Nachdem uns Antonia und Robert jetzt doch schon vor einigen Wochen erfolgreich in Portimão abgeliefert haben, geben wir auch noch eine kleine Gedankensammlung zu dieser Überfahrt und den Tagen danach zum Besten:
Rückblick auf den Ozean:
Schon nach sehr kurzer Zeit auf See ist klar – zu viert ist besser als zu zweit! Auch wenn man nicht ganz so viel zum Schlafen kommt wie man es sich vielleicht erträumen würde, ist es diesmal doch erheblich mehr als wir gewohnt sind. Wir arbeiten nach dem Wachsystem 3 Stunden – 3 Stunden – 3 Stunden und die vierte Person übernimmt dann (meist nicht ausgeschlafen, aber immerhin weniger durchgefroren) bei Sonnenaufgang das Steuer (manch einer munkelt etwas über eine Scam-Schicht). Tagsüber steuern wir abwechselnd immer eine Stunde händisch, was Autopilot und Batterie ganz erheblich entlasten und uns gute Übung und Zeitvertreib bietet.



Steuern zum Zeitvertreib
Mehr als der nicht vorhandene Ladestrom aus Solarpanelen und Windgenerator beschäftigt uns an den ersten drei Tagen das Mysterium des verlorenen Wassers. Der Wasserzähler zeigt an, dass wir 90 Liter alleine am ersten Tag verbraucht hätten, was unmöglich wahr sein kann. Des Rätsels Lösung ist bis heute nicht bekannt, am wahrscheinlichsten ist ein sabotierender, blinder Passagier.
Da uns seit Ponta Delgada eine Mittelklampe fehlt, müssen wir uns bei achterlichem Wind eine neue Lösung als Preventer überlegen, um den Baum zu sichern – Robert bezeichnet die miese Konstruktion unabsichtlich, aber passenderweise als Pretender.
Das Konzept des comfort food für unangenehmere Tage ist uns kein neues – ganz allein ein Glas Nutella in drei Tagen zu verschmausen beeindruckt uns allerdings. Ich lasse jetzt mal offen, wer das Schleckermaul war.
Ein interessantes und für uns neues Phänomen tritt vorübergehend mitten auf dem Atlantik auf: 350 sm vor dem Ziel, also kurz nach Halbzeit, poppen plötzlich über 50 Schiffe auf dem AIS auf, die bis zu 400 sm entfernt sind. Zusätzlich können wir via VHF die abendliche Kommunikation (Gesänge, Pfeifen, Gröhlen, gegenseitiges Triezen etc.) der Fischerboote mitanhören, die vor den Küsten Portugals und Marokkos herumwuseln. Unser AIS und Funk kann technisch aber nur Signale bis 20 sm Entfernung aufnehmen. Wer eine Idee hat, wie das möglich ist, kann gerne mit uns darüber diskutieren. (Anm.: Wir wissen die Lösung bereits.)
Abseits der Flautentage stellt Pia ihr Talent als menschlicher Windmesser zur Schau, wobei sie schon bei geringer Zunahme den Kopf aus der Heckluke steckt, um nach dem Rechten zu sehen (Hau den Lukas mit Kontrollzwang). Kurz vor Ankunft stellt auch noch Bernhard seine navigatorischen Fähigkeiten unter Beweis, indem er über die Formel Feuer in der Kimm berechnet, dass der höchste Berg Portugals 20.000 m hoch ist.



Auch wenn uns die Flaute am halben Weg kurz ins Grübeln bringt (Haben wir genug Diesel? Machen wir einen Abstecher nach Madeira?) bevorzugen wir diese Situation gegenüber Sturm und Welle. Das war bisher unsere gemütlichste Überfahrt – danke Antonia & Robert, dass ihr diese Etappe mit uns gemeistert habt!
Rückblick aufs Festland:
Angekommen in Portimão will Pia gleich wieder weg, da es viel zu windig ist. Nachdem sich unsere durchgeschüttelten Gehirnzellen der Reihe nach alle wieder einschalten, können wir zuerst eine Dusche und dann eine Pizza in diesem touristischen Ort mit seinen weitläufigen, feinsten Sandstränden genießen. Die Nacht ist so ruhig, dass wir uns kurzzeitig sicher sind, in der Luft zu hängen und nicht mehr im Wasser liegen – Das ist eh ein Schwimmsteg, oder?





In den nächsten Tagen erkunden wir per Moped die portugiesische Südküste, a.k.a. Algarve. Von krassen Steilklippen mit Höhlenformationen bis zu malerischen Sandstränden ist alles dabei. In einem wenig touristischen Örtchen am Weg zahlen wir für 3 Expresso und 1,5 l Wasser bisher ungeschlagene € 3,90 – in einem äußerst touristischen Örtchen zahlen wir normale Preise für hervorragende Tapas.






Die Fahrten gestalten sich windbedingt recht anstrengend. Sagres, das wir bisher nur als Bier kannten, ist sogar berüchtigt für seinen ganzjährigen Starkwind, aber die tolle Kulisse mit nostalgischem (Rück-) Blick auf den Atlantik ist den Popokrampf wert.












Sagres (nicht der westlichste Punkt von Festlandeuropa)
Die gewonnene Mobilität nutzen wir auch, um die örtlichen Bootsbedarfsshops zu plündern und kaufen bei der Gelegenheit 62 m neue Festmacher. Damit vertäuen wir Mêlée sorgfältigst auf möglichst komplexe Art mit 12 Leinen (Vorleinen, Springs, Brustleinen und wie sie nicht alle heißen) am Schwimmsteg.


Schließlich stehen die Zeichen auf Abschied und Antonia und Robert ziehen weiter nach Osten. Wir erkunden noch per Uber die andere Seite der Lagune, wobei unser Uberfahrer auf dem Rückweg mit abwertender Handbewegung eine gut 2 m lange Schlange überfährt. Mit diesem Gefühl treten den Heimflug an. Nächstes Ziel ab Herbst: Zurück ins Mittelmeer!


