Willkommen an Bord!



Tales of Mêlée ist der Reiseblog der Segelyacht Mêlée und ihrer Crew. Hier gehts zu unseren Erlebnissen:
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Nowhere and back again
Das Startsignal trötet, es geht los. Der Start von 30 Booten in der Bucht von Saint George’s ist der spektakulärste, den wir bisher hatten. Es geht nämlich gleich nach der Startlinie durch einen engen Kanal hinaus aufs offene Meer. Als die Boote sich hindurchzwängen, kommt eine Fähre entgegen – Planungsfehler? Naja, alles gut gegangen und bald können wir unseren ersten Kurs anlegen. Das Wetterrouting bereitet uns etwas Kopfzerbrechen, da es so aussieht, als bekämen wir an den Tagen 2-5 Gegenwind und danach hauptsächlich Flaute.
Nicht lange später finden wir uns auch schon auf dem angemessenen letzten Platz der Flotte wieder und segeln bei sonnigem, aber kühlem Wetter auf gemächlichem Halbwindkurs. Die nächsten 12 Stunden sollten eher langweilig werden, abgesehen von hunderten Portugiesischen Galeeren, die hier wohl so etwas wie eine Plage sind. Ernsthaft mal – hoffentlich kommt keine über Bord geschwappt. In der Nacht müssen wir schließlich motoren, damit haben wir gerechnet. Wir tuckern also mittels Autopilot durch die Dunkelheit, bereits da fällt uns ein Klacken aus dem Ruderstand auf, wie wir es schon kennen, wenn die Ruderseile in der Anlage nicht ganz festgezogen sind. In den frühen Morgenstunden begegnet uns ein entspannter Buckelwal, der sich in 100 m Entfernung sonnen lässt. Und wieder zahlreiche Portugiesische Galeeren. Gruselig.
Da uns das seltsame Klackern des Ruders bei Tageslicht immer noch nervt, gehen wir der Sache auf den Grund. Mit Schrecken bemerken wir, dass das Steuerrad ohne Wirkung durchdreht, und finden sogleich auch die Ursache dafür: Ein Ruderdrahtseil ist nahe beim Quadranten gebrochen. Das kann doch nicht wahr sein. Vor 4 Monaten haben wir es in Grenada inspizieren und servicieren lassen, von einem Tausch wurde uns aufgrund seines guten Zustandes sogar abgeraten.
Wir evaluieren die Situation. Steuern ist möglich, aber nur mit Autopilot, der vom Ruderseil unabhängig arbeitet. Sollte dieser ausfallen, und dazu neigen Autopiloten leider, bleibt uns nur noch die Notpinne als Steuermöglichkeit. Diese ist nur bei guten Bedingungen und mit viel Kraft handelbar. Wollen wir uns 3 Wochen voll und ganz auf den Autopiloten verlassen? Da wir bisher sehr langsam unterwegs waren, sind wir erst 70 sm von Bermuda entfernt und könnten auch umkehren. Eigentlich haben wir ein Ersatzruderseil für genau diesen Fall gekauft, doch auch nach zwei Stunden experimentieren gelingt es uns nicht, insbesondere in Fahrt mit dem Ruder in ständiger Bewegung, das Seil zu tauschen. Wir entscheiden uns für die Sicherheitsvariante und kehren um, Kurs Richtung Bermuda. Was für ein Rückschlag. Oder wie eine alte Seemannsweisheit (Danke Andi & Benni) besagt: Ist das Ruderseil gerissen, wird die Überfahrt beschissen.
Immerhin mögen wir Bermuda sehr gern und es besteht Hoffnung, dass sich das Problem mit richtigem Werkzeug und einem Fachmann recht schnell lösen lässt. Eine Pizza ist hoffentlich auch drin. Wir starten also frohen Mutes unseren Rückweg, als die erwartete Kaltfront aufzieht. Wir haben nun eindeutig den besseren Kurs als die restliche Flotte, die gegen Welle und 25 kn ankämpfen muss. Eine ungemütliche, eisigkalte und finstere Nacht, die mit einer Brecherwelle, die uns um annähernd 90° krängt, ihren Tiefpunkt erreicht. In dieser Welle verlieren wir unsere bereitgelegte Notpinne (jetzt hängt alles vom Autopiloten ab!) und die gute Winschkurbel, Pia fliegt unverletzt durch den gesamten Salon und Bernhard wird über dem Auge von einer Powerbank getroffen. Das haben wir noch gebraucht.
Etwas weniger frohen Mutes kommen wir, nach absichtlich sehr langsamer Fahrt, bei Sonnenaufgang zurück in Bermuda an, wo uns ein spektakuläres Anlegemanöver, nur zu zweit und nur mit Autopilotsteuerung glückt.
Griselda, ein Boot unserer Gang, sowie Time Out, die wir in den Bahamas kennengelernt haben, sind noch in Bermuda und so fühlen wir uns bei der Rückkehr nicht so einsam und zurückgelassen.
Wir bestellen eine neue, maßanagefertigte Notpinne, die innerhalb von einem Tag fertig wird. Für dieses Angebot kann man natürlich verlangen, was man will… Mit dem Ruderseil kann uns leider in der nächsten Woche niemand helfen und so machen wir uns an die Erforschung des Systems. Es ringt uns körperlich und geistig einiges ab, aber nach ein paar Stunden blicken wir durch. Mit Hilfe von Victor, einem neuen Crewmitglied von Griselda (auch eine spannende Geschichte, aber nicht unsere) gelingt uns bald der Tausch des ersten Seils. Aufgrund von Abnutzungserscheinungen am zweiten Seil wollen wir aber auf Nummer Sicher gehen. Bernhard besorgt weitere Ersatzteile in Hamilton und die lustige Bastelei geht mit Seil Nummer 2 weiter. Eine mühsame Arbeit mit emotionalen Höhen und Tiefen.
Beim gemeinsamen Abendessen mit der Crew der Griselda kommen wir zu unserer Pizza und jammern uns gegenseitig mit den unterschiedlichen Schicksalen der Zurückgebliebenen bzw. – gekehrten an. Gleichzeitig sind wir aber auch froh gerade nicht Am Wind durch eine Front segeln zu müssen. Vor uns liegt nun noch ein Tag mit viel Arbeit, denn natürlich muss punkto Tankfüllungen, Proviantisieren etc. alles nochmal wiederholt werden. Am Sonntag wollen wir gemeinsam mit Griselda und zwei weiteren zurückgebliebenem Booten der ARC Europe, einen neuen Versuch starten. Das Wetterfenster schaut etwas besser aus. Hätte alles schlimmer laufen können, die Stimmung könnte aber besser sein.
Heute gibt noch Kuchen zur Beruhigung der Gemüter und dann starten wir hoffnungsvoll Versuch Nummer Zwei.