2 | Via Kroatien nach San Giorgio

Adriaüberquerung! Werden wir das andere Ufer erreichen?
Urlaub in Kroatien! Schmecken Ajvar und Karlovačko auch am eigenen Schiff?
Karma! Gibts das wirklich? Und was hat Safranrisotto damit zu tun?

in diesem Kapitel:

  • Kroatien auf eigenem Kiel

  • Karma Teil I

  • Langweilige Tage mit Alice & Wolfi

  • Karma Teil II

  • 25.09.2021 – 08.10.2021
  • Bari – San Giorgio (via Kroatien)
  • mit dabei: Richard
  • 390 sm
  • Drei andere Crews besucht
  • Kroatien auf eigenem Kiel

    Drei Wochen nachdem wir Mêlée in Bari zurückgelassen haben, kehren wir mit Richard als Begleitung dorthin zurück. Unser Schiff hat den Aufenthalt in der geschützten und sympathischen Marina Ranieri gut überstanden. Das zweite Kapitel der Überstellung nach San Giorgio planen wir nun weit weniger engagiert. Es beginnt mit einer ruhigen 24-stündigen Adriaquerung von Bari auf die kroatische Insel Vis. Danach sind für die nächsten zwei Wochen nur noch Tagesetappen geplant – Urlaub quasi.

    Diesmal steht eher der soziale Stress im Vordergrund. Wir kennen fünf Crews, die zeitgleich im selben Revier unterwegs sind und wir wollen möglichst alle irgendwann treffen.


    Der erste Schlag innerhalb des kroatischen Hoheitsgebietes führt uns, nach obligatorischem Anmeldungsprozedere bei Grenzpolizei und Hafenkapitän, bei besten Segelbedingungen nach Rogoznica. Vor der Insel Kaprije treffen wir am nächsten Tag Kathi, Flo, Roland und ihre Crew, die mit der Indiana unterwegs sind. Nach einem gemeinsamen Ankerstopp segeln wir alle weiter Richtung Murter.

    Auf der Strecke Vis – Rogoznica dreht der Wind so günstig, dass wir den Schlag praktisch ohne Änderung der Segelstellung zurücklegen können.
    Ankern am Päckchen vor Kaprije

    Auf dem Weg dorthin durchqueren wir eine Wettfahrt der Adriatic Sailing Week und winken unserem Lieblingsregattateam zu: Hallo Dieter, Martin, Thomas!! Sie sehen uns nicht – war bestimmt trotzdem ein wichtiger Beitrag zu ihrem Sieg. 

    Dank unserer riesigen Genua segeln wir bei Windgeschwindigkeiten von unter 10 kn am Wind noch mit 5 kn Richtung Sonnenuntergang – ein Traum. Kurz vor der Marina Jezera fahren wir noch an der Zieleinfahrt des Mariteam Cup vorbei, wo uns Stefan am RIB einen kurzen Besuch abstattet. Mêlée ist eine Poserin – besser hätte sie im Licht der Abendsonne gerade nicht aussehen können. Nach einem gemeinsamen Pizzaessen mit der Indiana-Crew besuchen uns Betti und Stefan zu später Stunde noch am Boot. Betti bringt großartigen, selbstgemachten Grappa und Stefan verrät uns eine der wichtigsten Lektionen für Bootseigner: Auf einem Boot kostet alles einen Tausender

    Naja, außer die Sachen die wirklich teuer sind. Da kommt Vorfreude auf für das im kommenden Winter geplante Refit. 

    Nach einer wechselhaften, teils stürmischen Überfahrt nach Pašman, geprägt von permanentem Ein- und Ausreffen, bringen wir am zweiten gemeinsamen Abend unser Lieblingsmanöver zur Anwendung: Zwei Boote an zwei Bojen, die (z.B. mithilfe eines schwimmenden Rolands) bis zum Schlafengehen Heck an Heck verbunden werden.

    Heck an Heck mit der Indiana

    Als Abendgestaltung gibt es eine Palatschinkenparty, bei der die Gasherde beider Boote auf Hochtouren laufen. Am nächsten Tag gehts dann weiter Richtung Norden, in den Kanal von Zadar.

    Uvula Soline, Pašman

    In den folgenden Tagen werden wir harte Lektionen in Punkto Karma erfahren, sowohl schreckliche als auch sehr nette Menschen kennen lernen, Mêlée erstmals zu zweit segeln und Alice & Wolfi treffen.

  • Karma Teil I

    Im folgenden wird ein Unfall ohne Personen- aber mit leichtem Sachschaden anschaulich (aber ohne Fotos) beschrieben:

    Freitag Nachmittag herrscht buntes Treiben vor Biograd während wir nach dem Abschied von der Indiana gemütlich Richtung Norden segeln. Vertieft in Diskussionen über den besten Zeitpunkt für die nächste Wende und gleichzeitiges Studieren der Seekarte übersehen wir, aufgrund unserer riesigen Genua, eine Sun Odyssey 34. Die Rufe der anderen Crew hören wir zu spät und ein koordiniertes Ausweichen ist nicht mehr möglich. Durch die geringe Relativgeschwindigkeit passiert wenig: Ein kleiner Kratzer auf ihrer Badeplattform – bei uns hat nur der Anker Kontakt. Trotzdem: Wie blöd ist das denn! Unser erster Unfall auf See und wir sind eindeutig schuld! Wir werden noch eine Weile hadern…

    Als Zeichen der Schuld schnappe ich im Affekt unsere (originalen) Unterlagen und wir übergeben den Unfallgegnern treibend unsere Dokumente, um Daten für die Versicherungen auszutauschen. Soweit ein normaler Unfall (dumm genug), aber ab hier wird es dubios.

    Die Crew der Sun Odyssey will die Unterlagen, auch nach vehementen Aufforderungen, nicht zurückgeben, weigert sich zudem, ihre Dokumente vorzuweisen und nötigt uns schließlich durch Einbehalten unserer Dokumente mit nach Sukošan, in ihre Charterbasis, zu fahren. Aufgrund des Zeitdrucks (Richards Heimflug) spielen wir, nach fruchtlosen Diskussionen und dem Hinterfragen der Rechtmäßigkeit dieser Machenschaft, mit. Einen kurzfristigen Liegeplatz in Sukošan zu bekommen ist schwierig und wir lassen Bernhard am Steg raushüpfen. Während Richard und ich gegenüber am Transitsteg anlegen, wird es für Bernhard in der Marina noch mal interessant.

    Die Unfallgegner haben sich bereits auf ihrem Schiff in Position gebracht, um ihn nun mit dem folgenden Anliegen zu konfrontieren: Wie Sie sehen, sind wir alte Menschen, und für dieses sehr traumatisierende Ereignis hätten wir gerne einen Ausgleich in Form von 250 € pro Person. Nach kurzem Schweigen und erwartungsvollen Blicken vergewissert sich Bernhard, dass niemand körperlich verletzt ist. Seiner Aufforderung, unsere gestohlenen Dokumente zurückzugeben, wird unter zunehmender Aufmerksamkeit und neugierigen Blicken der Nachbarcrews Folge geleistet. Statt der geforderten 1.000 € bekommen sie nochmals eine verbale Entschuldigung für den unglücklichen Vorfall. Bis heute haben wir glücklicherweise nichts mehr von diesen Menschen gehört.

    Bernhard einigt sich mit dem überaus entspannten Vercharterer der Sun Odyssey und seinem noch entspannteren Labradoodle auf einen Betrag für den entstandenen Schaden am Gelcoat, den unsere Haftpflichtversicherung in Folge anstandslos übernimmt. Die Chartercrew hat sich kurz davor auch im Charterbüro unbeliebt gemacht, indem sie (erfolglos) versucht hat, auch hier Geld aus der Sache herauszuschlagen.

    Was lernen wir daraus? Wichtige Dokumente dürfen wir nur in Kopie herausgeben – und manche Menschen sind einfach perfide.

    Einmal tief durchatmen, dann folgt eine Rochade – Bernhard wird an der Tankstelle wieder aufgegabelt, Richard verabschiedet und wir düsen kopfkratzend in den Sonnenuntergang.

    Petrčane bei Nacht

    Ein versöhnliches Ende findet dieser Tag zu später Stunde an einem einsamen Steg in Petrčane, knapp 10 km nördlich von Zadar. Der nächste Tag beginnt umso schöner in diesem ruhigen, beschaulichen Örtchen. Vor uns liegen ein paar entspannte Tag in denen wir Mêlée zum ersten mal nur zu zweit segeln.

    Petrčane bei Tag
  • Langweilige Tage mit Alice & Wolfi

    Aufregende Ereignisse machen die bessere Geschichte – für einen schönen Urlaub gibts aber nicht besseres als ein paar langweilige Tage.

    Nach ein paar Einkäufen und Hafenespressos legen wir bei wenig Wind in Petrčane ab. Wir nutzen die weitgehend flautige Fahrt Richtung Norden um zum ersten Mal die Genua (Vorsegel) mit dem Spibaum auszubaumen – eine beliebte Besegelung für die Atlantiküberquerung mit dem Passatwind im Rücken. Das Handling langt uns etwas Hirnschmalz ab, funktioniert aber schließlich bestens.

    Der Wetterbericht kündigt für die kommenden Tage Jugo an, den typischen konstanten Südostwind, der Wellen und Regen mit sich bringt. Es gilt die Route also taktisch zu planen, da wir die nächsten Tage eine Flottille mit der Cleo und ihrer Crew Alice und Wolfi bilden wollen, die von Pula aus starten, und nicht nur im Hafen abwettern wollen.

    Wir liegen schon ein paar Stunden an der Mole von Ilovik, als bei kontinuierlich stärker werdendem Wind Alice und Wolfi in aller Seelenruhe neben uns anlegen, als hätten sie nicht gerade ihre ersten 50 Seemeilen zu zweit an Bord hinter sich gebracht.

    Die lange Strecke, die sie am ersten Tag auf sich genommen haben sollte gleich am Folgetag belohnt werden: Nachdem uns der Jugo wie angekündigt erreicht, planen wir eine kurze Etappe nach Lošinj. Nach einer welligen Etappe mit Rückenwind legen wir uns an die Boje und können in der windgeschützten Bucht noch ein bisschen plantschen.

    Gegen Abend erklärt uns eine Crew, deren Bootshaken beim Versuch, an der Boje neben uns anzulegen, über Bord ging, dass sie schon den ganzen Tag vom Pech verfolgt sind, weil sie durchwegs direkt gegen den Wind fahren mussten. Gemeinsam mit Alice und Wolfi erlauben wir uns im Nachgang ein wenig Überheblichkeit, weil wir in der Planung eindeutig ein paar gute Entscheidungen getroffen haben.

    Lieblingsmanöver „Heck an Heck“ mit schwimmender Pia

    Aufgrund der anhaltenden stürmischen Verhältnisse in der Kvarnerbucht beschließen wir am nächsten Tag mit Rückenwind zurück nach Pula zu fahren und in Folge Istrien zu erkunden.

    Ruhe vor dem Sturm vor Poreč

    Nach einer regnerischen Nacht in Pula und einer Nacht im Bojenfeld von Poreč sollte in den nächsten beiden Tagen der Jugo einer Bora (böiger Nordostwind) weichen. Wir wollen daher frühzeitig Strecke Richtung Norden machen um von ihr nicht unangenehm überrascht zu werden. Frühmorgens verabschieden wir uns also wieder von der Cleo und begeben uns bei bereits nahendem Schlechtwetter nach Umag wo wir mit dem Ausklarieren an der Zollmole unsere Zeit in Kroatien offiziell beenden. Doviđenja!

  • Karma Teil II

    Zurück nach Italien! Um uns herum verdichten sich die dicken, dunklen Gewitterwolken, als wir die Zollmole in Umag verlassen. Ein paar Regentropfen bekommen wir schon ab, aber Wind soll erst in ein paar Stunden kommen. Aber wie oft richtet sich der Wind schon exakt nach der Vorhersage?

    Eine halbe Stunde später: Mit minimaler Besegelung kämpfen wir uns bei Platzregen, schlechter Sicht und Gegenwind über den Golf von Triest. Richtig unschön wird es, als Wasser nicht nur in unsere Stiefel gelangt, sondern auch ins Schiff. Die Ableitungen, der seit vielen Jahren defekten Klimaanlage, verstopfen und über die Lüftungsschlitze kommt schwallartig Regenwasser ins Innere. Auch wenn wir das Problem rasch in den Griff bekommen ist das ein Bild, das man keinesfalls sehen möchte.

    Grado in Sicht

    Halb erfroren und durchnässt erreichen wir etwa vier Stunden später die Dalbenstraße vor der Hafeneinfahrt von Grado, als uns ein Boot auffällt: Sie setzen die Genua und bergen sie sogleich wieder, ziehen Kreise zwischen den Dalben. Wir kommen näher und sie rufen uns wegen eines Motorschadens um Hilfe. Nach kurzem Zögern, aufgrund unseres verhältnismäßig leistungsschwachen Motors, bauen wir einen Hahnepot und schleppen die Yacht Pilgrim, eine wirklich hübsche X-442 mit deutscher Crew, langsam durch die Dalbenstraße.

    Wir schleppen die Pilgrim nach Grado.

    Später erfahren wir, dass die italienische Küstenwache zwar verständigt wurde, dort aber leider niemand deutsch oder englisch spricht. Ich rufe der Crew der Pilgrim über zwei Bootslängen durch den Wind meine Telefonnummer zu und wir besprechen telefonisch einen Ort und ein Anlegemanöver, das wir ein Weilchen später ganz sauber ausführen: Die Pilgrim legt seitlich an einer alten Mole kurz vor Grado an. Eine spontane Einladung zum Essen lehnen wir dankend, weil immer noch durchnässt, ab. Für uns gehts unmittelbar weiter durch die ziemlich beeindruckende, versteckte Einfahrt des Stadthafens von Grado, wo wir uns endlich mit einer heißen Dusche, Tee und Rum aufwärmen dürfen. 

    Am nächsten Tag legt die Pilgrim mit notdürftig geflicktem Motor (separater Kanister mit externer Dieselleitung) direkt neben uns im sonst ausgestorbenen Stadthafen an. Die ausgesprochen freundliche und dankbare Crew, bestehend aus Dietmar, Günter und Klaus, lädt uns nun erneut zum Abendessen auf ihr Schiff ein. Diesmal nehmen wir an – und würden es nicht bereuen.

    Einfahrt zum Stadthafen von Grado

    Ein paar Stunden später werden alle unsere Erwartungen weit übertroffen: Die Herren des Düsseldorfer Yachtclubs sind absolute Gourmets und fantastische Köche. Es wird uns nach dem Anstoßen auf die Ereignisse der letzten Tage ein viergängiges Menüs serviert. Zu jedem Gericht gib es Hintergrundinfos (z.B.: Dieser Mozzarella ist aus einem Spezialitätenladen in einem kleinen Ort am Gardasee, die Tomate dazu wurde aus 20 Sorten sorgfältig ausgewählt, um möglichst gut mit dem Käse zu harmonieren…) und natürlich jeweils einen dazu passenden Wein. Nach einem Safranrisotto gipfelt das Menü in einer mehrstündig geschmorten zarten Entenbrust. Diese ist nicht nur köstlich, sondern hat den praktischen Nebeneffekt, dass es bei herbstlichem Borawetter im Inneren der Pilgrim wohlig warm ist.

    Wir tauschen Seemannsgarn und Lebensgeschichten aus, wobei die Odyssee der Pilgrim, mit ihrem eigenwilligen Motor, eine eigene Erzählung wert wäre – aber das ist schließlich nicht unsere Geschichte. Wohl genährt und gewärmt sind wir gespannt auf den nächsten Tag, an dem das Auskranen in San Giorgio di Nogaro geplant ist.