9 Monate am Tockenliegeplatz in Italien: Was das mit einem Schiff und mit unseren Nerven macht, erfahrt ihr in diesem Kapitel.
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San Giorgio – home of Sunbeam
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Und wie wars am Meer? –
Das Boot liegt nicht am Meer sondern knappe 6 km im Landesinneren.
Diese vermeintlich sarkastische Antwort müssen wir in den letzten Monaten öfters mal geben. Ist aber die reine Wahrheit. Die Cantieri Marina San Giorgio di Nogaro liegt am Fluss Corno nördlich der Laguna di Marano – die Flusseinfahrt liegt genau zwischen Lignano und Grado. San Giorgio ist ein so kleiner, so abgelegener Industrie- und Hafenort, dass nicht einmal Raffaele, der gut vernetzte Vorbesitzer der Mêlée, ihn kennt. Auf unserer Karte ist eine ziemlich genaue Position markiert.Nach einer abnehmend windigen und teils noch regnerischen Fahrt durch die Flusslandschaft, die dem Marchfeld gar nicht so unähnlich ist, erreichen wir schließlich die Marina und legen an der vorgelagerten Tankstelle an.

Es folgt das komplette Anfüllen des Dieseltanks (gegen Dieselpest) und das komplette Entleeren der Wassertanks (gegen Zufrieren der Leitungen). Dann gehts auch schon Richtung Kranlift. Auch wenn wir das schon beim Gutachten in Genua erlebt haben, ist es wieder beeindruckend und ein bisschen gruselig, wie 12 Tonnen mit nur zwei Gurten angehoben und spazierengeführt werden.

Bei der direkt folgenden Grobreinigung des Unterwasserschiffs zeigt sich, dass wir in den letzten Wochen durch den starken Bewuchs am Propeller wohl nicht sehr geschwindigkeitseffizient unterwegs waren. Außerdem bestätigt sich die Notwendigkeit einer Grundsanierung des Unterwasserschiffs, da sich die übereinander aufgetragenen Schichten der letzten Jahre schon ablösen.

Wir erhalten unseren endgültigen Landliegeplatz und schließen die Check-In-Formalitäten im Marinabüro ab. Nach einem ersten Erkundungsgang über das Werft- und Marinagelände belohnen wir uns im zugehörigen Restaurant mit einem (Land-)Anlegeschluck. Als Hausbier wird Stiegl serviert. Die Partnerschaft der Marina mit der Salzburger Sunbeam-Werft ist der Hauptgrund, warum wir gerade diesen Ort für die anstehenden Reparaturen und Upgrades ausgewählt haben. Sunbeam wiederum hat San Giorgio aufgrund seiner geographischen Lage als Partner gewählt – es ist von Salzburg aus der nächstgelegene Punkt am Mittelmeer.

Propeller nach einmaligem Abspülen Es folgt noch am selben Tag ein Gespräch mit dem technischen Leiter der Werft, unsere Pläne und Vorstellungen betreffend. Ein kleiner Überblick unserer ersten Wünsche:
- Komplettsanierung des Unterwasserschiffs
- Ausbau der defekten Klimaanlage
- Befestigung und Abdichtung der Relingsstützen
- Reaktivierung des Cockpit-Kompasses
- Tausch bzw. Service diverser Luken
- Installation von Sprayhood und Bimini
- Einbau einer Wasserentsalzungsanlage
- Installation von Solaranlage und Windgenerator
- Einbau eines Wasserindikators
- Installation einer Salzwasserfußpumpe
- Wartung der Gas- und Ruderanlage
- Motorservice insbes. Reparatur des Auspuffs
Manche vom Gutachter als kompliziert eingestufte Projekte sollten sich als einfacher als geplant herausstellen, manche als komplizierter als erwartet oder gar unmöglich und manche als leicht umsetzbar aber erschreckend teuer.
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Winter im Schnelldurchlauf
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Bei 5°C und Nebel in die Decke einmummeln, bei -5°C um den Heizlüfter drängen – nicht gerade was man sich als Start in ein Segelabenteuer erwartet, aber eine emotional treffende Beschreibung unserer letzten Monate. Insgesamt 5 Mal fahren wir zwischen Oktober und Mai die 5 Stunden nach San Giorgio und erledigen mehr oder weniger relevante Kleinigkeiten. Ein Highlight, im wahrsten Sinne des Worts, ist die neue Beleuchtung: Ein paar hässliche Lampen werden ausgetauscht, alles auf LED umgestellt und nach langer Recherche finden wir goldene Leselampen mit USB Steckplatz (beide Kriterien waren mir ein großes Anliegen). Deren Montage und Verkabelung fühlt sich für uns, als komplette Elektriknoobs, schon wie ein ziemlicher Erfolg an.

Bordelektrik 101 Weniger erfolgreich gestaltet sich die Kommunikation mit der Werft. Von Monat zu Monat fragen wir nach wann wohl welche Arbeiten erledigt werden, was schon gemacht wurde, wann wir eine Rechnung bekommen, ob sich eh noch alles ausgeht bis Juli, ob wir helfen können, wann endlich was gemacht wird,…!! Der Werftleiter erklärt uns dann mehrmals warum es Verzögerungen gibt, was schon alles im Laufen ist und dass wir viel entspannter sein müssen weil sich das alles bis Juli zehnmal ausgeht. Leichter gesagt als getan…

Aussicht aufs WC vom Trockenliegeplatz Nachdem alles in allem über den Winter wenig Aufregendes passiert ist eine ruhmlose Anekdote zum Abschluss: Unsere Arbeiten am Boot beziehen sich insbesondere darauf Gegenstände aus der Wohnung aufs Schiff und Gegenstände vom Schiff in die Wohnung zu transportieren – oft auch hin und wieder zurück. Nach der 5-stündigen Anreise mit vollgepacktem Kofferraum (was im Renault Twingo keine besondere Leistung ist) und weiteren 5 Stunden abwechselndem Arbeiten und Prokrastinieren am Boot wollen wir uns vor dem obligatorischen Pizzaessen umziehen – hm, wo ist eigentlich die gelbe Tasche? Facepalm. Unter all dem Transportgut haben wir einfach unsere Reisetasche mit Gewand zu Hause vergessen. Der nächste Weg führt also in den 1-Euro-Shop des örtlichen Einkaufszentrums und wir statten uns mit qualitativ fragwürdiger Kleidung für den Abend und die, dann doch einen Tag früher stattfindende, Heimfahrt aus.
Sonnenstrahlen werden sinnvoll genutzt.
Im Juni sollten zum Endspurt weitere Besuche mit etwas wenige nach-dem-Rechten-Sehen und mit tatsächlichen to-dos stattfinden.

Zeit zum Aufhübschen vor dem großen Chaos -
Nur mit Reservierung
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Hui, nur noch 6 Tage. Die wichtigste Nachricht zu Beginn: Das Schiff ist im Wasser! Am Pfingstmontag darf Mêlée nach 8 Monaten am Trockenliegeplatz in der Werft wieder zurück in die Cantieri Marina am Fluss Corno. Der für Samstag angesetzte Krantermin wird kurzerhand auf Montag verschoben. Das überrascht uns nur noch wenig.

Poleposition vor dem Kranen Überraschender ist, dass die Werftmitarbeiter Freitag, Samstag und Montag auf Hochtouren arbeiten – teils gleichzeitig zu viert an Bord an unterschiedlichen Baustellen. Haben sie sich doch im Zeitplan verschätzt, oder ist es wirklich angenehmer auf den letzten Drücker bei 30°C?

Glanzpolitur Naja, am Montag um 16:30 Uhr ist der Moment gekommen. Mêlée wird mit dem Travellift hochgehoben und im Wasser wieder abgesetzt.

Ein Kontrollgang eines Arbeiters am Schiff und Mêlée wird kurzerhand wieder hochgehoben. Aufgeregte Diskussionen von fünf Männern, die unter dem Schiff unseren Tiefenmesser begutachten, der wohl leckt.

Männer, die auf einen Tiefenmesser starren Das Problem lässt sich dann aber rascher lösen als erwartet. Da der Motor noch nicht einsatzbereit ist (Wärmetauscher und Auspuff sind noch in der Werkstatt) wird Mêlée relativ ungeschickt, von einem Gummiboot begleitet, auf den Wasserliegeplatz gezogen, gedrückt und geschoben.

Mêlée kurz vor dem wichtigen Etappenziel Wasserliegeplatz Auf unsere Frage, ob das kleine Problem mit dem Lotgeber denn gelöst wurde antwortet der Mechaniker beim Verlassen des Schiffs: It should be ok for now. Hmmmm…
Während wie oben erwähnt noch viel am Schiff gearbeitet wird, gehen wir höflich den Mechanikern, Installateuren, Tapezierern, Elektrikern, Polierern und Rudi aus dem Weg und verbringen unsere Zeit dafür am Pool der Marina.

Rudi Während wir Zeit totschlagen, beobachten wir die pool lady beim Zeit totschlagen:
12:45 Ankunft Bernhard und Pia am Marinapool. Zwei sonnenbadende Gäste sind anwesend, 49 Sonnenliegen sind unbenutzt. Die Pool-Lady hält uns mit der Frage nach einer Reservierung auf. Wir schauen fragend, sie rollt mit den Augen, gewährt uns aber die nachträgliche Reservierung für heute. Wir reservieren gleich auch für den nächsten Tag, weiter im Voraus ist leider nicht möglich. Dank der Eintragung in die Reservierungsliste ergattern wir zwei Liegen, dann sind nur noch 47 frei. Dann einsames Baden im Pool. Die Sonnenbadenden verlassen das Gelände, drei neue tauchen auf – nur noch 46 Liegen frei. Die Pool-Lady beginnt mit ihren Tätigkeiten: Pool reinigen, Rasensprenger aufdrehen, eingehendes Studieren der Reservierungsliste mit insgesamt drei Namen darauf, Sonnenliegen waschen, Boden schrubben. Dann alles wieder von vorne. Ihr T-Shirt gibt preis, dass sie wohl auch Rettungsschwimmerin ist. Die maximale Tiefe ist 1,40 m, aber sicher ist sicher.

Marinapool Zeitsprung.
16:30 Pia und Bernhard sitzen an der Poolbar. Es regnet, doch das schreckt pool lady nicht ab. Sie wäscht 40 Minuten lang im Nieselregen die Liegen. Dann wieder der Rasensprenger, die Reservierungslisten studieren, Pool reinigen. Wir sitzen unter dem Regenschirm und sind fasziniert von dieser Konsequenz.

#blogginglife Der nächste Tag
11:00 pool lady reichts mit uns. Wir sollen nicht nach Lust und Laune vorbeikommen und uns auf die Liste eintragen, sondern tunlichst am Vormittag anrufen und telefonisch unsere ausländischen Namen buchstabieren, damit sie uns auf die Liste schreiben kann. Dazu ein Limerick:
Die Lady beim Pool ist ganz alleine.
Sie putzt die Sonnenliegen und Bodensteine.
Nur mit Reservierung ist ein Platz zu kriegen.
Sie putzt auch im Regen die leeren Liegen.
Badegäste gibt es keine.In den Mittagspausen der Arbeiter und am Sonntag können wir auch noch ein paar Kleinigkeiten am Boot erledigen. Alle to-do Listen sind über Bord geworfen und wir versuchen noch ein paar nervige Tasks fertig zu kriegen.
Unsere letzten Wochen an Land bestehen aus Bootsbedarf besorgen (hier noch Polierpaste, dort ein Weichschrubber, da noch ein neues Fall,…), Ausräumen der Wohnung und Verfrachten unseres Hab und Guts in Bernhards früheres Kinderzimmer und aufs Schiff. Eine schwierige Planung: Ok, das Ziel ist die Karibik, Start im Mittelmeer ist im Juli – wie viele Pullis brauch ich!? Wie viele Pfannen sind praktikabel? Und wie viele Bücher sind zweckmäßig und wann wird es prätentiös? Es wird sich weisen.

























