Wir wagen das letzte Stückchen orcainvasierten Atlantik, das zwischen den Azoren und europäischem Festland noch vor uns liegt. Wir nehmen Abschied von unserem Leben als kleine Abenteurer und bereiten die Socken mit Sandalen vor für Südspanien und Malle.

- 03.07.2025 – 25.07.2025
- Vila do Porto, Santa Maria – Portimão, Portugal
- 890 sm
- 0 angeknabberte Ruderblätter
- mit dabei: Antonia, Robert
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Adeus Açores
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Robert & Antonia auf großer Fahrt
Ein Gastbeitrag:
Alles begann 2022 mit einem: Robert, eine Bekannte macht eine Atlantiküberquerung mit dem Segelboot!
Da eine Atlantiküberquerung schon lange auf Roberts bucket list stand, überzeugte er mich nach der Rückkehr im Sommer 2023 von besagten Bekannten (Pia, Bernhard und ihrem Boot Mêlée) mit den beiden auf ein Bier zu gehen und sie zu ihrem Abenteuer auszufragen. Dann? Passierte… nichts. Der Segeltraum wurde mangels Boot, Zeit und Gelegenheit erst mal wieder hintenangestellt.
Fast forward, März 2025, bekomme ich (Antonia) ein WhatsApp-Nachricht von Pia: Was machen denn eigentlich eure Segelpläne? Wenig später sitzen wir wieder zu viert bei einem Bier. Pia und Bernhard erzählten von ihrem Plan, ihr Boot Mêlée nach dem Abenteuer Übersee im Sommer 2025 von den Azoren zurück nach Festlandeuropa zu segeln. Wir sind mindestens so überrascht von der Anfrage, sie zu begleiten, wie sie von unserer sofortigen Begeisterung, unseren Sommerurlaub mit einer Langfahrt verbringen zu wollen – was jetzt nicht im klassischen Sinne in die Kategorie erholsamer Urlaub fällt. Robert und ich sind uns am Nachhauseweg sofort einig: Das ist eine einmalige Chance – die schlagen wir auf gar keinen Fall aus!
An dieser Stelle ein kurzer Realitätscheck zu unseren Segelkenntnissen:
- Robert: diverse Mittelmeertörns, beim A-Schein mit der Jolle gekentert
- Antonia: eine Woche Kroatien auf einem Katamaran, davon etwa eine Stunde unter Segeln; Genua ist eine Stadt in Italien
Um uns auf die Überfahrt vorzubereiten, absolvieren wir eine Woche vor Abreise noch ein Segelsicherheitstraining. Danach sind wir uns sicher, dass wir bestenfalls aufgrund eines Lecks die Klotür mit einer Axt zerhacken und von außen an den Rumpf schrauben müssen – schlechtestenfalls nach Mastbruch in der Rettungsinsel sitzen werden.

Robert & Antonia kapern unseren Blog
Ein reclaim:
Wenn wir mit Mêlée in der Vergangenheit längere Zeit an schönen Orten verbracht haben, waren wir am Ende meist doch froh, weiterzureisen, getreu nach unserem Motto: Nichts wie raus aus diesem paradiesischen Höllenloch.
Diesmal fühlt es sich aber anders an, da wir die Azoren wirklich ins Herz geschlossen haben. Wehmütig verbringen wir zum (vorerst?) letzten Mal eine Nacht in Ponta Delgada, bevor wir zum (vorerst?) letzten Mal auf Santa Maria landen. Wir finden Mêlée in der Marina wie erhofft am Trockendock in pole position vor und werden gleich am nächsten Tag ins Wasser gekrant.




Mêlée ist insgesamt in einem guten Zustand, es bahnt sich aber ein kleines Problem mit der Bordbatterie an, die zwar voll geladen ist, sich aber vehement weigert, ihre Volts und Amperes herauszurücken.
Wir lassen uns aber von solchen Lappalien nicht beirren und treten unsere langersehnten, weil uns letztes Jahr verwehrten, Tauchgänge an. Der erste Spot ist ein exponierter blue water Tauchgang, bei dem uns eine Familie majestätisch dahingleitender Riesenmantas begrüßt. Der zweite Tauchgang führt uns in ruhigere und gewohnte Gefilde, einem küstennahes Riff mit den üblichen Küstenriffbewohnern und dem drittgrößten Stachelrochen der Welt.






So machen Robert und ich uns Anfang Juli auf den Weg nach Santa Maria, wobei wir beim Flug vielleicht ein bis zwei Mal auf den Ozean schauen und denken: Puh – ganz schön viel blau und weit da unten.
Auf der Insel angekommen nehmen uns Pia und Bernhard in Empfang und es startet unsere Einführung ins Bordleben – von Level 1 (Mistkübel mit der rechten Hand öffnen) bis Level 100 (Temperatursensor der Lithiumbatterie desintegrieren).
Zudem lernen wir neues Bordvokabular:
- Kevin = Ankerlicht
- Gernot = Möwe
- Dibln = provisorisch reparieren (vorzugsweise mit viel Duct Tape)
- Rudi-Lehner-Menü = kleines Bier + Espresso


Und wir lernen an Anschauungsbeispielen zwei essenzielle Bordregeln:
- Nichts verbessern, was funktioniert.
- Bis zur Abfahrt wird nie alles funktionieren.
Am Abend vor dem Ablegen gibt es noch Referate zum Sundowner – damit wir auch ein Minenräumungsboot zweifelsfrei identifizieren können – und zentrale Fragen zum Stuhlgang an Bord werden detailliert besprochen. Stichworte: Drüberleger & Streichresultat (Details überlassen wir der Fantasie).
Nach einer Woche auf Santa Maria können wir sagen, dass wir alle Supermärkte (4 Stück) von Vila do Porto erfolglos nach Tomatenmark abgeklappert haben und das Sortiment des einzigen Baumarkts der Insel auswendig kennen. Es hält uns also nichts mehr hier, somit machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein und mit nagelneuen Segeln auf den Weg nach Festland-Portugal.

Nach dem Tauchen erwarten wir hochfreudigst unsere Gäste Antonia & Robert. Sie haben sich irrwitzigerweise bereit erklärt, die Überfahrt nach Portimão an der Algarveküste mit uns zu bestreiten, weshalb wir dieser entspannter entgegenblicken als der letzten, eher unlustigen Langetappe (Bermuda – Azoren).
Mit nur einem Jahr Verspätung setzen wir endlich unsere brandneuen Segel, inspizieren & schmieren unsere selbst geflickte Ruderanlage nochmal gründlich und machen das Schiff bereit für die hohe See. Da wir mit Robert glücklicherweise einen ambitionierten Bastler an Bord gelockt haben, gelingt es uns sogar den Endgegner in Form der widerspenstigen Lithiumbatterie zu zähmen, indem wir sie davon überzeugen, dass das Konzept Temperatur nicht existiert.


Der Solaranlage, die wir zuletzt in Fahrt zusammengediblt haben, verpassen wir ein paar neue Adernendhülsen und Steckverbindungen. Danach funktioniert sie leider nicht mehr. Im Kampf mit dem Laderegler geben wir uns schließlich geschlagen, was dank der mittelgradig potenten Lichtmaschine und erwartetem, flautebedingtem Motoren zu verkraften ist.
Nach einem letzten abendlichen Landgang und der folgenden Flucht vor den Riesenkakerlaken, die auch mal gerne in der Kloschüssel lauern und von dort aus Angst und Schrecken verbreiten, werfen wir am nächsten Tag, dem 11. Juli um 11:00 die Leinen los und lassen Santa Maria und damit die Azoren schließlich und (vorerst?) endgültig hinter uns.










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Überfahren leicht gemacht
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Noch ein Gastbeitrag:
Schon in den ersten Stunden unserer Überfahrt mit Kurs auf Portugal ist die komplette Tiersichtungswunschliste erfüllt: Delfine, Schildkröten, bunte Fische, Buckelwale – check! Besser hätte die Überfahrt eigentlich nicht starten können.
Dann kommt die erste Nacht. Und mit ihr: Sprühregen. Seekrankheit. Atlantikwelle. Und so wirklich weit weg sieht Santa Maria am Plotter noch nicht aus…
Und obwohl uns Pia und Bernhard mental exzellent auf die Langfahrt vorbereitet haben: In der Theorie ist ein Ihr werdet in der ersten Nacht wahrscheinlich nicht schlafen anders, als wenn man um 6:30 Uhr nach einer schlaflosen Nacht seine Frühschicht antritt und maximal 90 Sekunden unter Deck stehen kann, ohne dass einem übel wird. Eventuell fragen Robert und ich uns in den ersten beiden Tagen, ein, zwei Mal was genau gegen Wanderurlaub in Tirol gesprochen hat.




Während meiner ersten Nachtschicht überlege ich fast durchgehend, wann wohl die erste Welle über Deck bricht – und ob so ein Segelboot wohl wirklich nicht so leicht kentern kann. Spoiler: Ich bin trocken geblieben und wir sind nicht gekentert. Und irgendwann – nach den zähen ersten 48 Stunden stellt sich tatsächlich auch irgendwann Freude ein: stabiler Halbwindkurs, Tunfischpasta, zauberhafter Sonnenuntergang und glitzerndes Plankton bei Nacht.
Der Wind wird kontinuierlich schwächer und während wir uns über das ruhige Segeln freuen, kündigt sich die mit dem Azorenhoch verbundene Flaute an. Nach einem kurzen Rätselraten gefolgt von einer Recherche in den Bootspapieren, wie viel Liter der Dieseltank nun tatsächlich fasst (es sollten 200 sein), und dem Back-Up-Plan, dass wir im Zweifel auch noch nach Madeira abbiegen könnten, können wir den Leichtwind und die ruhigere See genießen.
Wir sichten an diesem Tag sicher 30 Schildkröten, die das wärmere, ruhige Wasser an der Oberfläche genießen und sanft umkippen, wenn sie von unserer Bugwelle erwischt werden. Wir nähern uns dem alkoholfreien Halbzeitbier, das wir dann dank Flaute sogar auf dem Cockpittisch genießen können. Musikalisch werden wir mit einer Schlager/Austropop Live-Musik Gitarren-Session beglückt.



Nach vier Tagen auf See:
Rund um die Halbzeit ist für mich der mental anstrengendste Tag, da das Ziel (mittlerweile ist sicher, dass wir den Kurs nach Portugal beibehalten) noch in gefühlt unendlich weiter Ferne liegt. Der Schlafmangel macht sich deutlich bemerkbar, da ich in der Kabine weder unter Segel (schaukelig) noch unter Motor (laut) wirklich schlafen kann und daher auf kurze Naps im Cockpit oder am Salonboden zurückgreifen muss.








Schlafen zum Zeitvertreib
Kurz nach der Halbzeit nimmt der Wind allerdings wieder zu und wir können einen gemütlichen Kurs fortsetzen. Nochmal nur der Vollständigkeit halber: Über das Wetter dürfen wir uns wirklich nicht beschweren, wir haben zwei Tage in Folge wolkenlosen Himmel, strahlenden Sonnenschein und absolut akzeptable Temperaturen.
Nach einer Woche auf See:
Gleichzeitig mit der Einwochenmarke nähern wir uns erkennbar Festland-Portugal und es werden Wetten angenommen, wann wir das erste Land sichten. Für weitere Zuversicht sorgt die Nachricht, dass die iberischen Orcas sich in den letzten zwei Wochen ruhig verhalten hätten und es wenige Sichtungen und keine Attacken in jüngerer Vergangenheit gab.
Die letzte Nacht ist nochmal eine Herausforderung, da der Wind stetig zunimmt und wir zudem eine große Schifffahrtsstraße kreuzen. Wir werden sogar vom Frachter Sea Elephant auf Kollisionskurs angefunkt, um uns auszumachen, wer wohin ausweicht.





Nachdem wir die ganze Nacht erfolglos nach dem Leuchtfeuer von Sagres (Südwestspitze Portugals) Ausschau halten, ist es dann am Samstag, den 18. Juli gegen 07:30 Uhr so weit – Land in Sicht – weshalb es zur Feier des Tages Kinder Bueno zum Frühstück gibt und die Schiffsglocke geläutet wird. Die letzten Meilen Richtung Portimão legen wir dank 20-25 Knoten Wind schnell zurück.



Land in Sicht
Angekommen in der Marina von Portimão legt Bernhard dann noch bei Böen von 25 Knoten ein beeindruckendes Anlegemanöver an den Tag. Nach 8 Tagen und 4 Stunden auf See sind wir wohlbehalten angekommen. Mit wackeligem Boden unter den Füßen genießen wir eine Dusche, die länger als 30 Sekunden dauert. Abschließend zelebrieren wir die Ankunft mit Pizza, Aperol, Salat (frisches Gemüse!) und einem gigantischen Eisbecher. Und der Schlaf in dieser Nacht, ohne Schaukeln, Motorgeräusche und Wecker um 00:30 – unbeschreiblich.



Annehmlichkeiten für Landratten
Und jetzt? Wir sind unglaublich dankbar, dass wir mit Pia und Bernhard Langfahrterfahrung sammeln durften, wir haben beide sehr viel gelernt!
Würden wir das nochmal machen? Vielleicht nicht übermorgen. Und nicht zu zweit. (Wirklich: Hut ab, Pia und Bernhard!)
Aber Robert hat bereits wieder auf Bootsverkaufsplattformen gestöbert – wer weiß, wann das nächste Abenteuer ruft.
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Man muss das Festland feiern wie es fällt.
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Nachdem uns Antonia und Robert jetzt doch schon vor einigen Wochen erfolgreich in Portimão abgeliefert haben, geben wir auch noch eine kleine Gedankensammlung zu dieser Überfahrt und den Tagen danach zum Besten:
Rückblick auf den Ozean:
Schon nach sehr kurzer Zeit auf See ist klar – zu viert ist besser als zu zweit! Auch wenn man nicht ganz so viel zum Schlafen kommt wie man es sich vielleicht erträumen würde, ist es diesmal doch erheblich mehr als wir gewohnt sind. Wir arbeiten nach dem Wachsystem 3 Stunden – 3 Stunden – 3 Stunden und die vierte Person übernimmt dann (meist nicht ausgeschlafen, aber immerhin weniger durchgefroren) bei Sonnenaufgang das Steuer (manch einer munkelt etwas über eine Scam-Schicht). Tagsüber steuern wir abwechselnd immer eine Stunde händisch, was Autopilot und Batterie ganz erheblich entlasten und uns gute Übung und Zeitvertreib bietet.



Steuern zum Zeitvertreib
Mehr als der nicht vorhandene Ladestrom aus Solarpanelen und Windgenerator beschäftigt uns an den ersten drei Tagen das Mysterium des verlorenen Wassers. Der Wasserzähler zeigt an, dass wir 90 Liter alleine am ersten Tag verbraucht hätten, was unmöglich wahr sein kann. Des Rätsels Lösung ist bis heute nicht bekannt, am wahrscheinlichsten ist ein sabotierender, blinder Passagier.
Da uns seit Ponta Delgada eine Mittelklampe fehlt, müssen wir uns bei achterlichem Wind eine neue Lösung als Preventer überlegen, um den Baum zu sichern – Robert bezeichnet die miese Konstruktion unabsichtlich, aber passenderweise als Pretender.
Das Konzept des comfort food für unangenehmere Tage ist uns kein neues – ganz allein ein Glas Nutella in drei Tagen zu verschmausen beeindruckt uns allerdings. Ich lasse jetzt mal offen, wer das Schleckermaul war.
Ein interessantes und für uns neues Phänomen tritt vorübergehend mitten auf dem Atlantik auf: 350 sm vor dem Ziel, also kurz nach Halbzeit, poppen plötzlich über 50 Schiffe auf dem AIS auf, die bis zu 400 sm entfernt sind. Zusätzlich können wir via VHF die abendliche Kommunikation (Gesänge, Pfeifen, Gröhlen, gegenseitiges Triezen etc.) der Fischerboote mitanhören, die vor den Küsten Portugals und Marokkos herumwuseln. Unser AIS und Funk kann technisch aber nur Signale bis 20 sm Entfernung aufnehmen. Wer eine Idee hat, wie das möglich ist, kann gerne mit uns darüber diskutieren. (Anm.: Wir wissen die Lösung bereits.)
Abseits der Flautentage stellt Pia ihr Talent als menschlicher Windmesser zur Schau, wobei sie schon bei geringer Zunahme den Kopf aus der Heckluke steckt, um nach dem Rechten zu sehen (Hau den Lukas mit Kontrollzwang). Kurz vor Ankunft stellt auch noch Bernhard seine navigatorischen Fähigkeiten unter Beweis, indem er über die Formel Feuer in der Kimm berechnet, dass der höchste Berg Portugals 20.000 m hoch ist.



Auch wenn uns die Flaute am halben Weg kurz ins Grübeln bringt (Haben wir genug Diesel? Machen wir einen Abstecher nach Madeira?) bevorzugen wir diese Situation gegenüber Sturm und Welle. Das war bisher unsere gemütlichste Überfahrt – danke Antonia & Robert, dass ihr diese Etappe mit uns gemeistert habt!
Rückblick aufs Festland:
Angekommen in Portimão will Pia gleich wieder weg, da es viel zu windig ist. Nachdem sich unsere durchgeschüttelten Gehirnzellen der Reihe nach alle wieder einschalten, können wir zuerst eine Dusche und dann eine Pizza in diesem touristischen Ort mit seinen weitläufigen, feinsten Sandstränden genießen. Die Nacht ist so ruhig, dass wir uns kurzzeitig sicher sind, in der Luft zu hängen und nicht mehr im Wasser liegen – Das ist eh ein Schwimmsteg, oder?





In den nächsten Tagen erkunden wir per Moped die portugiesische Südküste, a.k.a. Algarve. Von krassen Steilklippen mit Höhlenformationen bis zu malerischen Sandstränden ist alles dabei. In einem wenig touristischen Örtchen am Weg zahlen wir für 3 Expresso und 1,5 l Wasser bisher ungeschlagene € 3,90 – in einem äußerst touristischen Örtchen zahlen wir normale Preise für hervorragende Tapas.






Die Fahrten gestalten sich windbedingt recht anstrengend. Sagres, das wir bisher nur als Bier kannten, ist sogar berüchtigt für seinen ganzjährigen Starkwind, aber die tolle Kulisse mit nostalgischem (Rück-) Blick auf den Atlantik ist den Popokrampf wert.












Sagres (nicht der westlichste Punkt von Festlandeuropa)
Die gewonnene Mobilität nutzen wir auch, um die örtlichen Bootsbedarfsshops zu plündern und kaufen bei der Gelegenheit 62 m neue Festmacher. Damit vertäuen wir Mêlée sorgfältigst auf möglichst komplexe Art mit 12 Leinen (Vorleinen, Springs, Brustleinen und wie sie nicht alle heißen) am Schwimmsteg.


Schließlich stehen die Zeichen auf Abschied und Antonia und Robert ziehen weiter nach Osten. Wir erkunden noch per Uber die andere Seite der Lagune, wobei unser Uberfahrer auf dem Rückweg mit abwertender Handbewegung eine gut 2 m lange Schlange überfährt. Mit diesem Gefühl treten den Heimflug an. Nächstes Ziel ab Herbst: Zurück ins Mittelmeer!


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The current situation
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Unter dem Motto Ihr habts ja gar keinen Anspruch mehr! planen wir unsere 10-tägige Dümpelei an der portugiesischen (Algarve) und später spanischen (Andalusien) Südküste in kurzen Tagesschlägen. Zu dem Zeitpunkt ist uns noch nicht so ganz bewusst, dass wir uns in einem Gezeitenrevier mit über 3 m Tidenhub zur Springzeit (Vollmond) befinden, was präzise Planung und vertiefte Recherchen bedingt. Besonders die Einfahrten in die zahlreichen Flussmarinas stellt uns als schwachmotorisiertes Kielboot noch vor Fragezeichen in der Machbarkeit bzw. Planbarkeit.
Zudem hängt das Thema der Orca-Attacken auf Segelboote über uns wie ein Damoklesschwertwal: Da wir die Angelegenheit in den letzten Jahren aufmerksam verfolgt haben, kennen wir alle guten Taktiken zur Prävention (Flachwasser, Vermeiden bestimmter Gebiete in der betroffenen Saison, Verfolgen von Sichtungen) und auch die weniger erfolgreichen, wie Rückwärtsfahren (Fische können nicht rückwärts schwimmen wurde uns in Santa Maria überzeugend erklärt) sowie Sand, Diesel, Böller und ähnliches.
Portimão
Die Vorbereitungen halten sich kurz und effizient, auch dank des für einen Tag gemieteten elektrischen Mustangs mit 300 PS. 36 Stunden nach Ankunft sind wir auch schon unterwegs und rasen mit unserer 47 PS Dampfmaschine, später auch unter vollen Segeln, Richtung Vilamoura. Rasen bedeutet in diesem Fall die Geschwindigkeit, mit der ein Rasen wächst.




Vilamoura
Gezeit: Trotz Vollmond ist hier noch nichts von Gezeiteneinfluss zu bemerken, wodurch wir in dem klassischen Urlaubsort mit Flaniermeile noch keinen Gedanken daran verlieren. Als besondere Attraktion der Marina gibt es einen Falken samt Falkner, die ihre Runden in der Marina ziehen und für die Vertreibung von kackenden Seemöwen zuständig sind.
Gehzeit: Wir spazieren die Strandmeile rauf und runter und sehen dabei tausende Restaurants, insbesondere Irish Pubs und ebenso viele dazu passende britische Touristen.
Die Marina gilt als extrem sicher gegen Kriminalität – das erleben wir aus erster Hand: Der Schließmechanismus an den Toren öffnet sich auch für Berechtigte mit key cards nicht, sodass wir für deren Öffnung jedes Mal auf Securitys mit Mopeds angewiesen sind. Stehzeit rund 30 Minuten.





Ria Formosa
So heißt die große Lagune vor Faro, in deren mehr oder weniger offiziellem Bojenfeld wir die nächste Nacht nach einer gemütlichen Segelei verbringen.
Gezeit: Die schmale Einfahrt zur Lagune ist mit einem künstlichen Wellenbrecher versehen und erstmals und immens wirken die Gezeiten des Reviers auf uns. Wir nähern uns ca. 1,5 h vor Hochwasser vorsichtig an und die 6 kn starke Tidenströmung saugt uns in die Flusslandschaft hinein wie Rohrpost. Wie auf einer Wildwasserbahn flitzen wir mit 10 kn (das sind immerhin 18 km/h!) im Slalom an den Lateralzeichen vorbei.
Wir planen dementsprechend akribisch den nächsten Tag, um pünktlich und entspannt zum Stillwasser aus der Lagune auszufahren und 6 oder 12 Stunden später in den nächsten Fluss einzufahren.
Gehzeit: …beläuft sich auf null Minuten. Eine Nacht an der Boje haben wir seit langem nicht gehabt und der Fischerort überzeugt uns nicht zu einem Landgang, der ehrlicherweise auch mit dem Aufpumpen des Dinghy und Instandsetzen des stinkenden Außenborders verbunden wäre.






Vila Real Do Santo Antonio
Gezeit: Nach intensiver Gezeitenforschung ist sich die Ausfahrt aus der Ria Formosa deutlich angenehmer, gefolgt von wunderbarem Segeln exakt an der 19,9 m Tiefenlinie (Pech gehabt, Orcas!). Abends gestaltet sich das Anlegen im Río Guadiana, der die Grenze zwischen Portugal und Spanien darstellt, bei einer Strömung von 3 kn wiederum spannend, aber dank Hilfe vom Steg erfolgreich. Hier herrscht Tidenströmung gegen Flussströmung gegen Wind, und auf Nachfrage erfahren wir, dass Manöverchaos zum Alltag gehört.
Gehzeit: …eine Stunde im Zickzack durch das nette, touristische Örtchen und den Jahrmarkt strandelnd. Wir überfressen uns in üblichem Maße und schauen dem Herrn Magister bei seiner rekordträchtigen Arbeit gegen elf Pizzabäcker zu.
Morgen um diese Zeit sind wir schon in Spanien. Tchau Costa Portuguesa!








El Rompido
Gezeit: Die Bedingungen werden optimiert und kurz nach Niederwasser laufen wir bei Stillwasser (d.h. bei nur 1,5 kn Flussströmung) aus dem Hafen von Santo Antonio aus. Präzise treffen wir nach absichtlich ineffizientem Segeln und unserem ersten echten Badestopp im Atlantik zu Hochwasser (the tide is high) im Río Piedras ein. Plötzlich sind wir in Spanien und noch dazu in einem besonders spanisch klingenden Ort: El Rompido 💃🏻 liegt einige Meilen flussaufwärts und ist überhaupt nur bei Hochwasser erreichbar.
Gehzeit: Da der Ort im Grunde nur eine große Golfanlage ist, verbringen wir den Abend nach einem 15-minütigen Spaziergang und zwei spanischen Bieren am Boot mit Segelspaghetti™. Während wir in einer außergewöhnlich ruhigen Nacht schon in der Koje liegen, legen die Steinwälzer am Steg mit ihren langen Beinen und spitzen Schnäbeln noch einige aufgeregte Meter zurück. ¡Hola costa sur española!












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Die Entdeckung Puerto Américas
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Wir haben das strömungsfreie und vor allem auch orcafreie Revier der südspanischen Atlantikküste erreicht. Spätestens jetzt ist auch allen an Bord klar, dass wir es in diesem Törn nicht durch die Straße von Gibraltar schaffen werden. Die Wetterlage mit tagelangem Gegenwind aus der Straße hinaus würde das zu einem mühsamen, vermutlich sogar aussichtslosen Unterfangen machen. Wir reservieren also schon mal einen Winterliegeplatz für Mêlée in Cadiz und segeln weiter in kurzen Etappen die Küste entlang.
Huelva
Durch die Weitläufigkeit des Flusses Río Odiel ist diesmal kaum Strömung zu spüren und so ist die einzige Herausforderung, mit der Tristheit des umgebenden Industriegebiets klarzukommen.
Huelva ist hübsch und modern und außerdem der Ort, an dem Christoph Kolumbus einst los segelte, um fremde Welten zu entdecken. Er ist dementsprechend hier in Form von Statuen, Straßen und Gebäuden verewigt. Bei sommerlichen Temperaturen verbringen wir einen halbtägigen Stadtbummel und legen einige Meter, im Parque Alonso Sánchez auch einige Höhenmeter zurück. Die Stadt ist vor allem abends sehr belebt, aber wenig touristisch (wer verirrt sich hierher?), was man auch daran merkt, dass es vor 20:30 Uhr kein Abendessen für uns Mitteleuropäer gibt.














Highlight der Stadt ist Muelle de Riotinto, ein stillgelegtes Dock, zu dem in Zeiten des Wilden Westens Erze über eine 80 km lange Schienenstrecke aus den nördlich gelegenen Minen an den Río Odiel zum Verschiffen transportiert wurden. Heute kann man auf den sanierten und beleuchteten Überresten des Docks spazieren, angeln oder Verstecken spielen.








Der kürzeste Tagesschlag führt uns 10 sm vom quasi Landesinneren wieder an die Küste, zurück durch den Fluss Odiel und vorbei an den schmucken Kraftwerken, Chemiefabriken und Öltankern in die Marina Mazagón. Von einem entgegenkommenden Frachtschiff lassen wir uns, während wir mit 2,5 kn unter Segeln dahindümpeln, dann aus dem Fahrwasser drängeln. Er funkt nicht, er hupt nicht, aber seine 200 m Länge reichen uns als Signal, uns ganz langsam zu verkrümeln.





Den letzten längeren, 30-meiligen Schlag nach Chipiona verbringen wir mit gemütlichem, langsamen Segeln, gefolgt von einem netten Cena. Nachdem wir erst spät dort anlegen, spanischer Feiertag ist und unsere Eindrücke von dem Ort deutlich voneinander abweichen, wollen wir hier keine weiteren Zeilen verlieren.


Cádiz
Die letzten Meilen des Jahres 2025 im Kielwasser, legen wir an der Tankstelle des Puerto América in Cádiz an, wo wir erstmal eine 4 m lange Leiter hinaufklettern müssen, um im Hafen einzuchecken. Die Marina ist ruhig und recht geschützt, es sind zu dieser Jahreszeit (oder immer?) nur wenige Segelboote hier. Wir bekommen unseren festen Liegeplatz zugewiesen und beginnen Mêlée auf den kommenden milden Winter in Südspanien vorzubereiten.



Es bleibt noch ein halber Tag, um Cádiz im Schnelldurchlauf zu erkunden. Hat man es erstmal an dem weitläufigen Containerhafen vorbei geschafft, wird man mit der belebten und wunderschönen Altstadt mit ihren vielen Restaurants, netten Gässchen und schöner Architektur belohnt. Durch die zahlreichen größeren und kleineren Parks und Plätze verliert sich auch der Kreuzfahrttourismus (täglich fahren Kreuzfahrtschiffe ein und aus), belebte Gassen werden durch kleine Stadtwälder kontrastiert.









Anekdote zum Abschluss: Für die Fahrt zum Flughafen Sevilla haben wir einen Toyota Aygo aus dem Kleinstwagenspektrum gebucht. Angekommen beim Mietwagenverleih wird uns mitgeteilt, dass sie jetzt gerade überhaupt kein Auto für uns zur Verfügung haben und vermutlich heute gar nicht mehr. Wobei die Geschichte für die freundlichen Mitarbeiter damit erledigt scheint. Etwas perplex und nach Lösungen suchend, deute ich mit den Worten Das ist doch ein Auto, oder? auf die Reihe an Lieferwägen vor dem Büro. Nach Rücksprache mit der Flughafenfiliale aufgrund berechtigter Sorgen zur dortigen Einfahrtshöhe, dürfen wir schließlich mit einem Lieferwagen Richtung Sevilla brausen, wobei wir davor den großzügigen Stauraum noch nutzen, um den Vorrat an Wasserflaschen auf der Mêlée aufzustocken und uns eine Pizza zu holen.
Bevor wir es nächstes Jahr – diesmal ganz bestimmt – ins Mittelmeer schaffen, hoffen wir auf die eine oder andere Art noch ein paar Tage im schönen Cádiz zu verbringen.


