12 | Virgin Islands

Die British Virgin Islands sollen für Segler ja das absolute Paradies sein – für uns also von Beginn der Reise an ein Traumziel. Statt einzelner Inseln mit 30 sm offenem Ozean dazwischen erwartet uns Inselhopping wie in Kroatien. Der Anteil an Katamaranen und amerikanischen Touristen steigt stark. Wir dürfen gespannt sein wie es uns als Europäer mit 1,8 m Tiefgang ergeht.

in diesem Kapitel:

  • Gravitation

  • Was weißt denn du von Lee Bay?

  • Just deconnect your washing machine for extra power

  • Der Ti-Punch, die Gitarre & das Meer

  • 14.02.2023 – 07.03.2023
  • Virgin Gorda, BVIs – Great Inagua, Bahamas
  • 751 sm
  • mit dabei: Jimi
  • 6 Tauchgänge
  • Gravitation

    Prolog

    Bei einem gewöhnlichen Hochrasanztrauma, etwa bei einem Frontalzusammenstoß zweier Personenkraftwägen mit 100 km/h, wirken negativ beschleunigende Kräfte im menschlichen Körper auf verschiedene Weise. Bänder, Muskeln und Sehnen zerreißen, es zerbersten und zersplittern Knochen, Nervenstränge im zentralen Nervensystem werden irreversibel durchtrennt und nicht zuletzt werden lebensnotwendige innere Organe wie Herz, Hauptschlagader und Lunge schlichtweg durch- und abgerissen. Physikalisch anders jedoch verhält es sich in dem seltenen Fall, wenn die Gravitation zu einem entscheidenden Faktor wird, beispielsweise wenn eine Masse von 50 Tonnen von oben herab auf ein Wasserfahrzeug und deren Besatzung fällt. 

    21:45 An Deck der Mêlée

    Ein markerschüttender Knall. War etwa der Großbaum übergeschlagen, wie damals auf der Etappe von Saint Martin auf die British Virgin Islands, als während eines nächtlichen Frontdurchzugs der Großbaum überschlug? Routiniert, wenn auch etwas verschlafen, vollzog sie die üblichen Kontrollblicke: Segel, Leinen, Ruder. Alles in bester Ordnung. Woher also dieser Lärm? Ein Rundumblick in den monderhellten Ozean, der sich um den Rumpf der kleinen Slup in schier endlose Weiten auszudehnen scheint, ließ der attraktiven Rudergängerin das Blut in den Adern gefrieren. Backbord, achteraus etwa 10 Bootslängen entfernt eine Wasserfontäne in der Ausdehnung mehrerer Lkws. Die Detonation eines Mörsers? Welchen Grund sollten diese verdammten Puertoricaner haben auf sie zu schießen? Die Stelle des Geschehens fest im Blick und unfähig, in ihrer Schockstarre auch nur einen Finger zu rühren, sah sie erstmals die Umrisse der Gestalt.

    21:44 Unter Deck der Mêlée

    Er konnte gerade noch ein schwaches Flackern wahrnehmen. Dann war es finster. Alle elektronischen Geräte, die überlebenswichtigen Instrumente und Lichter, die der Navigation durch diese fordernde Passage dienten, waren ausgefallen. Verdammt, murmelte der lumpig gekleidete Mittdreißiger. Unter seinem Bart und der ungezähmten Lockenmähne waren noch deutlich die Züge des stattlichen, jungen Mediziners zu erkennen, der noch vor weniger als einem Jahr eine angesehene Spitalsposition innehatte. Ob das Blackout wohl das gesamte Schiff betraf? Sofort war ihm klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Um sich eine erste Orientierung zu schaffen, blickte er aus dem Bullauge der Achterkabine und konnte das Bild nicht fassen, das sich ihm darbot. Obwohl sie mitten im offenen Nordatlantik unterwegs sein sollten, sah er in hohem Tempo Kirchen und alte Gemäuer vor seinen Augen vorbeiziehen. Was war da oben los? Kurz zweifelte er an seiner Entscheidung, sein Leben in die Hände einer Frau gelegt zu haben, die er erst seit 18 Jahren kannte. Sich schüttelnd wie die Schäferhündin Mira, nachdem sie einen Schneeball direkt aus der Luft gefangen hat, versuchte er den Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen. Keine Zeit für Zweifel, er musste sofort herausfinden, was da vor sich ging. Gerade in dem Moment, als er beinahe an Deck angekommen war, vernahm er einen durchdringenden Schrei von oben. Nein, kein Schrei, eher Gebrüll. Er riss die Augen auf und stellte erstaunt fest, dass er noch in seiner Kajüte lag. Beim Blick nach draußen bemerkte er, dass sie sich, wie zuvor während seiner Wache, umringt von monderhellten Wellen befanden. Der kurzen Woge der Erleichterung, schon wieder nur schlecht geträumt zu haben, folgte ein erneuter Adrenalinschub. Die gellenden Rufe von oben waren real und drangen eindringlich in sein Ohr. Was hatte seine Mitreisende in eine derartige Panik versetzt? Kurz nachdem er aus der zweckmäßig eingerichteten Kabine geklettert war, stieß er sich den Kopf am Durchgang zur Kombüse, wo noch das schmutzige Geschirr des Abendmahls lag. Das wäre wohl seine Aufgabe gewesen. Fluchend eilte er weiter den kurzen aber beschwerlichen Weg nach oben, den panischen Schreien entgegen.

    21:46 Wieder an Deck der Mêlée

    Auch wenn er rechtzeitig oben angekommen wäre, hätte er die dunkle Gestalt zu seiner rechten nicht wahrnehmen können. Zu sehr brummte ihm noch der Schädel vom zuvor erfolgen Zusammenstoß mit der Mahagonitäfelung. Das Sternenbild, das vor seinen Augen flimmerte, würde der Kunstliebhaber unter anderen Umständen sogar als anmutend empfinden, wäre es nicht begleitet von einem stechenden Schmerz im Bereich des Frontallappens. So konnte nur seine aufgelöste Begleiterin die Schwanzflosse des massiven Meeressäugers erkennen, der nur wenige Meter entfernt von ihrem Schiff, das ihr in diesem Kontext auf einmal wie geschrumpft vorkam, aus dem Wasser emporgesprungen war. Wal, Wal, Wal! konnte der Freizeitkapitän nun endlich das Geschrei entziffern, als er sich die Stirn rieb, wie Stunden zuvor noch den aromatischen Parmesan über eine Portion Spaghetti. Auch wenn er sich einbildete, an genau der Stelle, auf die seine langjährige Begleiterin zeigte, noch eine kleine Turbulenz im Wasser glitzern zu sehen, konnte er es dennoch nicht glauben. Ein Wal? Hier, mitten im Walschutzgebiet und ausgerechnet zur Walsaison? Unmöglich. Sie musste übermüdet sein. Hatte er ihr zu viel zugemutet? All die langen, einsamen Nächte durch Sturm und Regen können einem zarten Gemüt wie ihr ordentlich zusetzen. Sie wäre nicht die erste Seefahrerin, die aufgrund des Schlafentzuges unter Halluzinationen leidet. Was kommt als nächstes, etwa Meerjungfrauen?, grummelte er halblaut vor sich hin und begann einem Gedanken über diese mythischen Kreaturen nachzuhängen, als er durch das abschwellende Flimmern in seinen Augen und den starren Blick in die Ferne die massige dunkle Gestalt nun ebenfalls wahrnahm.

    21:46 Immer noch an Deck der Mêlée

    Es geschah wie in Zeitlupe: Zuerst brach der Kopf eines etwa 15 Meter großen Buckelwals durch die mondbeschienene Wasseroberfläche. Er stieg empor und empor, bis die Gravitation Überhand nahm und der Meeressäuger mit einem gewaltigen Knall bauchlinks auf dem dunklen Ozean aufschlug und aus dem Blickfeld seiner verstörten Beobachter verschwand. Dann folgte noch die Fontäne. Walbreit und hoch wie ein Leuchtturm spritzte das verdrängte Wasser gen Nachthimmel wie das Blut aus einer angestochenen Bauchschlagader. Noch mehrere Minuten starrten die Segler Richtung Horizont und begannen sich schließlich vorsichtig in Sicherheit zu wägen. Keiner der Beiden bemerkte, was inzwischen auf der elektronischen Seekarte ihres Bordcomputers unheilvoll zu blinken begonnen hatte.

    Epilog

    7.200 Minuten nach diesen traumatischen Eregnissen erreichten sie ihr Ziel: Die Bahamas. Hier wollten sie beginnen die Geschehnisse jener Nacht aufzuarbeiten, oder sie immerhin in Rumpunsch zu ertränken. 

  • Was weißt denn du von Lee Bay?

    Rendezvous. Das ist Französisch und bedeutet, nach dem Frühstück mit dem Fernglas nervös nach einem heranbrausenden Tauchboot Ausschau zu halten. Dieses Erlebnis hatten wir zuerst vor Anker auf Norman Island, wo wir diesmal das legendäre Discoschiff Willy-T nur aus sicherer Entfernung erleben. Gekonnt legt die heute gut besetzte Royal Blue längsseits an Mêlée an und wir steigen mit unseren sieben Sachen über, um zu den heutigen Tauchplätzen zu fahren. Auch für Jimi mit zigmillionen Tauchgängen im Logbuch eine Premiere. 

    Rendezvous in Norman Island, dann Tauchen Pelican Island & The Indians

    Nachdem die Tauchcrew uns wieder auf unser eigenes Boot übergeworfen hat, geht es auch gleich weiter nach Little Harbour auf Peter Island, wo wir nach Monaten wieder einmal unser, nicht gerade geliebtes, Ankern mit Landleine vollführen müssen. Jimi meldet sich freiwillig als Anlandschwimmer und das Manöver funktioniert perfekt. Mit Buganker und zwei Landleinen endet der Tag aufgrund der heutigen Tauchgänge recht früh.

    Bei unserem zweiten Rendezvous am nächsten Tag erleben wir unsere vorerst letzten beiden Tauchgänge, während Pia ihre Open Water Diver Praxis erfolgreich abschließt und sich somit frisch zertifizierte Taucherin nennen darf. Bei den heutigen Tauchgängen gibt es Buckelwalgesang zu hören – leider haben wir sie nicht gesehen – sowie Rochen, Kofferfische und einen gut getarnten kleinen Feilenfisch zu sehen. Wir haben in den letzten Tagen also eine wirklich intensive Tauchzeit erlebt.

    Rendezvous in Peter Island, dann Tauchen im Angel Fish Reef, Norman Island und Black Forrest, Peter Island

    Danach steht es uns wieder frei, hinzufahren wohin auch immer wir wollen und wir entscheiden uns dafür noch eine Nacht in der entspannten Bucht Little Harbour zu bleiben. Beim Schnorcheln rund um das Boot verfolgen wir interessiert einen Stechrochen und entdecken eine Copia a.k.a. Schiffshalter, die sich wohl in Mêlées Kiel verliebt hat. Als Schmankerl des Abends bereiten wir für Jimi ein Quiz vor mit dem Titel: Ist das ein nautischer Begriff!?, in dem erraten werden muss, ob Dinge wie SesambeschlagLippsieglerSteven oder Bullenstander tatsächlich existieren. Da das für uns Moderatoren augenscheinlich lustiger war als für Jimi, rächt er sich später mit einem Ist das ein Fisch!?-Quiz. Beide Versionen sind übrigens auch in unserem Onlineshop bestellbar! Mit dem Code quiz2023 erhältst du nur heute 10 % Rabatt.

    Erkunden & quizzen in Little Harbour, Peter Island

    Der nächste Tag ist ein regnerischer. Diesmal regnet es ungewöhnlicherweise stundenlang fast durchgehend, während wir in der Hauptstadt Road Town proviantisieren und lunchen. Langsam aber sicher nähert sich unsere Zeit mit Jimi dem Ende, und so segeln wir in kleinen Etappen Richtung Flughafen. Auf dem Weg dorthin ankern wir vor Buck Island, dem offenbar einzigen Platz in der Karibik, an dem nur Monohulls ankern. Heute beginnt für uns eine, seit dem Mittelmeer nicht erlebte, regenfreien Leichtwindphase, die zumindest 6 Tage anhalten sollte. 

    Brunchen und quizzen in Buck Island

    Vor der winzigen Insel Marina Cay entdecke ich beim Schnorcheln einerseits einen scheuen karibischen Riffhai, andererseits praktiziere ich Speed-Schnorcheln, bei dem ich mich mit dem Dingi über das Riff hinterherziehen lasse, all die schönen Fische im Schnelldurchlauf sehe und gleichzeitig hoffe, dass ich den Jagdtrieb der Barracudas nicht provoziere.

    Ausflug in die Schnöselmarina Scrub Island vom gratis Ankerplatz vor Marina Cay

    Die für den vorletzten Abend auserkorene Lee Bay stellt sich als völlig ungeschützt heraus, sodass wir schließlich in der White Bay auf Guana Island wie am Vortag neben einem kostenpflichtigen Bojenfeld ankern. Ein Hail-Mary-Ankerwurf auf 13 Meter Tiefe gelingt beim ersten Versuch. So können wir den weißen Strand der Bucht, die wir uns mit drei Megayachten und einem Hubschrauber teilen, für einen Spaziergang mit exzessiver Fotosession nutzen (nicht gesponsert von Mount Gay). Stilechte Karibikromantik.

    Karibikkitsch in Guana Island

    Praktischerweise ist der Zutritt zu allen Stränden, selbst auf den vielen privaten Inseln, öffentliches Recht auf den BVIs. Der Tag endet, wie so viele, mit Ti-Punch, Gitarre und Sonnenuntergang am Vorschiff. 

    Ti-Punch, Gitarre und Meer vor Guana Island

    Bellamy Cay auf Beef Insland besticht durch die Nähe zum Flughafen – es sind tatsächlich nur 5 Gehminuten vom Dinghidock zum Terminal. Deshalb bildet diese Bucht den logischen Abschluss des Törns mit Jimi. Das Captain’s Dinner am letzten Abend findet im Loose Mongoose statt, einem nach Hurricane Irma komplett neu errichteten, architektonisch ansprechenden Strandrestaurant, das die perfekte Mischung zwischen sophisticated und casual bietet.

    Abschiedsessen in Beef Island

    Als wir Jimi nach der langen Zeit am nächsten Tag mit ein paar unterdrückten Tränchen verabschieden, schmieden wir bereits Pläne für die nächsten Etappen. Den ursprünglichen Plan, noch ein paar Tage auf den BVIs zu bleiben, geben wird aufgrund der herannahenden Flaute sicherheitshalber auf. Der nächste Fixpunkt ist nämlich Nassau Ende März. 

  • Just deconnect your washing machine for extra power

    Ich, in der einen Hand ein Geodreieck, in der anderen einen Apfel, kreuze lernwillig bei der Tauchbasis in Nanny Cay auf. Während ich mich hinter Jimi und Bernhard verstecke, fangen die beiden in ihrer Routine schon mal an das Tauchboot zu beladen. Meine Theorieeinheiten beschränken sich auf einen kurzen Kreuzerltest, der ein Kinderspiel sein sollte, hätte ich das e-learning schon abgeschlossen. Mangels (stabilem) Wifi hab ich aber erst ein paar Absätze gelesen. Zum Glück versucht PADI aber scheinbar nur komplette Dussel auszufiltern und ich bestehe das Quiz mit 100 % (ohne Schummeln!) – juhuuu! In den BVIs ist das Meer das Pool und so werd ich mit dem gesamten Equipment auch gleich aufs Tauchboot geladen. Eine glückliche Fügung des Schicksals erlaubt uns, das Tauchboot für uns alleine zu haben: Jimi und Bernhard tauchen mit ihrem nordirischen, halbwitzigen Guide Kyle und ich mit meiner New Yorker Instructorin Kelsey. Der Einfachheit halber kommen beim nächsten Tauchgang noch eine Cathy und eine Casey dazu.

    Während die fortgeschrittene Gruppe auf ihrem ersten Tauchgang in der Kelly Cove Pediküreshrimps (Darling, wie schauen denn deine Nagelhäute aus!?), Gruselmuränen und Zwickkrabbler (die echten Namen der Fische muss man erst im Advanced Kurs lernen) beobachten, plantsche ich mit Kelsey im Flachwasser und lerne Dinge wie: Was passiert, wenn ich mir beim Winken den Atemschlauch aus dem Mund ziehe und wie klaue ich einem anderen Taucher artgerecht die Maske, wenn ich meine vergessen hab. 

    Tauchen Kelly´s Cove

    Bei Tauchgang Nummer 2 auf Pelican Island sind wir alle gemeinsam unterwegs und haben Spaß mit einer ausgesprochen zutraulichen Schildköte namens Spikey oder Speedy oder so ähnlich. Vielleicht war der Name auch ein bisschen weniger unpassend. Außer dass es, besonders nach dem Auftauchen, richtig kalt ist, ist es ein wunderbarer Vormittag. Ich fühl mich noch nicht gerade routiniert, hab aber schon viel neues gelernt. 

    Tauchen Pelican Island

    Zurück in Nanny Cay machen wir mit der Tauchbasis für die nächsten Tauchgänge Rendezvous aus. Das heißt, sie holen uns aus einer Bucht mit dem Tauchboot ab und wir sind nicht gezwungen weiter in der teuren Marina zu liegen, sondern können wieder gratis vor Anker nächtigen. Für uns ein optimales Angebot, das sogar für Jimi neu ist.

    Nach Frühstück im Cafe, proviantisieren und Wasser füllen verbringen wir am nächsten Tag noch eine gemütliche knappe Stunde an der Tankstelle und warten auf den Lkw, der die Tankstelle betankt. Beim Ausfahren aus der Marina werden wir von einer wütend herumspringenden Lady mit Tröte angehupt und angepöbelt, da sie entweder die Größe ihres Katamarans oder die Größe unserer sehr schlanken Mêlée über- oder die Breite der Zufahrt unterschätzt. Wir können sie einem früher belauschten Funkspruch zuordnen, in dem sie ein anderes Schiff auf Kanal 16 anpöbelt, es solle sich doch an die Vorrangregeln halten, wobei die Antwort des anderen Schiffs in etwa so ausfällt: ähm, ja eh!?

    Am Weg nach Peter Island macht sich Jimi als Rudergänger damit vertraut, wie sich das Boot in Böen verhält. Aha, wenn die Böe kommt, krängt das Schiff, wenn die Böe aufhört fallen wir unkontrolliert ab, machen keine Fahrt mehr und können das Ruder nicht bewegen. Momeeeeent. Nach kurzer Recherche dieses doch eher ungewöhnlichen Phänomens bemerken wir, dass wir uns in einer Fischerboje verfangen haben. 20 Minuten und ein paar Muschelschnitte später sowie den glücklicherweise nicht erforderlichen Einsatz einer Person im Wasser schaffen wir es uns ohne Folgeschäden aus der Lage zu befreien. 

    In der White Bay beziehen wir einen windigen Ankerplatz und werden von riesigen Tarpons umzingelt. 

    White Bay, Peter Island

    Vor unserem nächsten Tauchgang machen wir noch einen Stopp auf Cooper Island, wo wir leider das langfahrerfeindliche Bojensystem der BVIs unterstützen: 40 $ für eine Boje ohne sonstige Leistungen. Den Fehler machen wir nicht nochmal, aber sei es wie es ist, das angrenzende Resort bietet ein nettes Ambiente mit inselgebrautem IPA und der nahegelegene Steinhaufen ein spektakuläres Schnorchelerlebnis: Wir sehen zum ersten Mal einen Hai – ein hübscher Ammenhai, der sich schnell verzupft sowie er uns sieht. Außerdem zu unserer einen Seite ein kleines Riff mit süßen Fischchen und auf der anderen Seite tiefere Gewässer mit einem riesigen Schwarm riesiger Tarpons, deren Bewegungsmuster an Dementoren erinnern. 

    Schnorcheln und Studieren in Manchioneel Bay, Cooper Island

    Jimi schiebt am nächsten Tag noch eine Tauchsession ein, da ihm zwei Tage Pause zu lang waren und wir nutzen den Vormittag und das Wifi des Cafés um unsere Heimreise zu buchen (aaaaaaaaaah!) und brav e-zu-learnen.  

    Ende Juni werden wir von den Azoren nach Hause fliegen und unsere Mêlée für voraussichtlich ein Jahr in der Marina Ponta Delgada zurücklassen.

  • Der Ti-Punch, die Gitarre & das Meer

    Am Vormittag unseres ersten Tags auf den British Virgin Islands fahren wir nur ein kleines Stück Richtung Süden, um auf der Insel Virgin Gorda die berühmten Baths zu besuchen. Ein Haufen gigantischer, rundgewaschener Steinbrocken auf einem malerisch weißen Sandstrand. Wir schnorcheln an Land, klettern über Felsen und folgen einem versteckten Pfad von Bucht zu Bucht. Eine wirklich wunderschöne Szenerie, mit denen uns unser Sehnsuchtsort willkommen heißt. Nachdem wir mit Jimi einen richtig guten und gut ausgestatteten Fotografen mithaben, will ich mal keine weiteren Worte verlieren: 

    The Baths, Virgin Gorda

    Nach diesem wunderschönen Einstand schippern wir gleich am selben Tag noch weiter an die Westspitze der Hauptinsel Tortola (was für ein piratiger Name!) in die Soper’s Hole. Unsere kommenden Tage, sowie folglich unsere gesamte Törnplanung, sollten geprägt sein von der Suche nach einer Tauchbasis, die unsere, mal wieder sehr diversen Ansprüche erfüllen kann: Jimi als professioneller Divemaster, der eh schon alles gesehen hat, Bernhard, der sich gerade wieder in der Materie einlebt und ich, die sich nach Tauchgang Nummer 1 gleich zum Open Water Diver ausbilden lassen möchte.

    Soper’s Hole, Tortola

    In der Hoffnung, eine schnuckelige Tauchbasis auf der westlich gelegenen Insel Jost van Dyke gefunden zu haben, brechen wir frühmorgens dorthin auf. Nach dem Ankern folgt mit der Frau im Tauchshop das wahrscheinlich mühsamste Gespräch meines Lebens: Wie Open Water Diver?? Ein Boot kann sie mir anbieten für 710 US-Dollar pro Tag. Mindestens zwei Tage wären notwendig, um den Schein abzuschließen. Wie Anfängerin? Nein, nein ich muss schon alle Voraussetzungen erfüllt haben bevor sie mich abzocken. Ob mir klar sei, dass ich ein 250 Seiten Skript zu lesen habe?? Die zwei anderen Typen mit ihren absurden Wünschen (Tauchen!?) bringen sie dann vollkommen aus dem Konzept. Als wir verwirrt von Dannen ziehen wollen, erfahren wir vom Chef noch telefonisch, dass unsere Vorstellungen an diesem Ort nicht verwirklichbar sind. Immerhin Klarheit.

    Wir verbringen also den restlichen Tag damit, das Internet umzudrehen, um eine andere Schule zu finden, die einen kompletten Anfängerkurs anbietet. Nach einer Koffeinüberdosis aus dem nächstbesten Café wanken wir als zitternde Zombies in die berühmte Foxy Bar, um das Koffein mit Rumpunsch auszugleichen. Mäßig erfolgreich: Cocktails überteuert, das Personal lahm, Wifi schlecht – das Ambiente ist allerdings einmalig und der Ortswechsel war es, jedenfalls für einen Drink, wert. Und wir finden schließlich mit den Blue Water Divers in Nanny Cay auf Tortola eine Tauchschule, die mich ausbilden will und unterdessen Jimi und Bernhard mit ein paar Tauchgängen bespaßen kann. In zwei Tagen gehts los! 

    Jost van Dyke

    Um die Wartezeit zu überbrücken zeigt uns Jimi die Welt des Ti-Punch: Man schneide ein Stück Limette in kleine Stückchen, gebe diese gemeinsam mit einem Teelöffel Rohrzucker in ein Glas und gieße es mit braunem Rum (vorzugsweise Mount Gay) auf. So verbringen wir von nun an die eine oder andere tatenlose Stunde. 

    Unsere Tauchpläne lassen noch Zeit für einen Abstecher nach Norman Island in die riesige Bucht The Bight. Hier liegt das berühmt-berüchtigte Partyschiff Willy T vor Anker – ein unwahrscheinlicher Ort. Zwei Minuten Dinghyfahrt entfernt von Mêlée werden wir in eine andere Welt gezogen. Mitten am Wasser hat man hier Wiener Gürtelflair. Wir nippen ein paar Caribs, probieren Conch Fritters, tanzen zu Musik der 2000er und Jimi und Bernhard springen schließlich vom ersten Stock des Boots ins Wasser. Der Vergleich mit Wien wirkt nach dieser Auflistung etwas weit hergeholt, das Ambiente des Willy-T trifft es aber genau. Der Rest des Abends verschwimmt zwischen Tarpons und Ti-Punches. Szenenwechsel.

    Norman Island

    Nachdem in der Nähe der Tauchbasis in Nanny Cay leider nicht geankert werden kann, verbringen wir früher als erwartet wieder zwei Tage in der Marina. Diese ist jedoch mit warmen Duschen, Pool, Café, Restaurant und letztendlich der Tauchschule so gut ausgestattet, dass sie ihr Geld tatsächlich wert ist. Beim Anlegen werden werde ich mit positivem Sexismus (A lady on the wheel!? I can‘t believe it!!) und nützlicher Hilfestellung vom Steg begrüßt. Wir stellen uns im Tauchshop vor und zur Abendgestaltung kocht Jimi uns einen unvergesslichen kreolischen Eintopf mit smoked herring und selbstgemachten Dumplings. Kaum zu glauben, dass ich das in Zusammenhang mit geräuchertem Fisch sage – es war köstlich! 

    Nanny Cay mit smoked herring und Virgin Cocktails

    Morgen beginnt meine Ausbildung zur Taucherin! Als Musterschülerin geh ich zeitig ins Bett (meine Crew nutzt auch gleich die Gelegenheit für einen ausgiebigen Schönheitsschlag). Was mich wohl erwartet? Die Schulbank drücken mit Theorie? Übungen im Marinapool? Hibbel Hibbel. Gute Nacht.