Nach einem abenteuerlichen letzten Jahr wollen wir uns und Mêlée nun in einen urlaubstauglichen Zustand bringen. Jede der Azoreninseln soll sich doch deutlich von den anderen unterscheiden - obwohl alle Inseln grün und vulkanisch sind. Wie verschieden können die schon sein?


- 05.05.2024 – 13.09.2024
- Ponta Delgada, Saõ Miguel – Vila do Porto, Santa Maria
- 380 sm
- 6/9 erforschte Azoreninseln
- mit dabei: Roland
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Reparaturen im Regen
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WAS BISHER GESCHAH: Im Juni letzten Jahres sind wir von einer einjährigen Mittelmeer- und Karibikrunde nach Europa zurückgekehrt. Genau genommen nach Ponta Delgada, der Hauptstadt der azorischen Insel Saõ Miguel, wo wir unsere Sunbeam 40 Mêlée vor 10 Monaten zurückgelassen haben. Mit Steffi & Georg und Johanna & Michi, besonders aber unserem Bootsbetreuer Thomas, hat sie in dieser Zeit dennoch ein paar Streicheleinheiten genießen dürfen. Eine willkommene Abwechslung zu dem ständigen Gezerre an Leinen und Klampen durch Schwell und abwechselndem befeuchtet werden durch Regengüsse und getrocknet werden mittels Entfeuchter. Jetzt ist es jedenfalls für uns an der Zeit, einmal selbst nachzuschauen wie es der alten Lady geht und ob sie fit für weitere kleine Abenteuer ist.
Vor unserem Flug auf die Azoren verbringen wir zwei Tage in Lissabon und erleben die portugiesische Kultur hautnah in allen Facetten. Beispielsweise wohnen wir folgendem uralten, jedoch wenig bekannten Ritual bei: Im doppelstöckigen Sightseeing-Bus werden zu romantischer Fado-Musik immer wild die Plätze gewechselt, sobald die Lichter des Tejo blinken. Ein heiteres und bizarres Schauspiel. Hier noch ein paar fotografische Impressionen vom Kurztrip nach Lissabon.


















Heiter und bizarr auch das Festival Senior Santos Cristo dos Milagres, das uns bei unser Ankunft in Ponta Delgada zu später Stunde funkelnd und rhythmisch begrüßt. Zufällig erreichen wir die Azoren an ihrem hochheiligsten aller Feiertage, der fünf Wochen nach Ostern mit Paraden, Fressmeilen, Konfetti und Lichterketten gefeiert wird. Einen Ananas-Caipirinha ergattern wir zwar, leider aber um 22:30 Uhr nichts mehr zu essen. Die Menschenschlagen an den unzähligen Foodtrucks sind einfach zu lang und unsere Müdigkeit siegt.





Erst am nächsten Morgen verschlägt es uns nach einer Nacht im Hotel in die Marina, wo wir eine vorläufige Zutrittskarte erhalten, die nur bis zum nächsten Tag gültig ist (das wird weiter unten noch relevant). Am Boot zerlegen wir zunächst alles was uns in die Finger kommt. Nicht ohne Erfolg. Im Nu ist die Wasserpumpe, die uns schon seit langem durch Unzuverlässigkeit nervt, getauscht. Der kaputte Inverter und der ungenutzte Radio, der uns meist zu ungünstigen Zeitpunkten durch lautes Rauschen erschreckt hat, werden ausgebaut, wodurch wir etwas Ordnung in den Kabelsalat bringen. Die Duschbilgenpumpe und das AIS, deren Austausch/Reparatur auf unserer Liste stehen, funktionieren ohne unser Zutun wieder und Bootsbetreuer Thomas erinnert uns: Nichts reparieren, was nicht kaputt ist. Zwei funkelnagelneue Segel sind in Auftrag gegeben und Thomas wird sich in den nächsten Wochen um das Unterwasserschiff samt Seeventile und um das jährliche Motorservice kümmern. Alle weiteren Arbeiten sind Priorität B bis Z und stehen einem Urlaubstörn im Sommer nicht im Wege.







Eine Besonderheit der Maria Ponta Delgada ist die dramatische Knappheit an Zutrittskarten, die erforderlich sind, um den Steg und die Sanitärräume betreten zu können. Unsere provisorische Karte funktioniert schon nach wenigen Stunden nicht mehr. Als Lösung wird uns angeboten, in der Nacht einfach den 300 m entfernt stationierten Security zu holen, wenn wir aufs Klo müssen. Nachdem Frischwasser und WC am Boot aber noch eingewintert sind, hinterfrage ich diese Option kritisch und wir bekommen schließlich die höchstpersönliche Karte der Rezeptionistin aus dem Marinabüro bis zum nächsten Morgen geliehen. Am nächsten Tag gibt es dann eine eigene Karte für uns. Personalisiert mit Bootsnamen – Endlich! Als wir abends den Müll wegbringen blicke ich auf einmal in Bernhards weit aufgerissene Augen. Locker und lässig lässt er unsere hart erarbeitete Karte in den 5 Meter tiefen unterirdischen Glasmüllcontainer fallen. Also der Gang zum Security, um wieder auf den Steg zu gelangen, dann am nächsten Morgen der walk of shame ins Marinabüro. Eine Ersatzkarte kostet 55 €, die Kosten werden uns aber aus Kulanz (oder Mitleid oder Schuldbewusstsein?) erlassen.

Wie gehts jetzt mit Mêlée weiter? Unser Plan ist ein mehrwöchiger Urlaubstörn auf den Azoren kommenden Sommer, immerhin haben wir von den neun Azoreninseln erst zwei besucht. Mittelfristig denken wir eine Rückkehr ins Mittelmeer an. Das wird sich aber frühestens 2025 ausgehen.
Und jetzt noch zur, für viele wohl interessantesten Mitteilung: Die Bierpreise sind gestiegen. Statt 2 € für ein Krügerl gezapftes Superbock in der östlichen Hafenkneipe muss man nun schon 2,40 € hinlegen (eine Steigerung von 20% gegenüber 2023). In diesem Sinne: Saúde!







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São Miguel: Ey Mann, wo is’ mein Segel?
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Unser lang ersehnter Azorentörn ist endlich da! Vulkanbeobachtungen, Walbegegnungen, Weinverkostungen und ein bisschen Segeln stehen am Programm. Nach einer kurzen Nacht im Flughafenhotel Lissabon erreichen wir die Marina Ponta Delgada verschwitzt am späten Vormittag. Bereits jetzt wird uns klar – die angekündigten 25°C gehen sich nicht aus. Sämtliche Wetterberichte beziehen sich wohl auf die dauerhaft nebelvergangenen Inselmitten mit ihren Vulkankratern und üppigem Grün. An der Küste zeigt das Thermometer 32°C – Sommerurlaub.
Die ersten beiden Tage unseres atlantischen Urlaubs nutzen wir damit, Mêlée technisch und reinlich auf Vordermann zu bringen. Diesel tropft, Wasser tropft und Bernhard erklärt unsere marode Gasanlage nach akustischer Inspektion für sicher. Alles normal.


Als wir zu Mittag einen großen Salat um € 6,50 bestellen wollen und uns die Kellnerin mit aufgerissenen Augen erklärt, dass das eine Portion für 10 Personen sei, merken wir wieder einmal direkt, wie günstig die Azoren doch sind. Bei einem Besuch der nahegelegenen Ananasplantage mit Besichtigung der Gewächshäuser inklusive Verzehr von Ananas-Caipirinhas und -Flambée lerne ich ein bisher verborgenes Talent von mir kennen – äußerst präzise den Reifegrad von Ananas zu bestimmen.







Nach Besuch unseres Stammlokals in Ponta Delgada begrüßt uns die Insel schon wieder mit einem Festival – Danke, danke, nur keine Umstände! Am Hauptplatz wird fröhlich hopsend ein Bierfest mit DJ zelebriert, zu Ehren der himmelwärts cruisenden Maria.


Als am nächsten Tag die Hoffnung stirbt, dass unsere neuen Segel noch geliefert werden – sie waren für Mitte Juli versprochen und sind nun offenbar am portugiesischen Festland verschollen – nutzen wir die Ausläufer des günstigen Nordostwinds und setzen unsere alten Segel Richtung Neuland. Nach acht sehr schönen Segelstunden und weiteren zehn flautebedingten, nächtlichen Motorstunden erreichen wir die Bucht vor Angra do Heroísmo auf der Insel Terceira.
Der morgendliche Geruch einer sich nähernden Insel ist auch nach nur 20 Stunden auf See etwas ganz besonderes. Noch besser wird das Ganze, wenn man auf den letzten Seemeilen von einer riesigen Delfinschule und zwei Pilotwalen begleitet wird. Die Marina selbst ist sehr schön, ruhig und unglaublich gut geschützt. Ah ja stimmt, es gibt auch Liegeplätze ohne permanentem Gezerre an den Leinen und Platschen des Hecks. Wir melden uns demnächst wieder mit Eindrücken der Insel Terceira.




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Terceira: Vamos a la Praia (da Vitoria)
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Von allen Azoreninseln ist Terceira auch eine. Wobei – unrecht tun wollen wir ihr dann auch nicht: Sie ist unter den neun Inseln jene mit der längsten Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung.
Sehenswert ist der Hauptort Angra do Heroísmo. Mit seinen pastellbunten Häusern und steilen Pflasterstraßen wird die Bucht der Heldenhaftigkeit auch als Klein-Lissabon bezeichnet. Als älteste Stadt der Azoren gilt sie als UNESCO Weltkulturerbe. Die drei imposanten Kirchen in rosa, blau und gelb bimmeln stündlich um die Wette.









Angra do Heroísmo
Eine besondere Landmarke im Süden der Insel ist der an die Hauptstadt angrenzende Monte Brasil, den wir mit all seinen Wanderwegen, Miradouren, Katzenkolonien und Weißwedelhirschen erkunden.











Monte Brasil
Es darf auch wieder getaucht werden! In Gehweite der Marina schlüpfen wir ins Equipment und düsen mit dem RIB los um auch die Unterseite des Monte Brasil zu begutachten. Wir sehen Adlerrochen vorbeifliegen, entdecken den zweitgrößten Stachelrochen des Atlantiks und entkommen handzahmen Oktopussen gerade so aus ihren Gärten. Der zweite Tauchgang führt uns auf die Ilhéus das Cabras, auch genannt Split Rock, wo wir eine Höhle erforschen und einige wirklich dicke Grouper mit unseren Taschenlampen belästigen.










Das Busnetz auf Terceira ist nett gemeint, aber unintuitiv und touristenfeindlich. Rund 30 Minuten warten wir vor dem Eingang des botanischen Gartens auf den Bus, bevor wir die Hoffnung auf letzteren aufgeben und stattdessen ersteren betreten. Die bunte Parkanlage führt durch Blumenbeete und über Flüsschen zu einem Obelisken mit Miradour.








Jardim Duque da Terceira
Im Tourist Office lassen wir uns schließlich das Busnetz erklären und finden das neue Busterminal und die Verbindungen nach Biscoitos und Praia da Vitória.
Im nördlich gelegenen Biscoitos – frei übersetzbar mit Cookies – baden wir zum ersten Mal in einem der auf den Azoren weit verbreiteten Naturpools. Leitern, Rampen und Süßwasserduschen können gratis genutzt werden und so planschen wir in jedem der vier – auf einer Skala von Teegebäck bis Triple Choco Brownie – unterschiedlich aufregenden Becken .





Piscinas Naturaia Biscoitos
Praia da Vitória ist ein hübscher, ordentlicher Touristenort mit Marina und doch haben wir uns auf der einzigen Azoreninsel, die mehr als eine Marina bietet, mit Angra für den richtigen Ort entschieden.
Kulinarisch wäre noch zu erwähnen, dass wir die auf Sao Miguel erworbene, nun herrlich gereifte Ananas mit unserem gerefitteten Gasgriller in wunderbare Ananas-Ziegenkäse-Burger verwandeln. Die nächste Station auf der Azoren-Rundreise heißt São Jorge. Vamos Ananos!


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São Jorge: Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Käse
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Die 42 sm lange Überfahrt von Terceira nach Saõ Jorge ist ziemlicher Kuhmist. Die angesagten – im Normalfall segelbaren – 7 bis 9 kn Wind reichen bei der vorherrschenden Kreuzsee einfach nicht aus, um Segel und Baum stabil zu halten. So motoren wir wieder einmal schaukelnd den Großteil der Strecke. Nach Erreichen der Ostspitze der 30 sm langen Insel Saõ Jorge erfasst uns eine bis zu 2,5 kn starke Gegenströmung und das Erreichen des Zielorts Velas verzögert sich. Die Kulisse, die uns geboten wird, ist allerdings beeindruckend. Aus den über und über grünen Felswänden entspringen Wasserfälle, die sich dramatisch in den Atlantik ergießen. Dazwischen kleine Fischerdörfchen wie Calheta.

Bei unserer Ankunft freuen wir uns auf José, den laut mehrerer Quellen vermutlich freundlichsten Hafenmeister der Welt. Tatsächlich empfängt uns aber nur Daniel, der vermutlich freundlichste Hafenmeisterpraktikant der Welt.
Beim Frühstück am Hauptplatz und vom Miradour des botanischen Gartens zeigt sich, sowohl der Ort Velas als auch die Marina sind klein, ruhig und beschaulich. Zumindest bis 21:18 Uhr. Denn um 21:18 Uhr fallen die Sepiasturmtaucher ein. Diese Vögel verbringen den Tag auf See und kommen abends zu ihren Jungen nach Hause, um ihnen stundenlang lautstark und einzigartig kreischend von ihren Erlebnissen zu erzählen. Mit einem Bestand von 500.000 Paaren auf den Azoren übertreffen sie die menschliche Bevölkerung um das Vierfache.






Velas, Hauptstadt des Käse
Mit einem gemieteten Opel Corsa erkunden wir die lange, schmale Insel. Neben den drei größeren Orten auf Saõ Jorge leben mehrere Menschen in sogenannten Fajãs – kleinen, oft schwer zugänglichen Siedlungen mit USPs. Zwei dieser Orte besuchen wir zunächst, wobei wir das Fajã dos Cubres über Serpentinenstraßen mit dem Auto erreichen können, von wo aus wir dann zum zweiten – Fajã da Caldera Santo Cristo – 4 km wandern. Hier angekommen finden wir uns in einer anderen Welt wieder – eine Lagune mit sanften grünen Hügeln, etwa 20 kleine Häuschen und eine Taverne bietet das malerische Surferparadies, das zwischen Felswänden und Atlantikküste versteckt liegt. Außer zu Fuß kann und darf der Ort nur per Quad aufgesucht werden. Soviel zur schwierigen Zugänglichkeit – das USP hier, neben dem Surfen, sind die speziell gezüchteten Muscheln, die um € 7 das Stück in der Taverne verzehrt werden können. Wir bestellen Käse und Cheeseburger.












Fajã dos Cubres bis Fajã da Caldera Santo Cristo
Nach der hügeligen Rückwanderung in der Mittagshitze kommen uns die beiden nächsten Ziele zur Abkühlung gelegen: Zuerst plantschen wir im Fajã Ouvidor in einem weiteren Naturpool, dann fahren wir zum Start des Wanderwegs auf den Pico da Esperança auf rund 1.000 m Seehöhe und bestaunen dort einen ähnlich beeindruckenden Ausblick wie zuletzt am Soufflé in Guadeloupe.





Fajã Ouvidor & Pico da Esperança
Davon, dass es sich hier um die Insel des Queijo handelt, zeugen nicht nur die Unmengen an weidenden Kühen, die wir auf der ganzen Insel sehen – einmal sogar eine Herde auf der Straße, die angeführt von einem laut muhenden Hirten an uns vorbeitrottet – sondern auch die bildlich vor Käse triefenden Speisekarten der Restaurants, angefangen bei Käse-Marmelade-Toast zum Frühstück.



Nachdem wir uns dann zum Abschluss der Inseltour mit sieben verschiedenen regionalen Käsen direkt aus der Käsefabrik eindecken, besuchen wir noch den verlassenen Leuchtturm an der Inselwestspitze und streicheln Enten im Forstpark. Neue Insel – neues Captain’s Dinner, diesmal mit Fischplatte, und dann die leider schon letzte Nacht auf der wildromantischen Insel Saõ Jorge. Der Wind weht günstig für ein Wiedersehen mit dem uns schon bekannten Örtchen Horta auf der Insel Faial.






Parque Florestal das Sete Fontes & Farol dos Rosais
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Faial: Rückkehr mit Stil
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Die Überfahrt nach Horta auf der Insel Faial ist wie erhofft kurzweilig und macht Spaß. Halbwindsegeln, gegen Ende richtig schnell dank Strömung. Eine Schildkröte grüßt uns unterwegs.
Das Einfahren in den Hafen fühlt sich diesmal etwas weniger aufregend an als beim letzten Mal, als wir 1.800 sm und 18 Tage auf See hinter uns hatten. Sentimentale Gefühle kommen trotzdem auf, als wir das Peter Cafe Sport schon von der Mole aus sehen. Wir freuen uns, dass wir nach dem Check-In den geschütztesten Platz der ganzen Marina ergattern, zwischen zwei Päckchenliegern an der Mole. Bei Niedrigwasser ist etwas klettern erforderlich.




An der altbekannten Mole von Horta
Unter diesen erfreulichen Voraussetzungen schaffen wir es sogleich, alle leckenden Stellen an Bord – das betrifft Diesel und Frischwasser – zu finden und zu reparieren. Als Lerneffekt nehmen wir mit, dass man als Druckausgleichsbehälter für das Frischwassersystem an Bord etwas mehr als € 15 im Campingbedarfsladen ausgeben sollte – am Besten aber gar nichts, weil dieser bei unserer Wasserpumpe gar nicht erforderlich ist. Und weil wir jedenfalls ein paar Tage hier liegen werden, gönnen wir auch unserem Flautenschieber ein Service, das ohnehin fällig war.
Unsere nächsten Tauchgänge sind auch fällig. Das legendäre Offshoretauchen mit Blauhaien schaffen wir leider nicht, dafür erkunden wir zwei Tauchspots im maritimen Schutzgebiet gleich ums Eck. Bemerkenswert ist insbesondere der zweite rund um einen spektakulären Unterwasservulkankrater. Wir sehen den drittgrößten Grouper des Atlantiks, Muränen, Oktopusse und ein paar schnucklige, gar nicht gruselige Barracudas.






Bisher haben wir von der Insel Faial, die doch fast 20 km lang ist, nur die Hafenregion von Horta gesehen. Das soll sich jetzt ändern! Wir mieten zwei lahme, aber doch spaßige Elektroroller und fahren erstmal die Serpentinen hinauf auf den Caldeira, den zentral gelegenen und spektakulären Überwasservulkankrater.




Wir erleben die typischen drei bis sieben azorischen Jahreszeiten, während wir den 8 km langen Rundwanderweg entlang des Kraterkamms erklimmen. Der Einblick in den Riesenkrater auf der einen und der Ausblick auf die Nachbarinseln auf der anderen Seite ist beeindruckend.









Vulkankrater Caldeira
Weil wir beim Herunterbrausen vom Vulkan so effizient rekuperieren und noch genug Akku übrig haben, düsen wir mit Mopsgeschwindigkeit zur Westspitze der Insel, wo sich der Capelinho aus der Tiefe erhebt, ein kleinerer Vulkan, der erst 1958 aus dem Meer heraus eruptiert ist und die Insel damit um fast einen Kilometer vergrößert hat. Der Biomwechsel zwischen sattgrün und schwarz-vulkanisch ist trennscharf. Ein plakativ platzierter Leuchtturm komplettiert das Landschaftsbild.



Die Halbzeit unseres Törns ist erreicht. Mit 1. September fällt der Herbst ein, es nähert sich eine Kaltfront, die einen Wetterwechsel einleitet. Die weitere Route wird also kein Wunschkonzert, es gilt die Wind- und Wetterlage mehrmals täglich zu checken und danach zu planen. Vor dem letzten großen Schlag dieses Jahr sollte die kurze Strecke nach Lajes auf der Insel Pico noch ein Klacks werden.


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Pico: Pico Pico Pico Pico
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Die kurze und auch kurzweilige Überfahrt von Faial nach Pico verbringen wir halb attraktiv segelnd, halb tuckernd mit frisch serviciertem Motor. Die Marina Lajes do Pico (ausgesprochen etwa Laschesch) erweist sich als zweischneidige Pico: Wir legen bei Hochwasser an dem instabilsten Schwimmsteg an, mit dem Mêlée jemals die Ehre hatte – die stegseitigen Klampen drohen auszureißen, alles quietscht und kracht. 6 Stunde später bei Niederwasser: Zuvor versteckte Steine und Stege steigen aus den Tiefen empor und bilden einen natürlichen Wellenbrecher gegen den heranrollenden Schwell.








Marina Laschesch do Pico, Pico
Nachdem wir am nächsten Tag an einen weiter innen liegenden Liegeplatz am Päckchen bei einem Bastlertraum von einem Boot wechseln, beschränkt sich die Hochwasserphase auf ein leichtes Wippen.





Ort Laschesch do Pico, Pico
Die Insel Pico erforschen wir per Bus. Da der Berg Pico, der namensgebende Vulkan der Insel und höchste Berg Portugals, zum einen eine hohe Wanderbereitschaft voraussetzt und zum anderen wolkenverhangen ist, verzichten wir auf dieses Spektakel. Mit den drei Buslinien können wir aber den Großteil der Insel Pico komfortabel in kurzer Zeit in Angriff nehmen. Laschesch ist klein, hübsch und einladend, Madalena hauptsächlich ein Fährdock.

Der Umstiegsort Piedade versprüht Südstaatencharme mit Harleylärm, zahnlosen Alten auf Mobility Scootern und übergewichtigen Truckern. Die USPs der Insel Pico sind Walfang und Weinbau – wir besuchen die jeweils themenbezogenen Museen und fassen unsere Erkenntnisse hier kurz zusammen (Wahrheitsgehalt annähernd 90 %):
Weinanbau:
Einst lebten auf Faial die Reichen. Diese besaßen auf Pico, der benachbarten Proleteninsel, ihre Sommersitze und Weingüter. Während die Topographie sich auf der Insel Pico zwar hervorragend für Weinanbau eignete, mangelte es leider an Erde und so brachten die Reichen den Boden einfach von Faial mit. Mit lokalem Lavagestein wurden sonnendurchlässige und äußerst komplizierte Labyrinthmauern errichtet – immer nach einem bestimmten System: Eine x Meter hohe Außenmauer, kleinere y-förmige Bereiche die wiederum durch z kleinere Muster untergliedert werden.
Darin werden bis heute – sie nennen es Weinstöcke – angepflanzt. Wir würden es eher als Weinpflänzchen bezeichnen. So entsteht der einmalige Pico-Wein mit Vulkangeschmack, der dann auf kleinen Schiffen nach Faial und von dort mit großen Schiffen in die ganze Welt transportiert wurde und wird.




Weinmuseum Madalena, Pico (nicht so traurig wie es klingt)
Walfang:
Der Walfang war auf der Proleteninsel Pico für lange Zeit ein überlebenswichtiger Zuverdienst vieler Familien. Strategisch platzierte Aussichtspunkte in den Bergen wurden genutzt, um die Waljäger auf die Spur vorbeiziehender Pottwalfamilien zu lotsen. Das System erinnert an die freiwillige Feuerwehr. Wurde ein Wal gesichtet, ertönte die Sirene und alle Whaler – vom Bürgermeister bis zum Tormann des örtlichen Fußballvereins – liefen zum Hafen und bestiegen die Boote.
Gejagt wurde auf Ruderbooten mit Gaffelsegel, bewaffnet mit Harpune und Lanzen. Nach teils stundenlangem Kampf wurde ein erlegter Wal schließlich an Land geschleppt, zerlegt und für den weiteren Gebrauch fertig gemacht. Obwohl dieses Prozedur nicht mit der kommerziellen, artengefährdenden Walfangindustrie zu vergleichen ist, fand es aufgrund der internationalen Abkommen 1987 ein Ende. Was bleibt, sind die riesigen Pottwalrampen – wir hielten sie für überdimensionierte Bootslipanlagen – in sämtlichen Häfen, und die jährlichen Regatten mit den originalen, liebevoll gepflegten Booten im Rahmen des Walfangfestivals. Und nicht zuletzt werden die Aussichtspunkte in den Bergen heutzutage genutzt, um Wale für die whalewatchenden Touristen zu erspähen.



Walfangmuseum Lajes do Pico, Pico (so traurig wie es klingt)
Unseren Erlebnissen auf Pico folgt eine starkwindige, schlechtwinkelige und schaukelige Nachtfahrt nach…. Saõ Miguel! Da sind wir wieder. Zermürbt insbesondere von den letzten 10 Stunden unter Motor, durchgehend stampfend mit zu hoher Drehzahl. Unsere neuen Segel sind mit über drei Wochen Verspätung immer noch nicht da. Den Anfang August nach Faial bestellten Ofen lassen wir umleiten nach Santa Maria. Was in zwei Wochen nicht möglich ist (wenn auch versprochen) klappt ja vielleicht innerhalb der nächsten 10 Monate. Pakete auf die Azoren zu schicken ist eine ganz besondere Herausforderung.
In dieser Stimmungslage erwartet uns zum Glück bereits am Empfangssteg ein freundliches Gesicht in Form von Roland. Nach dem obligatorischen Begrüßungs-Peter’s Gin Tonic, einem Pizzadinner und einer kurzen Nacht geht es gleich am nächsten Morgen direkt weiter Richtung Santa Maria, auf das wir uns schon besonders freuen.
Unsere derzeitige Etappe ist pure Wiedergutmachung. Konstanter Halbwind bereits seit mehreren Stunden mit einem selten dagewesenen Phänomen: Die Welle kommt aus der selben Richtung wie der Wind! Roland ist leider nicht ganz so fresh und schläft in Lee. Ich muss mich mit der Luvseite begnügen. Da kommt gerade eine ungünstig getimte Welle und mein iPhone geht über Bo-.,+ü –

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Santa Maria: Insel die aus Träumen geboren
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… ich hab dort mein iPhone verloren …
Schon von weitem wirkt Santa Maria noch etwas anderser als die anderen Azoreninseln. Auf dieser kleinen, südöstlich gelegenen Insel weicht üppiges Grün niedrigen Steilküsten, gefolgt von karger, flacher Steppenlandschaft, um dann zur nicht allzu hohen Inselmitte hin doch wieder zu ergrünen. Am späten Nachmittag, jedoch früher als erwartet, erreichen drei Crewmitglieder und zwei Mobiltelefone die Marina Vila do Porto nach unserer hurtigen Halbwindpassage.






Marina Vila do Porto
Nach dem letzten Anlegerschluck des Jahres – den Seekranken unter uns geht es zum Glück wieder blendend – mutet uns die Insel mit dem kleinen Ort bei einer abendlichen Erkundungstour karibisch an. Ein gutes Beispiel dafür ist der Shack, bei dem wir uns um 21:30 Uhr noch Fast Food reinstopfen oder der wilde Hund, der uns beim Wandern attackiert. Zum Glück war er gar nicht wild, sondern angekettet, aber wir sind ja hier auch nicht in der Karibik. Dadurch ist es auch möglich, innerhalb von nur 12 Stunden das versunkene iPhone zu ersetzen.









Poço da Pedreira
Roland bricht am nächsten Tag zu einem Spaziergang auf, von dem er – wie nicht anders zu erwarten – erst kurz vor Sonnenuntergang zerzaust, ohne Schuhe, mit abenteuerlichen Erzählungen und schönen Fotos zurückkehrt.









Leuchtturm Farol de Gonçalo Velho & Aveiro, der höchster Wasserfall Portugals
Wir mieten uns einen Dacia Sandero, der uns in den nächsten Tagen mehrmals kreuz und quer über die Insel bringt. Am Ende können wir behaupten, jede einzelne Straße und jeden Feldweg von Santa Maria zu kennen. Wir besuchen Miradouros, Wasserfälle, Praias mit oder ohne Piscina Naturais, Leuchttürme, Felswände und Lehmfelder in den knalligsten Farben und Strukturen.







Barreiro da Faneca
Beim Rundwanderweg um den Vulkan Pico Alto bringt uns Reiseführer Roland seltener als erwartet in Lebensgefahr.





Pico Alto
So weit, so azorisch. Der USP von Santa Maria ist die extreme Biomvielfalt: Innerhalb von wenigen Minuten sieht man Regenwald, Sandstrände, Auenland, Felsklippen, das Marchfeld und Vulkanlandschaft. Und überall, wo man hinschaut, stehen Kühe herum, mancherorts auch Pferde. Wozu gibt es eigentlich so viele Pferde hier?
Am letzten gemeinsamen Abend gibt es zum Captainsdinner einen riesigen Kübel Fisch Stew und anschließend die feierliche Flaggenparade. Pia fliegt nach Hause, Roland und ich bleiben noch zwei Tage. Mêlée wird ausgekrant und winterfit gemacht, Roland hierbei zum Mithelfen verdonnert. Das alles gelingt dank der hiesigen Werft rasch und effizient.






Und jetzt aufgepasst: An unserem letzten Tag trifft der kleine Cargodampfer Isabel im Hafen von Vila do Porto ein. An Bord befinden sich tatsächlich unsere lang erwarteten neuen Segel! Nach über 5 Wochen Verspätung nehme ich sie perplex in Empfang und wintere sie direkt ein. Gesetzt und eingesegelt werden sie dann erst nächstes Jahr.





Mit einer Portion vorsorglichen Misstrauens geben wir der Werft noch einige kleine Arbeiten in Auftrag, dann fliegen Roland und ich nach Ponta Delgada, wo wir noch einen Tag bis zum finalen Heimflug verbringen. Diesen nutzen wir, um den Osten der Insel São Miguel samt See und heißen Schwefelquellen zu besuchen. Und zwar auf zwei spaßigen 125 ccm Scootern, für € 15 den Tag. Hallo Nebensaison.






Wieder Ponta Delgada
Wir verabschieden uns für diese Segelsaison wieder mit brandheißen News zu den Bierpreisen. Wir haben nämlich das teuerste Bier der Azoren entdeckt – ein kleines Especial für € 5 in der Bar des Parque Terra Nostra, für dessen Eintritt man bereits € 16 Eintritt hinlegt. Das ist immerhin der fünffache Preis im Vergleich zu den meisten besuchten Hafenkneipen. In diesem Sinne bis nächstes Jahr, wo wir den Plan haben, mit Mêlée wieder europäisches Festland zu erreichen.
