Unser drittes und hoffentlich letztes Kapitel zum Thema Italien. Seit Juli hat es bis Griechenland für uns nur Kurs Süd gegeben. Ab jetzt heißt es: Go West! Viel Spaß mit dem Ohrwurm. Am Menü stehen auf dieser kulinarischen Entdeckungsreise Sizilien und Sardinien - doch was nähert sich da von Norden!?
- 12.08.2022 – 03.09.2022
- Lefkas, Griechenland – Alghero, Sardinien
- 854 sm
- Mit dabei: Tamara, Reini, Roland, Uschi, Pez
- ein abgewetterter Mistral
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Zwei heiße Nächte in Palermo
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Wir schwitzen in Palermo. Eine kritische Entscheidung steht an: Überfahrt nach Sardinien im Sturm oder eine Woche Festsitzen auf Sizilien. Dazu ist noch eine Reparatur ausständig, die in kurzer Zeit organisiert und erledigt werden muss. Aber eins nach dem anderen.
Nachdem uns Andi und Benni verlassen haben, machen wir mit Jan, einem Mitarbeiter der ARC, eine virtuelle Sicherheitsinspektion unserer Mêlée. Das ist nicht nur sehr hilfreich, sondern macht richtig Spaß und wir haben jetzt einen sehr genauen Plan was uns noch fehlt, um fit für den Atlantik zu sein.
Am nächsten Tag, Freitag Vormittag, starten wir unsere bisher längste Überfahrt von Lefkas in die Straße von Messina – und das nur zu zweit. Der Schlag hat von allem etwas: Die beiden ersten Tage können wir weite Strecken entspannt bei Halbwind segeln. Die beiden Nächte und Tag 3 sind (unent)spannender. Die erste Nacht ist gezeichnet von Gewittern. Genau auf unserer Route eine Wand von Blitzen. Mit Hilfe des Radars manövrieren wir uns trockenen Fußes und ohne Detonationen durch die Zellen. Es fühlt sich kontrolliert und trotzdem absolut unheimlich an! Ab dem Sonnenuntergang an Tag zwei sind Wind und Welle gegen uns. Um 1:20 Uhr passiert es: Beim Versuch die Genua zu setzen löst sich die Rollanlage vom Vorstag und die Genua rauscht aus. Das heißt: Volles Zeug bei stärker werdendem Wind ohne Reffmöglichkeit. Wir gehen auf Nummer sicher und bergen die Genua über das Fall – ein Kraftakt bei 20 kn Windgeschwindigkeit. Mit dem Motor geht es dann noch 20 Stunden weiter gegen die Welle. Um 21:20 liegen wir nach 280 sm in der Marina Villa San Giovanni, die wir schon vom letzten Jahr kennen. Bier, Pizza, Schlafen.








Lefkas bis Villa San Giovanni
Und wenn die Suche nach einem Reparaturservice in diesem kleinen Örtchen fehlschlägt, welchen Weg wählt ihr dann? Wenn der Genuafurler euch in die Knie zwingt, wagt ihr dann einen noch gefährlichen, stinkenden, dreckigeren Weg? (Frei zitiert)
Palermo…
Ich glaub es ist in der Vergangenheit schon herausgekommen, dass wir nicht die größten Fans von Italien sind (vom Essen abgesehen). Der Gipfel ist aber Palermo. Als wir diese – Sie nennen es „Stadt“ – 2018 besucht haben, haben wir eigentlich gehofft ihr für immer den Rücken gekehrt zu haben. Und doch: 24 Stunden später sitzen wir nach einer gemütlichen Überfahrt in Palermo. Und schwitzen.



Die Küste entlang von Villa San Giovanni bis Palermo
Zunächst die Reparatur der Reffanlage: Dank unserer separat zu bedienenden Sturmfock können wir während der Überfahrt etwas segeln. Wir versuchen abzuschätzen, was die Reparatur der Genuarollanlage wohl kosten wird und nachdem wir das genaue Problem nicht kennen, liegen unsere Schätzungen zwischen 100 € (ein ehrfurchtgebietender Blick des Riggers) und 4.000 € (ein komplett neues System einbauen lassen). Oft liegt die Wahrheit in der Mitte, aber manchmal läuft auch mal was gut. Die Reparatur ist in Kürze erledigt, von einem freundlichen und kompetenten Fachmann mit dem wir uns vorab über WhatsApp Details ausmachen. Letztlich fehlen nur sechs Schrauben (wie viele davon zum Zeitpunkt des Zwischenfalls wohl noch da waren?) und es kostet gerade einmal 150 €. Glimpflich.
Dann ist da noch der Sturm: Das Wetter gibt uns ein Fenster von rund 48 Stunden Südwind bevor der nordwestliche, extrem starke Mistral einsetzt und eine Überfahrt nach Sardinien unmöglich macht. Der vorhergesagt Südwind ist jedoch auch nicht ohne und auch der Marinero in Palermo schluckt als er hört, dass wir noch übersetzen wollen. Das nächste Wetterupdate sagt 60 kn in Böen voraus – damit hat sich das Thema Überfahrt vorerst erledigt. Wir müssen zwar unseren Zeitplan über Bord werfen und unsere nächsten Gäste auf Sardinien um mehrere Tage vertrösten, doch die Erleichterung, nicht zwei Nächte durch den Sturm zu segeln, überwiegt in dem Moment. Wir bleiben also in Palermo und schwitzen weiter – von hier an aber nicht wegen des Zeitdrucks und, ja ich würde es emotionalen Stresses nennen, sondern wegen der vorherrschenden 40°C.



Schlechte Aussichten für die Überfahrt nach Sardinien
Palermo selbst ist keine Perle, bleibt uns aber doch deutlich besser in Erinnerung als vom letzten Besuch: Die Marina ist klein aber fein, der Marine Shop hervorragend ausgestattet (viele todos gekauft zum Abwettern) und das kulinarische Bingo aus Arancini, Cannoli und Zitroneneis lässt sich auch rasch auftreiben.
Nach zwei Nächten geht es etwas planlos weiter Richtung Westen an dieses eine Kap ganz im Nordwesten von Sizilien – wo sind wir eigentlich? Hübsch ist es jedenfalls. Noch vor Einsetzen des Mistral beobachten wir mehrere Brände an der sizilianischen Nordküste, wobei kurz sogar Asche auf uns herab regnet.











San Vito Lo Capo
Weiter geht es auf die interessante Insel Favignana im Westen von Sizilien. Türkisblaues Wasser, aber Schwell in unserer Bucht. Ein ähnliches Bild zeichnet sich heute auf Marettimo ab, wobei wir nach einmaligem umparken und adjustieren nun auf eine ruhige Nacht hoffen dürfen und dann hoffentlich morgen Früh Richtung Sardinien starten können. Stück für Stück pirschen wir uns in den letzten Tagen an unser Ziel heran und haben unsere geplante Überfahrt schon um etwa 50 sm verkürzt. Wir erwarten eine unruhige See, wenig Wind von vorn und langsam voranzukommen. Sardinien wir kommen – geschüttelt, nicht gerührt.




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Wie die Sardinien
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Die Überfahrt von Sizilien nach Sardinien verläuft besser, als ich es zu hoffen gewagt hätte. Schon viel Flaute, aber moderate Welle und ein paar Highlights, wie der beeindruckend sternenklare Nachthimmel. An Tag 2 werden wir kurze Zeit von Delfinen begleitet. Mindestens 8 besonders lebensfrohe Exemplare eskortieren uns und springen wie verrückt in unserer Bugwelle umher, dass sie sich fast überschlagen.



Sizilien bis Sardinien
Am Dienstag Abend erreichen wir mit letztlich nur zwei Tagen Verspätung den Hauptort Cagliari und dürfen endlich Tamara, Reini und Roland an Bord begrüßen. Zum ersten mal zu fünft an Bord wird ein spannendes Experiment – zum Glück haben wir Übung in Tetris!
Die nächsten Tage verbringen wir damit zu ankern, genuesische Wachtürme zu sammeln und vor Quallen zu flüchten. Wir genießen außerdem das Ende des Hochsommers – in einer Nacht müssen wir sogar einmal eine Luke zumachen! Wir ankern in den Buchten Capo di Pula in der Bucht von Cagliari, Teulada und Punto di Torre Cannai. In Teulada werden wir beim Frühstück erneut von Delfinen besucht. Delfine so nah am Ankerplatz haben wir noch nie gesehen und wir sind so überrascht, dass es nicht mal Fotos gibt. Zum Glück haben wir den ursprünglich gewählten Ankerplatz mit karibisch anmutendem, türkisblauem Wasser aufgegeben, da es uns in diesem paradiesischen Höllenloch zu windig war.





Südsardinien
In Punto di Torre Cannai auf der Insel San Antioco sehen wir uns einen der unzähligen Genuesischen Wachtürme mal aus der Nähe an. Beim Landgang verliert Bernhard ein Stück von seinem Finger und Reinhard spießt sich eine Kaktusfrucht durch seine Hand (dramatisierte Darstellungen) nachdem Tamara ihn wenige Minuten zuvor vor den kleinen, fiesen Dornen gewarnt hat. Alles in allem ein ganz netter Ausflug.








San Antioco
Reini lernt segeln. Nachdem er sich seit mehreren Jahren erfolgreich davor gedrückt hat, uns am Schiff zu begleiten („Masterarbeit“, „Corona“,…), muss er jetzt jedenfalls Interesse heucheln. Reini hat in der Bootsfahrschule gelernt:
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*Liste bitte nicht als Lernunterlage verwenden – manche Begriffe sind alternative Wahrheiten

Zum Abschluss der mistralbedingt verkürzten Woche besuchen wir das kleine, nette Städtchen Carloforte auf der Insel San Pietro, bevor es 5 Seemeilen zurück nach Sardinien geht, wo unsere Crew uns in Portoscuso verlässt. Wenige Stunden später kommen auch schon Uschi und Pez mit den Motorrädern angerollt und wir dürfen ihnen für wenige Tage unser alternatives Fortbewegungsmittel näher bringen.
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West coast
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Wrap up zum letzten Sonntag
Chaos, Unverständnis und 20 Knoten Wind herrschen, als wir in der Marina Portoscuso gebeten werden, unseren gerade erst bezogenen Liegeplatz doch noch einmal zu wechseln. Tatsächlich gelingt es uns auch im dritten Versuch nicht, an dem vorgeschlagenen neuen Liegeplatz am Fingersteg anzulegen. Seitenwind, enge Manövrierverhältnisse und unser Radeffekt verhindern es, sodass wir erneut, 10 Meter neben dem ursprünglichen Platz, längsseits anlegen. Das alles passiert, während das Flughafentaxi für Tamara, Reinhard und Roland bereits wartet. Aus einem entspannten wird also dank der ungeduldigen Marineros ein überstürzter Abschied. Einen (gefühlten) Augenblick später rollen bereits Uschi und Pez auf zweifelhaft legalem Wege mit den Motorrädern in der Marina ein. Zur Begrüßung: Bier & Burger.
Das Programm für die kommenden Tage lautet: Landrattentaugliche Urlaubsetappen und Einführung in die Segelei. Der Plan geht auf – es geht in einstündigen Schlägen bei gut segelbaren Verhältnissen zunächst zurück nach Carloforte auf der Insel San Pietro, wo wir diesmal auch rechtzeitig in einer Pizzeria reservieren, köstlich dinieren und am nächsten Tag noch ein paar malerische Ecken des Ortes entdecken. Am nächsten Tag mit etwas mehr Wind in den Norden von Sant‘ Antioco für einen Ankerstop, dann schließlich mit Rückenwind zurück nach Portoscuso. Von allem etwas – ein gelungener Kurztrip, und wir winken Uschi und Pez zum Abschied, die ihre einspurige Heimreise auf mehrere Etappen antreten.
















Portoscuso bis Carloforte und zurück
Charge!!!
Die rote Ladekontrollleuchte am Motorpanel belästigt uns schon seit einigen Tagen, weshalb wir bereits an den wohl nötigen Austausch unserer Starterbatterie denken. Nach dem Ablegen von Portoscuso, um Sardiniens Westküste Richtung Norden zu erkunden, leuchet es jedoch erstmals im Dauerzustand (und wird auch heller?), und diesmal haben wir tatsächlich ein Problem, denn die Spannung beider Batterien nimmt trotz sechsstündiger Motorfahrt immer weiter ab. Es folgt also eine vermeintlich gezwungene Fahrt im Regen in die entlegenen Marina Oristano, wo es weit und breit nichts gibt außer einen Getränkeautomaten und einen kaputten Geldwechselautomaten, was die Benutzung von erstgenanntem erschwert. Wir vereinbaren einen Termin mit einem Techniker für den nächsten Morgen, den wir schließlich dank einer erfolgreichen DIY-Reparatur (Danke an Richard für die technische Beratung) wieder stornieren. Es war nur ein loses Kabel an der Lichtmaschine.




Oristano im Regen
Dann also keine Zeit verlieren, raus aus Oristano und weiter Richtung Norden. Die Bedingungen sind zur Abwechslung einmal so gut, dass wir statt der geplanten zwei Stunden noch vier weitere Stunden nordwärts segeln. Für uns als penible Planer doch was Besonderes! So ankern wir schließlich vor dem Hafen von Bosa, wo wir dann leider eine eher unangenehme, weil schaukelige Nacht verbringen. Sechs Stunden wunderbares Segeln können dadurch aber nicht getrübt werden.



Schön aber schaukelig vor Bosa
Alghero
Zweckmäßig, ohne jede Erwartung, allerdings mit Empfehlung unseres Hafenhandbuchs und von Pez gemäß Hörensagen, haben wir Alghero als unseren letzten Hafen vor der Überfahrt auf die Balearen auserkoren. Das bedeutet auch: Alghero wird der Ort sein, an dem wir Italien nun endgültig hinter uns lassen. Versöhnlicher könnte der Abschied kaum sein. Die Stadt überrascht uns und sie ist wahrscheinlich unser bisheriges Highlight. An der Altstadtmole können wir 2 Tage gratis liegen – ohne jegliche Infrastruktur aber sehr gut geschützt. Dass es sowas tatsächlich gibt! Mit optimaler Ausgangslage erkunden wir also die sehr beschauliche Stadt und können diverse länger anstehende Einkäufe und Arbeiten am Schiff erledigen, z.B. unseren ersten Ölwechsel und die Wartung der Genuawinschen.
















Angemessener Abschluss: Alghero
Heute, an dem Tag, an dem wir seit genau 2 Monaten auf unserem Schiff leben, verlegen wir unseren Liegeplatz noch einmal um ein paar Meter, um vor der Überfahrt mit unserem gerade eingetroffenen Gast Andreas (und damit Andi Nummer 3) noch einmal die Vorzüge einer Marina genießen zu können. Morgen werden wir dann also zu dritt zu der rund 40-stündigen Fahrt Richtung Balearen aufbrechen und dann erstmals die spanische Flagge setzen. Die Wetterlage scheint günstig. Ciao Sardegna, Arrivederci Italia!

