus vollkommener Dunkelheit heraus tauchen in bedrohlich geringer Distanz Positionslichter auf. Ein rasend schnelles und kaum hörbares Schiff hält auf uns zu. Kurz noch der Gedanke, ob wir von Bord springen sollen, da uns dieses Schiff in wenigen Sekunden halbieren würde. Es bremst unmittelbar neben uns ab, als wir plötzlich von grellem Licht aus mehreren, direkt auf uns gerichteten Scheinwerfern geblendet werden. Pia und ich verharren ein paar Sekunden in Schockstarre im Cockpit. Dann gehen die Scheinwerfer wieder aus und mit ihm auch die Positionslichter. Innerhalb weniger Sekunden ist das Schiff in der schwarzen Nacht verschwunden, doch erkenne ich diesmal für den Bruchteil einer Sekunde die graue Farbe des Rumpfes und die schwarze Schrift: GUARDIA FINANZA.

Das Internet gibt preis: Die Guardia di Finanza ist die italienische Finanz- und Zollpolizei, die auch für den Grenzschutz in den küstennahen Gewässern verantwortlich ist. Zu diesem Zwecke steht eine Flotte von über 200 bewaffneten Schiffen bereit, die teils über 70 Knoten (130 km/h) schnell sind und damit zu den schnellsten Einsatzschiffen Europas zählen. 

Bereits in der Straße von Messina haben wir immer wieder diese markanten grauen Schiffe gesehen – teils vor Anker, teils vor den Hafenbüros liegend. Vielleicht haben wir mit unserem stillgeschalteten AIS (die Umprogrammierung war noch ausständig) in dieser Gegend einen verdächtigen Eindruck gemacht, denn es werden wohl auch Segelyachten zum Schmuggel von Menschen, Waren oder Drogen missbraucht. Ganz klar ist aber: Die wollten uns einen gehörigen Schrecken einjagen, denn man hätte uns auch freundlich anfunken können, insbesondere da bei 65 Knoten Geschwindigkeitsunterschied eine sehr geringe Fluchtgefahr besteht…

Liftkanal, Nautica Ranieri, Bari

Es bleiben noch einige Stunden, um die aufregenden Momente zu verdauen, bevor wir in Bari einlaufen. Aufgrund unserer späten Ankunftszeit kurz nach 1 Uhr dürfen wir, wie vereinbart, nicht mehr in der Marina anlegen, aber netterweise die Nacht im Liftkanal verbringen. Am nächsten Tag bekommen wir unseren Liegeplatz für die nächsten drei Wochen zugewiesen. Mit einem letzten gemeinsamen Mittagessen beschließen wir das erste Kapitel der Überstellung. Die Flucht aus Genua ist geglückt. In drei Wochen geht es dann weiter – Arrivederci Mêlée!

Leuchtfeuer San Cataldo, Bari

*AIS = Automatic Identification System – über dieses schlaue System zum Tracken von Schiffspositionen und Zusatzinformationen könnt ihr unsere Route künftig online verfolgen. Die erforderlichen Daten dazu geben wir noch bekannt, wenn das Gerät im Schiff installiert ist 🙂

Italien lässt uns nicht los

Bei vorherrschender Bora 120 sm die Adria zu überqueren (von Brindisi nach Kroatien) würde man nicht als die beste Idee bezeichnen. Doch die Hoffnung auf Wetterbesserung besteht, zumindest bei mir. Den stürmischen Tag nutzen wir zum Sightseeing bei Sonnenschein in Brindisi: Unweit der Marina erkunden wir eine Festung aus dem
16. Jahrhundert sowie ein stillgelegtes Lazarett. Burgi hat nach einem Tag Abwettern keine Hoffnung mehr auf Wetterbesserung, weshalb sie uns verlässt und nach Hause fliegt. 

Isola Sant’Andrea vor Brindisi

Ich jedenfalls will mir die Möglichkeit der spontanen Adriaüberquerung offenhalten, dazu heißt es Ausklarieren– eine Premiere für uns. Es war jedoch utopisch zu denken, dass bei der immigration & border police, der dafür zuständigen Behörde, jemand englisch spricht – es ist also nicht möglich mit einem Beamten am Telefon zu kommunizieren. Somit folgt der Gang ins Marinabüro, wo mir eine Mitarbeiterin versichert, die border police zu verständigen um die Formalitäten vor dem Ablegen direkt am Steg zu erledigen, wie es in Italien üblich sei. Zwei Stunden später noch keine Spur von den Carabinieri, auf Nachfrage im Büro erfahren wir: Ja, sie würden zu uns an den Steg kommen, allerdings erst kurz vor unserer geplanten Abfahrt gegen Mitternacht. Wunderbar.

Castello Alfonsino di Brindisi, dahinter Forte a Mare

Weitere 5 Stunden später: Der Wind ist eher stärker geworden, es herrscht Bora-Stimmung mit klassischer Soundkulisse. Erkenntnis: Wir werden heute nicht mehr losfahren, haben den Liegeplatz ohnehin bereits für zwei Nächte bezahlt. Denkt sich wohl auch die border police, denn keine Spur von dieser. Gute Nacht.

Batteria Pisacane, Isola Sant’Andrea

Die Hoffnung auf den Besuch der border police am Steg aufgegeben, legen wir am nächsten Morgen ab und fahren 15 Minuten zur Stadtmole, wo sich ihr Büro befindet. Die Öffnungszeiten konnten wir im Vorfeld nicht in Erfahrung bringen. Bei der capitaneria, dem ersten Gebäude an der Mole, empfangen mich mehrere nautisch-uniformierte Damen und Herren, schauen sich unsere Papiere an, fragen nach der Flagge des Bootes, dem letzten Hafen, der geplanten Route… um dann festzustellen, dass sie nicht zuständig sind. Ich soll doch in das Zollgebäude 100 m weiter gehen – das Büro öffnet aber erst am späten Vormittag… Spätestens jetzt fühlt es sich an wie die Suche nach Passierschein A38.

Marina di Brindisi

Obwohl Pia und Franz schon ihre Meinung gefestigt haben, nach Bari zu fahren und die Überfahrt nach Kroatien um drei Wochen zu verschieben, will ich nicht aufgeben. Dann warten wir eben noch zwei Stunden bis das Zollbüro öffnet und gehen in der Zwischenzeit auf einen Kaffee in der Stadt. Franz begibt sich anschließend gleich zurück aufs Boot, Pia und ich gehen noch einkaufen. 

Brindisi

10 Minuten später ein Anruf von Franz, wir mögen doch so schnell wie möglich zurück zum Boot kommen (rennen), es gäbe Probleme. Die Situation, die sich uns dort offenbart, ist durchaus spektakulär. Dutzende uniformierte Militärs auf der Straße, coast guards die auf Franz einreden und wildes Treiben in der Hafenbucht: militärische Schlauchboote mit Soldaten und schweren MGs, zwei Kampfhubschrauber kreisen über dem Hafen, zwei schwimmende Panzer düsen vorbei. Haben wir etwa falsch geparkt und ist das die übliche Reaktion darauf? Nein, es handelt sich wohl um eine Übung, und man befiehlt uns sofort abzulegen. Sofort? Nein – Alles auf Standby, und auf das Zeichen des coast guards sollen wir losfahren. Das Zeichen erfolgt…

…fünf Sekunden später. Vollgas in die Vorspring eindampfen und schnell weg hier. Die Helikopter und ein Schlauchboot begleiten uns noch 10 Minuten aus der Bucht, Hollywood-anmutend lehnen Soldaten aus den Hubschraubern. Falls das Ziel war, uns Angst zu machen, so hat es funktioniert. Da wir nun immer noch nicht ausklariert haben, stellt sich die Frage des Fahrtzieles nicht mehr: Brindisi wollte uns wohl so schnell wie möglich loswerden – Italien aber wollte uns nicht gehen lassen. Auf nach Bari.

Auf dem Weg dahin sollten wir noch eine erschreckende nächtliche Begegnung machen, aber doch noch ein versöhnliches Ende dieser Etappe erleben.

Der Ex-Schwiegersohn

Raffaele, der Ex-Schwiegersohn des Vorbesitzers unserer Mêlée, unterstützt uns im Laufe der Überstellung durchgehend freundlich mit Rat und Tat. Wir kennen ihn, da er beim Gutachten in Genua gemeinsam mit den beiden Maklern stellvertretend für den Verkäufer dabei war und sich während der Verkaufsphase noch um diverse Wehwehchen des Schiffs gekümmert hat.

Dank seiner weitreichenden Kontakte in gefühlt ganz Italien haben wir unter anderem – bei völlig ausgebuchter Lage in den öffentlichen Marinas – einen privaten Liegeplatz nahe Napoli für eine Nacht bekommen. Dadurch läuft die Verabschiedung (mit Pizzaessen) von Andi und Benni und der Empfang unseren neuen Crew Burgi und Franz wesentlich entspannter ab. Trotz oder gerade wegen des, nennen wir es mal italienisch-familiären Gesamteindruckes, ist es wohl der bestmögliche und sicherste Liegeplatz für diesen Zweck. 

Pontille Catello, nahe Pompei

Um eine alte Bootsbatterie leichter, eine Ersatzgasflasche schwerer und mit neuer Crew an Bord nehmen wir Kurs Richtung Süden, vorbei an Stromboli (gerüchteweise wurde ein kleiner Lavastrom bei Sonnenaufgang beobachtet), die Straße von Messina als Ziel. Die Etappe beginnt mit unangenehmem Seegang im Golf von Neapel – ein erster Vorgeschmack auf die anstrengenden nächsten Tage. Vorbei an Capri geht es auf das offene Tyrrhenische Meer. Die Schönheit der Amalfiküste können wir dabei leider nur aus der Ferne erahnen.

Capri, Golf von Neapel

Die nächste Etappe, von Messina um den südlichsten Punkt des italienischen Festlandes und um die Stiefelspitze Kalabrien, beginnen wir mit traumhaften Wetter- und Windverhältnissen und beenden sie am nächsten Morgen erschöpft vor Anker. Der Wind hat in der Nacht ungünstig gedreht und wir kämpften wieder einmal stampfend gegen die Welle. 

Straße von Messina

Es gilt jedoch einen Zeitplan einzuhalten und so geht es nach kurzer Pause und erneuter Rücksprache mit Raffaele weiter nach San Foca in der Region Apulien, wo er und ein reservierter Liegeplatz auf uns warten. Ein wirklich netter Ort um einen Tag Kurzurlaub zwischen den anstrengenden Überfahrten zu genießen. 

Marina San Foca

Auf dem Weg nach Brindisi spüren wir bereits die Vorzeichen der Bora von Nordosten, die uns unangenehme Dünung vom anderen Ufer der Adria entgegenschlagen lässt. Sicherheitshalber reservieren wir Liegeplätze in den Marinas Dubrovnik und Split, um später mehrere Möglichkeiten der Routenwahl über die Adria zu haben.

Als wir in der gut geschützt liegenden Marina von Brindisi einlaufen, ahnen wir noch nicht, dass wir länger als geplant dort festsitzen werden, unfreiwillige Bekanntschaft mit dem Militär machen müssen und sogar ein Crewmitglied verlieren werden…

– to be continued –

Den Motor auf Herz und Nieren getestet mit Andi & Benni

Nachtzug nach Genua

Die letzte Nachtzugfahrt nach Genua! Genua ist ein bisschen zu weit weg und ein bisschen zu unspektakulär, um in vier Monaten vier Mal dort zu sein. Wir freuen uns dementsprechend, es hinter uns lassen zu können. Endlich, vor allem, weil sich die Formalitäten zur Ab- und Anmeldung des Boots elendig dahingezogen haben. Ab jetzt überwiegt aber die Freude auf das Lossegeln und vor allem die Aufregung, ob wohl alles soweit in Schuss und seetauglich ist. Inklusive wir selbst, da so viele Meilen am Stück und lange Etappen auch für uns Neuland sind.

Raus aus Genua bei Sonnenaufgang

Am 22. August starten wir gemeinsam mit Andi und Benni unser motiviertes Programm bei Sonnenaufgang: GenuaElbaRomNapoli; 370 sm in fünf Tagen. Wir sind jeweils mindestens 24 Stunden am Stück unterwegs und experimentieren mit dem nächtlichen Wachrad. Kurz bevor wir um 6 Uhr Früh Genua für immer verlassen, wird doch noch unser Ersatzanker und diverses Tauwerk zum Boot geliefert, nachdem die Bestellung und ein Übergabeort bereits vor zwei Wochen ausgemacht wurden. Auf den letzten Drücker, aber Juhu – schöne neue Schoten!

Eine mondhelle Nacht und Flaute machen uns die erste Langfahrt leicht. Es folgt ein 12-stündiger Anker-, Tank- und Versorgungsstopp vor Portoferraio, der Hauptstadt von Elba. Zum Einkaufen setzen wir Andi und Benni an der Mole ab und treiben solange friedlich im Hafenbecken. Also etwas Zeit um die Schallsignale aus dem FB2-Kurs zu wiederholen: Ein kurzes Signal = ändere meinen Kurs nach steuerbord, zwei kurze Signale = ändere meinen Kurs nach backbord, ein langes Signal = …

Vor Elba

Ragazzi, raus aus meiner Einfahrtsschneise!!1!
Ok, ok, wir machen der dicken Fähre mit ihrem aggressiven Nebelhorn also Platz und holen Andi und Benni mit den Einkäufen wieder ab.

Bei der nächsten nächtlichen Fahrt mit Ziel Porto di Ostia vor Rom zeigt sich die erste Schwäche unserer Mêlée: 1,5 kn Fahrt gegen Wind und Welle unter Motor. Eine sehr anstrengende und frustrierende Nacht. Da wir jetzt wissen, dass unsere große Leichtwind-Rollgenua für diese Bedingungen ungeeignet ist, steht ab sofort eine Sturmfock auf der Einkaufsliste.

Der Vesuv aus der Ferne

Am nächsten Tag erreichen wir Rom später als geplant, erst gegen 23 Uhr. Nach 65 Stunden auf dem Wasser und einem obendrein noch richtig schlechten Abendessen im einzigen geöffneten Hafenrestaurant fühlt sich die ruhige und erholsame Nacht in der Marina durchaus verdient an. Der folgende eher unspektakuläre letzte 28-Stunden-Schlag bringt uns schließlich nach Napoli, von wo aus Andi und Benni nach Hause reisen und Burgi und Franz an Bord kommen.

Crewwechsel und Verschnaufpause in Napoli. Oder Pompei.

Am Gebrauchtbootmarkt

Der letzte Chartertörn ist gleichzeitig die erste Bootsbesichtigung. Nachdem uns unsere bis dato erste Wahl, eine Bavaria 38 Ocean, vor der Nase weggeschnappt wurde, starten wir nach ein paar schönen Urlaubstagen zwischen Pula und Zadar eine Besichtigungstour: Eine Bavaria Lagoon 39 in Izola (für Bernhard zu niedrig, zu schlechter Zustand), eine Sunbeam 40 in Fano (baugleich, aber zu schlechter Zustand) und zuletzt unsere Mêlée (damals noch Lady Laura) in Genua. 

Der italienische Makler schickt uns einen Bekannten als Vertretung, um uns das Schiff zu zeigen. Auf unsere diversen Fragen zur technischen Ausstattung und Vorgeschichte des Boots antwortet dieser fröhlich lachend: I don’t know.
Einige Fragen lassen sich dann doch telefonisch mit dem eigentlichen Makler klären und so unterschreiben wir nach einer 12-stündigen Autofahrt zurück nach Wien gleich am nächsten Tag einen Vorvertrag. Sehr aufregend!

Gutachter Olaf

Ein Monat später befinden wir uns wieder in Genua und treffen uns auf genuesische Focaccia mit unserem italientisch-deutschen Gutachter Olaf. Er ist ein Segen: Ein absoluter Profi und die optimale Schnittstelle zwischen uns und den italienischen Verkäufern. Nachdem er das Boot bei 38°C Außentemperatur detailliert untersucht, drückt er den Kaufpreis für uns um ziemlich genau sein Honorar. Für uns war von Anfang an klar – nicht ohne Gutachten, und die Entscheidung war goldrichtig.

Am Kranlift in Genua

Nach dem Gutachten ist vor dem Kauf und hier kommt es zum nächsten Mikroabenteuer – das italienische Behördenwesen. Man kann in Italien – wohl nicht nur als Ausländer – nicht direkt mit Behörden kommunizieren. Dafür gibt es eigene Agenturen, die das übernehmen und sich dafür ganz anständig bezahlen lassen – immerhin Arbeitsplatzbeschaffung. Wir stürzen uns also mit unserer überteuerten Agentur Hals über Kopf in den Kaufprozess und erhalten Einblicke in die italienische Bürokratie.

Dazu ein Beispiel: Nach der Abmeldung des Schiffs in Italien durch den italienischen Verkäufer ist eine gesetzliche Wartezeit von vier Wochen vorgeschrieben, um eventuellen Krediten, Schulden etc., die auf dem Schiff liegen, nachzugehen. Klingt soweit noch einigermaßen vernünftig. Will man aber nicht vier Wochen warten, so kann man diese Frist auch mit einer Pönalzahlung umgehen. Bei der Logik müssen sogar unsere italienischen Makler schmunzeln.

Lady Laura a.k.a. Mêlée in Genua

Nachdem von Seiten des italienischen Verkäufers alles erledigt ist beginnt der ganze Spaß noch einmal als Anmeldeprozess in Österreich, wobei uns die Wiener Behörden auf einmal sehr transparent und kooperativ vorkommen. Und, ja, es gibt eine Seefahrtsbehörde in Wien.

Mit der Ausstellung des Seebriefes am 9. August 2021 dürfen wir uns also Bootseigner nennen.

Launch!

6. März 2022: Hallo Welt! Wie du wahrscheinlich schon gelesen hast ist das ein Reiseblog. Diesen Winter ist nicht viel mit Segeln, dafür aber Zeit für ein paar Nacherzählungen. Im Sommer 2021 haben wir ein Boot gekauft und es gemeinsam mit Freunden und Verwandten in zwei Etappen von Genua in die Adria gebracht. Wir freuen uns darauf gemeisterte Schwierigkeiten, gewonnene Erkenntnisse und schöne Erlebnisse hier in den nächsten Wochen teilen zu können. Sobald der Sommer naht gibt’s hoffentlich schon so manche Neuigkeit von unserer geplanten Reise und unserem Schiff, das derzeit in Italien schick und fit für das Bevorstehende gemacht wird.