Bahamas – Bermuda – Azoren. So der Plan für unsere Heimreise zurück nach Europa. Wir hoffen nicht im Bermudadreieck, oder dem weit weniger bekannten Azorenquadrat verloren zu gehen. Während wir uns vom Atlantik durchschütteln lassen planen wir schon mal unsere Zeit daheim und den verdienten Spaurlaub für Mêlée auf den Azoren.

- 29.04.2023 – 20.06.2023
- Great Abaco Island, Bahamas – São Miguel, Azoren
- 3.051 sm
- mit dabei: Uschi, Pez
- 11,5 € Bierpreisspanne
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Im Bermudadreieck
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Unsere bisher anstrengendste Überfahrt bringt uns von den nördlichen Bahamas nach Bermuda mitten durch das berüchtigte Bermudadreieck. Für alle die sich schon immer gewundert haben, wo genau das liegt: Das Dreieck erstreckt sich zwischen Bermuda, Miami und Puerto Rico. Sturm, Regen, Flaute, Kälte, Mysterien – ein bisschen von allem erwartet uns.

Unsere Route durchs Bermudadreieck
Wir verlassen also samstags nach einem letzten Sprung in den Marinapool unseren gemütlichen Liegeplatz in Marsh Harbour und werden gleich nach Ausfahrt aus dem Riff von Great Abaco Island von einer recht ungemütlichen Welle begleitet. Unser Ziel: So schnell wie möglich Richtung Osten abzuhauen, denn auf der direkten Kurslinie zieht ein Sturm nach dem anderen vorbei. Das wollen wir uns lieber ersparen.
Nach ein paar angenehmen Stunden folgt unser bisher wahrscheinlich schlechtester Tag auf See. Stündlich ziehen Gewitter über uns hinweg, jeweils begleitet von Regen, Regen, Regen und Sturmausläufern. Es kommen so viele Wellen über, dass man gar nicht weiß, ob das Cockpit gerade salzig ist, oder schon wieder mit Regenwasser gespült, oder schon wieder salzig, oder schon wieder… Nach einem Abend ohne Abendessen, dafür Seekrankheit und einem Morgen ohne Kaffee verbessert sich die Lage tagsüber nicht. Ein feuchter Sonntag, den wir mit alternierendem Schlaf nachholen unter Deck und hadern im Regen verbringen. Als Highlights zu erwähnen wäre die Sichtung mehrerer Alienwesen und UFOs. Das ist zwar für das Bermudadreieck sehr normal, nach Recherche stellt sich jedoch heraus, dass es sich einerseits um Portugiesische Galeeren handelt (hoffentlich wird keine an Bord gespült!) und andererseits um den Start einer Space X Rakete.
Nach einem weiteren Abend ohne Essen und einer weiteren anstrengenden Nacht begrüßt uns der Morgen des Montags nach 30 garstigen Stunden mit Sonnenschein. Wir lassen unser nasses Gewand, Pölster und Handtücher an der Reling, und uns selbst im Cockpit trocknen. Um das verpasste Essen nachzuholen gibt es einen Riesentopf käsige Pasta und am nächsten Tag ein deftiges Gröstl. Uns wärmend und schmausend verbringen wir zwei Tage immer noch auf einem östlichen Kurs um nachfolgenden Stürmen gleich effizient, oder noch ein bisschen großräumiger, auszuweichen zu können. Wir sind inzwischen in regem Austausch mit dem ARC Europe Boot Alma, die kurz vor dem Ziel beiliegend einen Tag auf See abwettern müssen, da der Sturm, dem wir halbwegs ausgewichen sind, gerade Bermuda unsicher macht. So gesehen haben wir ja da noch Glück gehabt mit unserem Wetterfenster!







Wärmen zum Wochenbeginn
Am Mittwoch beschließen wir, dass wir jetzt weit genug Richtung Osten gefahren sind und nehmen direkten Kurs auf Bermuda. Gespannt warten wir auf den nächsten vorhergesagten stärkeren Wind. Dieser kommt nachts, zwingt uns zwar zu einem etwas schlechteren Kurs, aber nicht in die Knie. Tagsüber werden wir genauestens observiert von Weißschwanz-Tropikvögeln, denen wir jedoch scheinbar als Landeplatz zu suspekt erscheinen.
Am Donnerstag setzt die Kälte ein. Wir sind flott, das Wetter ist angenehm, die Welle kommt von der Seite, was aber aufgrund unseres Halbwindkurses nicht zu störend ist. Nachts dreht der Wind Richtung Norden und es wir eisig kalt. Der Wind scheint direkt aus Neufundland zu kommen – brrr. Wir haben uns hier ja schon öfter beschwert, wenn es kalt war, aber wir sprechen jetzt von vier Schichten Gewand, Ölzeug, Haube, Schal, Handschuhe und sich im Windschatten der Sprayhood verstecken.






Frieren am Freitag
Der konstante, aber eisige Nordwind bleibt uns bis kurz vor der Ankunft in Bermuda erhalten. Etwa 50 Meilen vor dem Ziel wird es dann flautig und wir motoren noch ein Stück – ideal zum Anlegen und Laden der Batterien. Tatsächlich müssen wir noch die gesamte Insel passieren, denn die einzige Einfahrt nach Bermuda befindet sich im Osten der Insel. Dazu mehr nächste Woche.



Nach einer aufregenden Einfahrt zwischen Riff und Insel legen wir am Samstag um 23:45 Uhr während eines Regengusses nach 8 anstrengenden Tagen auf See an der Zollmole in St. George’s an. Trotz dieser späten Stunde werden wir sehr freundlich von den Zollbeamten in Empfang genommen, Musik schallt aus dem Pub nebenan. Schnell ist alles wieder gut. Formalitäten, Ablegen, Ankern in einem letzten Regenguss, Anstoßen und dann endlich 10 Stunden durchschlafen im spiegelglatten Wasser, bei Flaute…

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Have a bermudaful day!
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🇧🇲 Steckbrief Bermuda 🇧🇲
360 Inseln & Koralleninseln, 20 davon bewohnt
Lage: etwa 1.500 km östlich von Florida
Hauptstadt: Hamilton auf Grand Bermuda Island
Amtssprache: Englisch
Währung: Bermuda Dollar (= US $)
Fläche: 53,4 km2
Einwohner: 63.800
Entdeckung: 1511
Staatsform: Britisches ÜberseegebietDie erwähnten 360 Inseln sind alle in so unmittelbarer Nähe zueinander gelegen und mittels Riff oder Brücken so verbunden, dass sich Bermuda anfühlt wie eine einzige, langgestreckte Insel, die rundherum durch ein riesiges Riff geschützt wird. Die einzige Möglichkeit den geschützten Bereich zwischen Insel und Riff zu erreichen ist eine schmale Durchfahrt ganz im Osten. St. George’s, unser Ziel, ist dann gleich die erste Anlaufstelle.
Der erste bermudischer Vormittag, nach unserer bisher anstrengendsten Überfahrt, begrüßt uns mit Sonnenschein, Flaute und Kälte. Der erste Landgang führt uns vom Dinghidock wenige Meter in das älteste Pub der Insel. Das sagt schon etwas darüber aus, wie anders Bermuda im Vergleich zu den anderen karibischen Inseln ist. Mehrere Restaurants, Pubs und kleine Shops sammeln sich in dem höchst idyllischen Örtchen St. George’s um den dezent mit Musik beschallten und mit beschatteten Sitzgelegenheiten ausgestatteten Hauptplatz. Das Pub serviert uns große, gezapfte Bier. Zwar zu horrenden Preisen, aber immerhin keine kleinen Fläschchen. Schon beim Hinsetzen wird man nach dem Getränkewunsch gefragt – sehr europäisch anmutend. Essen auch sehr teuer, aber exquisit.




St. George’s
Bei einem anschließenden Stadtbummel entdecken wir unter anderem eine hervorragend ausgestattete Drogerie und ein Espressomobil, wo wir jeweils zuschlagen.
Am Montag steht die Zeit still. Zum einen zieht ein nicht ganz so tragischer, aber ungemütlicher Sturm über uns drüber, was eine Anlandung per Dinghi unnötig kompliziert machen würde, zum anderen ist Coronation Day. Als britisches Überseegebiet wird dieser hier zelebriert, was bedeutet, dass im Supermarkt Krönungstorten angeboten werden und ansonsten alles geschlossen ist. Besonders festlich begehen wir den Tag nicht, aber wir legen die Arbeit nieder, wie der König es gewollt hätte.
Am nächsten Tag bläst der Wind immer noch stark, aber es heißt Arbeit nachholen und wir waschen Wäsche, erledigen Einkäufe und putzen. Am Abend gibts Pizza im The Wharf mit der Crew der Alma, die unser moralischer E-Mailsupport auf der Überfahrt nach Bermuda waren.
Eine Woche vor Start der Überfahrt auf die Azoren öffnet dann das ARC-Office und wir können prompt unsere Sicherheitsinspektion erledigen. Alles safe auf der Mêlée!
Nach drei mehr oder weniger produktiven Tagen wird ausgeflogen: Unser erstes Ziel sind die Tropfsteinhöhlen ✨🧚 Fantasy Cave 🧚✨ und ✨💎 Crystal Cave 💎✨. Als Mitteleuropäer hat man schon mal Tropfsteinhöhlen gesehen, wir sind jedoch überrascht, dass diese auf einer so flachen Insel existieren. Der motivierte Tourguide ist sein Geld außerdem wert. Er erzählt uns, dass 1905 zwei Buben ihren Cricketball in einem sinkhole (zu deutsch heißt das wohl Doline oder Karsttrichter) suchten und dabei zufällig eine der beiden Höhlen entdeckten. Der nächstbeste, geschäftstüchtige Bermuderaner nutzte die Entdeckung prompt zu seinem kommerziellen Erfolg.






Fantasy und Crystal Cave, Grotto Bay
Nach der Höhlenerforschung fahren wir mit dem Bus ein Stück weiter in die Hauptstadt Hamilton. Diese tut es uns an. Nicht nur, dass wir seit langem wieder einmal urbanes Flair erleben, fühlt sich diese Stadt für uns wie Klein-London an. Pubs, Geschäfte, ein Bankenviertel, ein Fort – bezaubernd. Besonders beeindruckt uns auch der örtliche Businesslook, nämlich – Überraschung – Bermudashorts. Die pastellfarbenen 2,5 cm über dem Knie endenden Hosen werden wahlweise kombiniert mit Mokassins oder knielangen Strümpfen und Lederschuhen sowie Hemd und gegebenenfalls Krawatte und Sakko. Generell sind wir in der Stadt underdressed, werden aber trotzdem freundlich behandelt. Aus den Luxusbekleidungsgeschäften und zahlreichen Juwelierläden halten wir uns sicherheitshalber fern.







Hauptstadt Hamilton
Das englische Flair sollte uns die nächsten Tage noch etwas begleiten. Bis dahin, please… have a bermudaful day!
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Am Grunde des Ozeans
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5:45 Uhr Tagwache, wieder einmal Freizeitstress. Meine neugewonnen Tauchskills wollen erprobt werden. Die Tauchbasis, die wir auserwählen, befindet sich am ganz ganz anderen Ende der Insel. Es dauert zwar zwei Stunden, bis wir dort sind, aber mit nur einmal Umsteigen in Hamilton ist es eine recht gemütliche Anreise. Bei der Basis angekommen wird uns mitgeteilt, dass der Tauchgang leider ins Wasser fällt (oder eben gerade nicht), weil ein Tauchguide krank ist. Nach dem Aufstehen im Morgengrauen und Rückversicherung am Vortag sind wir erst einmal niedergeschlagen. Die Gegend Dockyard, wo wir nun gestrandet sind, ist als ehemaliger royaler Umschlagplatz und heutiges Kreuzfahrtdock immerhin sehenswert. Wir spazieren zwischen 100 Jahre alter Dockinfrastruktur, die jetzt für allerhand Freizeitaktivitäten (Jetskiverleih, Restaurants, Mall,…) genutzt wird, herum. Gegen Mittag erwischen wir die zweite Fähre der Saison nach St. George’s und unser Heimweg verkürzt sich damit um 1 Stunde und 35 Minuten zum selben Preis. Außerdem, juhuuu, einmal mit 25 kn durchs Riff düsen macht auch Spaß.




Royal Naval Dockyards
Unsere nun noch übrige Energie nutzen wir, um diverse kleine Reparaturen am Schiff abzuarbeiten, was uns effizient glückt. Am Abend findet die erste ARC-Veranstaltung statt, eine Happy Hour. Diese dauert 2,5 Stunden und das Bier ist 50 Cent günstiger (d.h. ein Seiterl Bier um 5,50$…). Trotz der Themenverfehlung eine nette Veranstaltung mit sehr gutem Fingerfoodbuffet. Wir fühlen uns gleich wieder gut eingemummelt in den Armen der ARC und erwarten mit Vorfreude die Ankunft unserer Gang der kleinen Boote, die aus Saint Martin anreisen.
Am Rückweg zum Schiff darf dann mein Handy erleben, was uns heute verwehrt wurde – ein Tauchgang. Blub blub blub – 6 m in die nächtlichen Ankerbucht.
Tags darauf klappt es dann endlich mit dem Tauchen. Wesentlich näher – wenn auch zu einem unerhörten Rekordpreis – finden wir eine Tauchbasis, bei der ansonsten alles ganz wunderbar klingt. Wir leisten uns den Luxus, denn Bermuda ist nur einmal im Leben! Es wird sich sehr gut um uns gekümmert und in drei Schichten Neopren mit Haube und Handschuhen sitzen wir bald am Tauchboot mit 20 Tauchbuddies. Unsere Tauchgruppe besteht dann aber nur aus uns, Guide Marlee und Farrah, der jüngsten Divemasterin der Gegend in Ausbildung. Wir ertauchen zuerst die Cristobel Colon, das mit 160 m Länge größte Wrack Bermudas – ein aufs Riff gelaufenes und posthum in tausend Teile gesprengtes Kreuzfahrtschiff. Im zweiten Tauchgang erkunden wir dann ein riesiges Riff mit mehreren Höhlen und Tunneln, die wir durchtauchen. Am Ende des halben Tages sind wir zwar durchgefroren aber höchst zufrieden mit diesen spannenden und auf gute Art fordernden Tauchgängen.






Tauchen in bermudischen Riffen
Am Abend dürfen wir eine Gombey Performance bestaunen, bei der der irgendwie gruselige, aber sehr beeindruckende und unterhaltsame Kampftanz der Insel dargeboten wird. Und Griselda, das erste Boot unserer Gang kommt an!





Event Location „Dinghi & Sports Club“
Markiert mittels Reitgewicht und Ankerboje liegt mein Handy seit nunmehr zwei Tagen am Grund der Bucht. Wir fassen uns nochmal ein Herz und schwimmen durch das eisige Wasser zur Boje. Nach mehreren Versuchen bei miserabler Sicht entdecke ich dann das schimmernde Objekt der Begierde und im nächsten Versuch erwische ich die glitschige Wasserleiche in 6 m Tiefe. Nach Frischwasserbad und einem Tag im Sack Reis muss das Projekt aber hinsichtlich der Reise nach Europa erst mal ad acta gelegt werden.
Wenige Tage vor unserer Abreise wechseln wir von unserem Ankerplatz auf die Towndocks, wo wir als drittes Boot im Päckchen liegen. Eine mehrmals tägliche, spannende Angelegenheit, zuerst über die italienische Grand Soleil 46 und dann die deutsche Hallberg-Rassy 54 (wauuu!!) zu klettern. Ein wunderbar geschützter Liegeplatz in nettem Ambiente gleich neben dem Rathaus. Am Abend findet die Siegerehrung für die Boote, die von Saint Martin nach Bermuda gesegelt sind, statt. Eine tolle Veranstaltung mit Rumverkostung und fantastischem Buffett, bei dem wir unsere Gang mit Zola dann fast vervollständigen.
Zwei Tage vor Abreise füllen wir Diesel (in einem überraschend komplizierten Prozess) und Wasser. Leider müssen wir dann unsere Wasserpumpe, die uns seit Wochen mit Unzuverlässigkeit belästigt, kurzfristig für tot erklären. Gleichzeitig erklärt sich aber Jim von der TimeOut bereit, einen Blick auf ebendiese zu werfen. Mit Erfolg! Nach einer einstündigen Tüftel- und Puzzelsession springt sie zögerlich an und funktioniert seither wieder. Trotzdem besorgen wir am nächsten Tag noch eine Ersatzpumpe, was als Drohgebärde gegenüber unserer rezenten Pumpe genügen sollte, um sie am Laufen zu halten.




Beim gemeinschaftlichen Wetterbriefing erkennen wir, dass Wind und Wetter uns diesmal voraussichtlich nicht in die Karten spielen. Das Ziel ist jedenfalls Horta auf der Azoreninsel Faial, rund 1.800 sm entfernt. Wir rechnen mit knappen drei Wochen Fahrtdauer, verfolgen kann man unsere genaue Position dann wieder über den ARC Fleet Tracker (gratis App oder PC-Browser erforderlich). Da wir so viele Daten am Satellitentelefon übrighaben: Wir freuen uns sehr über E-Mails (bitte ohne jegliche Anhänge!) an melee@myiridium.net.

Es gilt wieder einmal: Wir sehen (lesen, schreiben,…) uns auf der anderen Seite! Nicht ganz… aber weiter drüben als hier.
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Nowhere and back again
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Das Startsignal trötet, es geht los. Der Start von 30 Booten in der Bucht von Saint George’s ist der spektakulärste, den wir bisher hatten. Es geht nämlich gleich nach der Startlinie durch einen engen Kanal hinaus aufs offene Meer. Als die Boote sich hindurchzwängen, kommt eine Fähre entgegen – Planungsfehler? Naja, alles gut gegangen und bald können wir unseren ersten Kurs anlegen. Das Wetterrouting bereitet uns etwas Kopfzerbrechen, da es so aussieht, als bekämen wir an den Tagen 2-5 Gegenwind und danach hauptsächlich Flaute.



Nicht lange später finden wir uns auch schon auf dem angemessenen letzten Platz der Flotte wieder und segeln bei sonnigem, aber kühlem Wetter auf gemächlichem Halbwindkurs. Die nächsten 12 Stunden sollten eher langweilig werden, abgesehen von hunderten Portugiesischen Galeeren, die hier wohl so etwas wie eine Plage sind. Ernsthaft mal – hoffentlich kommt keine über Bord geschwappt. In der Nacht müssen wir schließlich motoren, damit haben wir gerechnet. Wir tuckern also mittels Autopilot durch die Dunkelheit, bereits da fällt uns ein Klacken aus dem Ruderstand auf, wie wir es schon kennen, wenn die Ruderseile in der Anlage nicht ganz festgezogen sind. In den frühen Morgenstunden begegnet uns ein entspannter Buckelwal, der sich in 100 m Entfernung sonnen lässt. Und wieder zahlreiche Portugiesische Galeeren. Gruselig.
Da uns das seltsame Klackern des Ruders bei Tageslicht immer noch nervt, gehen wir der Sache auf den Grund. Mit Schrecken bemerken wir, dass das Steuerrad ohne Wirkung durchdreht, und finden sogleich auch die Ursache dafür: Ein Ruderdrahtseil ist nahe beim Quadranten gebrochen. Das kann doch nicht wahr sein. Vor 4 Monaten haben wir es in Grenada inspizieren und servicieren lassen, von einem Tausch wurde uns aufgrund seines guten Zustandes sogar abgeraten.
Wir evaluieren die Situation. Steuern ist möglich, aber nur mit Autopilot, der vom Ruderseil unabhängig arbeitet. Sollte dieser ausfallen, und dazu neigen Autopiloten leider, bleibt uns nur noch die Notpinne als Steuermöglichkeit. Diese ist nur bei guten Bedingungen und mit viel Kraft handelbar. Wollen wir uns 3 Wochen voll und ganz auf den Autopiloten verlassen? Da wir bisher sehr langsam unterwegs waren, sind wir erst 70 sm von Bermuda entfernt und könnten auch umkehren. Eigentlich haben wir ein Ersatzruderseil für genau diesen Fall gekauft, doch auch nach zwei Stunden experimentieren gelingt es uns nicht, insbesondere in Fahrt mit dem Ruder in ständiger Bewegung, das Seil zu tauschen. Wir entscheiden uns für die Sicherheitsvariante und kehren um, Kurs Richtung Bermuda. Was für ein Rückschlag. Oder wie eine alte Seemannsweisheit (Danke Andi & Benni) besagt: Ist das Ruderseil gerissen, wird die Überfahrt beschissen.
Immerhin mögen wir Bermuda sehr gern und es besteht Hoffnung, dass sich das Problem mit richtigem Werkzeug und einem Fachmann recht schnell lösen lässt. Eine Pizza ist hoffentlich auch drin. Wir starten also frohen Mutes unseren Rückweg, als die erwartete Kaltfront aufzieht. Wir haben nun eindeutig den besseren Kurs als die restliche Flotte, die gegen Welle und 25 kn ankämpfen muss. Eine ungemütliche, eisigkalte und finstere Nacht, die mit einer Brecherwelle, die uns um annähernd 90° krängt, ihren Tiefpunkt erreicht. In dieser Welle verlieren wir unsere bereitgelegte Notpinne (jetzt hängt alles vom Autopiloten ab!) und die gute Winschkurbel, Pia fliegt unverletzt durch den gesamten Salon und Bernhard wird über dem Auge von einer Powerbank getroffen. Das haben wir noch gebraucht.
Etwas weniger frohen Mutes kommen wir, nach absichtlich sehr langsamer Fahrt, bei Sonnenaufgang zurück in Bermuda an, wo uns ein spektakuläres Anlegemanöver, nur zu zweit und nur mit Autopilotsteuerung glückt.






Griselda, ein Boot unserer Gang, sowie Time Out, die wir in den Bahamas kennengelernt haben, sind noch in Bermuda und so fühlen wir uns bei der Rückkehr nicht so einsam und zurückgelassen.
Wir bestellen eine neue, maßanagefertigte Notpinne, die innerhalb von einem Tag fertig wird. Für dieses Angebot kann man natürlich verlangen, was man will… Mit dem Ruderseil kann uns leider in der nächsten Woche niemand helfen und so machen wir uns an die Erforschung des Systems. Es ringt uns körperlich und geistig einiges ab, aber nach ein paar Stunden blicken wir durch. Mit Hilfe von Victor, einem neuen Crewmitglied von Griselda (auch eine spannende Geschichte, aber nicht unsere) gelingt uns bald der Tausch des ersten Seils. Aufgrund von Abnutzungserscheinungen am zweiten Seil wollen wir aber auf Nummer Sicher gehen. Bernhard besorgt weitere Ersatzteile in Hamilton und die lustige Bastelei geht mit Seil Nummer 2 weiter. Eine mühsame Arbeit mit emotionalen Höhen und Tiefen.
Beim gemeinsamen Abendessen mit der Crew der Griselda kommen wir zu unserer Pizza und jammern uns gegenseitig mit den unterschiedlichen Schicksalen der Zurückgebliebenen bzw. – gekehrten an. Gleichzeitig sind wir aber auch froh gerade nicht Am Wind durch eine Front segeln zu müssen. Vor uns liegt nun noch ein Tag mit viel Arbeit, denn natürlich muss punkto Tankfüllungen, Proviantisieren etc. alles nochmal wiederholt werden. Am Sonntag wollen wir gemeinsam mit Griselda und zwei weiteren zurückgebliebenem Booten der ARC Europe, einen neuen Versuch starten. Das Wetterfenster schaut etwas besser aus. Hätte alles schlimmer laufen können, die Stimmung könnte aber besser sein.
Heute gibt noch Kuchen zur Beruhigung der Gemüter und dann starten wir hoffnungsvoll Versuch Nummer Zwei.
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Zurück nach Europa
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Die Überfahrt von Bermuda auf die Azoreninsel Faial sollte am Ende 18 Tage und 16 Stunden dauern. Damit war sie für uns, obwohl 400 sm kürzer, sogar länger als die erste Atlantiküberquerung von den Kap Verden nach Grenada im November. Unsere gesamte Odyssee haben wir diesmal in einem langen Beitrag mit viel Gesuder zusammengefasst. In Teil 1 eine retrospektive Betrachtung, in Teil 2 ein tägliches Logbuch mit Emotionen frisch vom Schiff.
Rückblick
Schichtwechsel in 15 Minuten! Schiiiichtwechsel in 15 Minuuuten! schallt es vom Niedergang herab in den Salon. Als Antwort kommt ein schläfriges Grunzen. Diese Methode des Aufweckens hat sich als verlässlich herausgestellt, um pünktlich abgelöst zu werden. Es ist 03:00 Uhr, ein eisiger Wind weht, es schüttet, das Cockpit ist nass und salzig. Seit Tagen trocknet das Ölzeug nicht mehr komplett durch, was bedeutet, die Nachtschichten beginnen damit, dass man sich in kühles, feuchtes Gewand zwängt. So oder so ähnlich kämpfen wir uns durch große Teile dieser Passage.
Aber zurück zum Anfang: Wir sehen dem zweiten Startversuch nach den technischen Problemen im ersten Anlauf aus mehreren Gründen entspannter entgegen. Zum einen haben wir keinen Stress mehr, rechtzeitig zur ARC-Deadline auf den Azoren anzukommen. Das kann sich jetzt, dank vier Tagen Verspätung, gar nicht mehr ausgehen. Der Stress eines Massenstarts fällt diesmal auch weg, und am Vorabend haben wir es im Rekordtempo geschafft, die neuen Steuerseile fertig zu installieren und Mêlée wieder fahrtüchtig zu machen. Und nicht zuletzt scheint es diesmal ein besseres Wetterfenster für uns zu geben.
Wie wir inzwischen aber wissen, gibt es im Vergleich zur Ost-West-Richtung kein perfektes Wetter. Ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen zieht über den Atlantik Richtung Osten, hunderte Seemeilen lange Fronten vor sich herschiebend. Eine passierende Front bedeutet immer schlechtes Wetter: Böigen, stürmischen Wind, Regen, Gewitter, Squalls. Ein Vermeiden ist meist nicht möglich, man kann nur versuchen, diese gut vorbereitet und möglichst kontrolliert über sich ergehen zu lassen und im besten Fall die Ausläufer zu nutzen, um schneller voranzukommen. Und dann gibt es noch das berühmte Azorenhoch, das im krassen Gegensatz dazu für tagelange Flaute sorgen und somit die Dieselvorräte gefährden kann.
Und wie haben wir das Wetter dann wirklich auf der Überfahrt erlebt? Einige Stunden zwischendurch sind die Bedingungen sonnig und angenehm, meistens fühlt es sich aber an wie der viel zitierte härteste Job Alaskas, mit durchdringender Kälte, Nässe und heulenden Winden. Wir rufen zweimal täglich Wetterupdates per Satellitentelefon ab, setzen jeweils vor dem erwarteten Aufrücken eines Tiefs, oder dem Durchzug einer Front die Sturmfock, ansonsten sind wir meist mit stark gereffter Genua und Großsegel unterwegs. In den seltenen schwachwindigen Stunden brauchen wir insgesamt 100 l Diesel – ein klassisches Azorenhoch erleben wir aber nicht. Die Nächte teilen wir ob der kalten und nassen Bedingungen in vier 2,5 h-Schichten auf.





Atlantikwetter: Grau in grau, grau mit Regen oder Regen mit Gewitter
Bei der Rationierung und Proviantierung haben wir gut kalkuliert. Bis zum Schluss – auch bei widrigen Bedingungen – gibt es täglich eine warme, frisch gekochte Mittagsmahlzeit, z.B. Milchreis, Chili, Risotto, deftiges Chorizo-Gröstl oder Mac’n‘Cheese. Das frische Gemüse reicht etwa für die Hälfte der Zeit, danach geht es an die Erdäpfel, den Kohl und an das buchstäbliche Eingemachte. Nach dem Aufessen der in Bermuda gekauften Brote backen wir drei frische Brote, die unterschiedlich gut gelingen. Kaffee kochen ist eine Höchstleistung, funktioniert aber meistens, wenn nicht gerade einer Salzwasser zum Kaffeekochen verwendet. Das funktioniert zwar auch, schmeckt aber nicht so gut. Trink- und Nutzwasser haben wir mehr als ausreichend, obwohl der Druckschalter der Wasserpumpe nach einer Woche erneut den Geist aufgibt und wir ab dann einen umständlicheren Frischwasserzugang haben. Abgesehen vom genannten Druckschalter und eines durchkorrodierten Solarpanelkabels – beides provisorisch reparabel – erleiden wir glücklicherweise keine gravierenden Schäden, insbesondere das frisch gewartete Steuersystem und der Autopilot machen einen fantastischen Job.







Hauptbeschäftigungen: Schlafen, essen & reparieren
Auf der Überfahrt besuchen und begleiten uns sieben Mal Delfine, kleine und größere Schulen, und wir sehen zwei Wale in der Ferne, inklusive zweier Sprünge. Erstaunlich für uns sind die abertausenden Quallen – Portugiesische Galeeren – die über die gesamte Strecke neben uns vorbeitreiben. Mit ihren bis zu 50 m langen Tentakeln werden sie auch floating terror genannt. Uns attackieren sie jedenfalls nicht, aber manche von den plastiksackerlartigen, blass-lila Gruselwesen kippen dramatisch um und stellen sich wieder auf, wenn wir knapp an ihnen vorbeifahren. Naja, schwimmen reizt uns bei den Temperaturen sowieso nicht. Was uns auch wieder überrascht, sind die Vögel, die uns täglich umkreisen, obwohl das nächste Land 1.000 sm entfernt ist.




Meeresbewohner der Hochsee
Am Abend von Tag 18, dem 8. Juni 2023 heißt es endlich Land in Sicht! als wir die Azoreninseln Faial und Pico vor uns aufragen sehen. Noch ein paar Meilen um das Kap herum, ab an den Zollsteg von Horta, und dann – im Sonnenaufgang – haben wir es geschafft! Hin und wieder zurück: Wir haben zwei Mal innerhalb eines Jahres zu zweit auf 40 Fuß den Atlantik überquert!
Logbuch
Tag 0
Nach einem Kuchenfrühstück packen wir unsere sieben Sachen, kaufen doch noch zwei Zwiebel und sind praktisch bereit zum Ablegen. Wäre da nicht die Zollbehörde. Bei unseren ersten drei Kontakten mit Customs & Immigration wurden wir sehr gut behandelt und zügig abgefertigt. Heute sehen wir bereits in der Früh eine Warteschlange, in der wir ab dem späten Vormittag dann selbst auch 3 Stunden verbringen. Das derzeitige Wetterfenster wollen viele nutzen und mit Vorder- und Hintermännern und -frauen tratschend meistern wir auch noch diese bürokratische Hürde. Am frühen Nachmittag werfen wir erneut die Leinen los.


Ein Schluck für Neptun: Hat er wohl nicht mitbekommen
Tag 1
Bedeckter Himmel, Welle, zügiger Am Wind Kurs. Wir kommen gut voran, die Bedingungen sind stabil, nur kämpfen wir mit Powernaps gegen die aufkommende Seekrankheit, die sich gern mal, in den ersten Tagen einer Passage, bemerkbar macht.
Tag 2
Es bleibt grau in grau, jedoch trocken. Die zweite Nacht bietet regelmäßige Wechsel in Windrichtung und -stärke, alles in allem stimmt der Kurs aber.
Tag 3
Der Wind wird stärker, die ganze Nacht wird wie erwartet nicht schön. Wasser kommt über, Wellen krachen ohrenbetäubend gegen den Rumpf, alles scheppert und klirrt. Wir wechseln uns stündlich ab, reffen nach und nach, bis nur mehr ein kleiner Fetzen Großsegel uns gemeinsam mit der Sturmfock vorantreibt.




Sturmfock: Wenn es rau wird
Tag 4
Der ganze Spuk endet dann zum Glück früher als erwartet im Laufe des Tages und war mit einem einmaligen Aufblitzen einer 30 auf dem Windmesser auch nicht ganz so schlimm, wie vorhergesagt. Der Tag wird immer gemütlicher und wir platzieren Kleidung und Füße in den sehr vereinzelten Sonnenstrahlen zum Trocknen.
Tag 5 – ¼ der Wegstrecke
Bei moderaten Bedingungen bemerken wir, dass unsere Solarpaneele keinen Strom mehr liefern. Der Fehler – eine gebrochene Kabelverbindung – ist rasch gefunden und behoben. Wir haben wieder Energie! Auch dank einer ruhigen Nacht und köstlichen Zucchiniburgern.
Tag 6
Der Wind dreht und bringt uns einen Raumwindkurs, später sogar einen Vorwindkurs, den wir mit Schmetterlingsbesegelung fahren. Schaukel, schaukel, schaukel, so kennen wir unsere Atlantikpassagen. Dafür sind wir flott unterwegs. Wir kämpfen mit dem Empfang von Wetterdaten. Eine unserer Lieblingsmeldungen: Failed to connect to network. Done.
Tag 7
In der Nacht erwischt uns ein Squall. Knappe 2 Stunden Platzregen und 25 kn bescheren einer von uns eine richtig ungemütliche Nachtschicht, während der andere gut schläft. Der Tag bietet uns grönländischen Nordwind.
Tag 8
Seefahrer fürchten den Sturm, mehr jedoch die Flaute – Käpt’n Blaubär. Nach einer langsamen, nur teils segelbaren Nacht folgt ein Tag gänzlich ohne Wind und wir genießen die relativ ruhige See. Zur Flautenfeier (man muss die Feste feiern wie sie fallen) gibts einen Riesentopf Chili und das erste selbstgebackene und ganz gut gelungene Brot dieser Überfahrt.
Und endlich, endlich begrüßen wir erstmals Hochseedelfine! Eine riesige Schule begleitet uns zum Sonnenuntergang fast genau zwischen Bermuda und den Azoren.
Tag 9 – ½ der Wegstrecke
Man plant und plant und dann kommt alles anders. Unausweichlich überrascht uns eine Front in den frühen Morgenstunden. Vor der ersten 30 auf der Windanzeige können wir noch die Sturmfock setzen und schon hüpfen wir Am Wind durch die Wellen und werden von See und Himmel nass gespritzt. In der Frage um Sturm oder Flaute: Flaute. Wir mögen lieber Flaute.
Tag 10
Spaß macht das keinen.
Tag 11
Ein Tag Leichtwindsegeln und Socken trocknen in der Sonne belebt die Gemüter. Zudem bekommen wir wieder erfreulichen Besuch von einer Delfinschule! Leider war das in den letzten Monaten immer ein Omen für eine stürmische Nacht. Wir werden sehen.




Trocknen
Tag 12
Es folgt eine stürmische Nacht, die in einen stürmischen Tag übergeht. Eine graue, ruppige See, die für uns eher wie das Polarmeer im Jänner aussieht als der Atlantik im Juni mit bis zu 39 kn Wind. Mittags gibts ein wärmendes Erdäpfelsüppchen im Nieselregen.
Und wie wir so durch das graue, regengepeitschte Wasser segeln und uns fragen was Neptun noch für uns parat hält, zieht ein Gewitter auf. Die Blitze verfehlen uns und läuten fast schon das Ende dieses Horrortags ein. Ein Winddreher – und das selbe Gewitter erwischt uns zur Krönung nochmal. Dann folgt eine ruhige Nacht, in der wir im feuchten Ölzeug vor uns hinfrieren.


Suppe wärmt Finger und Seele
Tag 13 – ¾ der Wegstrecke
Ein fast sonniger Morgen wird zu einer regenverhangenen Flaute. Wieder alles grau in grau. Am Nachmittag setzt dann aber wieder ein gut segelbarer Wind ein und wir freuen uns über kleine Dinge, wie trockene Füße, eine warme, 30-sekündige Dusche und Beans & Rice.




Tag 14
Bis Mittag können wir Leichtwindsegeln im Sonnenschein – am Nachmittag kämpfen wir uns wieder durch eine Gewitterwand. Delfine, Bringer des Sturms, begleiten uns im Bug. Das Radar, zum Aufspüren und Verfolgen von Squalls, ist im Dauereinsatz. Ein spannendes Phänomen ist, dass wir Blitze am Funk hören können: Melee, Melee, this is Blitz, Blitz. Over.
Tag 15
Ein Winddreher über die nächsten zwei Tage sollte uns auf unserem derzeitigen Am Wind Kurs direkt ans Ziel bringen. Es gilt: Wer fiert, verliert! (sponsored by SwdT)
Eine ruppige Welle von schräg vorn macht jede noch so kleine Handlung zum Work Out. Aber immerhin regnet es nicht. Tatsächlich sehen wir zum ersten Mal während dieser Passage mehr blau als grau.
Tag 16
Redemption day. Großteils blauer Himmel, wärmende Sonne, moderater Wind. Wir düsen Am Wind auf einem immer besser werdenden Kurs und die letzten Wochen wirken gar nicht mehr so tragisch. Die Vögel, die uns umkreisen werden zahlreicher und langweiliger. Möwen statt Tropikvögel.
Tag 17
Erst düsen, dann dümpeln wir endlich auf direktem Kurs zum Ziel. Angenehmes Leichtwindsegeln bei Sonnenschein. Zwei Tage Ausgleich für die letzten zwei Wochen – fair enough.






Finales Leichtwindsegeln
Tag 18
Nach einer gemütlichen, großteils segelbaren Nacht bergen wir am Morgen die Segel endgültig und wechseln für die letzten knapp 100 sm auf die eiserne Genua. Dann sitzen wir unsere letzten Stunden ab. Um 6:30 laufen wir schließlich im Hafen von Horta ein.
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Landfall in Faial
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Mit den ersten Sonnenstrahlen entern wir also das weitläufige, dicht beankerte Hafenbecken von Horta auf der Insel Faial auf den Asorresch (so in etwa spricht man das aus). AM PÄCKCHEN LIEGEN wird hier großgeschrieben. Großgeschrieben wird in diesem Fall zusammengeschrieben. Zum Einklarieren legen wir uns gleich mal als Dritter längsseits auf ein türkisches Schiff – ohne Hilfe der Nachbarn, weil diese um 6:30 Uhr fairerweise noch schlafen. Nach dem Einklarieren werden wir zwei Plätze weitergeschickt und liegen dann, ebenfalls als Dritter, neben einem Katamaran – eines der letzten verbleibenden Boote der ARC-Flotte in Faial. Wenige Tage später will das innerste Boot weg, drei Boote legen ab, zwei wieder an. Noch einen Tag später legt ein Boot eines anderen Päckchens ab und ein Katamaran legt sich im Zuge dessen zu uns. Während dieser Manöver pfeifen wir fröhlich die Tetris-Melodie. Ein ständiges, buntes Hin- und Hergeschachtel.




Einmal umfallen und wir sitzen beim wohlverdienten Bier im berühmten Peter Cafe Sport. Das Krügerl Bier ist nicht nur köstlich, sondern kostet 3,5 € und damit ein Drittel (nicht übertrieben) der letzten karibischen Biere auf den Bahamas. Ein absoluter Traum. Auch das Essen ist günstiger und besser. Nur die lokale Spezialität – Limpets – sind nicht ganz mein Fall.








Kulinarische Ergüsse
Sowohl die Landschaft als auch der Ort gefallen uns: Neben sanften, sattgrünen Hügel liegen Steilküsten, die ins Meer hinabstürzen. Von der Südküste hat man Ausblick auf die Nachbarinsel Pico mit ihrem beeindruckenden, namensgebenden Vulkan. Diesen sehen wir in allen Wetterlagen: klar, wolkenverhangen und zuletzt im dichten Nebel gar nicht. Das Wetter auf den Azoren wechselt mehrmals täglich zwischen verschiedenen Jahreszeiten hin und her.



Horta, die größte Siedlung der Insel, ist gestaltet mit hübschen Parks, weitläufigen Plätzen und dekorativ, gepflasterten Gehsteigen. Gleich neben der Marina liegt wieder einmal ein Fort.







Einsatz von EU-Geldern
Das gestalterische Highlight von Horta sind jedoch die Insignien tausender Boote, die in Acrylfarbe, teils mit beeindruckend schönen Gemälden, über fast 500 m mosaikartig das gesamte riesige Marinagelände zieren. In zweitägiger Arbeit hinterlassen wir auch unseren Stempel auf der Mole. Nach dem Grundieren lassen wir als Hinweis und Schutz der nassen Farbe zwei Wasserkanister und die Farben neben der frisch lackierten Fläche stehen, wie wir das bei anderen malenden Crews abgeschaut haben. In der Nacht dieses Samstag Abends stolpert jedoch leider eine feiernde Person mit ziemlich viel Schwung über Dunkelblau, wodurch ich Phase Zwei des Pinselns erst mal mit Korrekturarbeiten beginne. Der Rest der Bemalung funktioniert jedoch reibungslos und ich bin überraschenderweise ausgesprochen zufrieden mit dem Ergebnis. Wir sind gespannt, wie lang man uns sehen wird!




Mêlée malt
Im Rahmen eines lokalen Festivals spielt eine Pianistin auf ihrem Klavier, das am Heck ihres Zweimasters mittels Spezialkonstruktion ausfahrbar montiert ist. Schon das zweite Bootskonzert das wir sehen, abgesehen von Kroaten mit Ziehharmonikas. Kleine Bier kosten 1 €.
Wir frönen den europäischen Verlockungen: Peters Gin Tonic, hervorragendes Thunfischsteak um unter 20 €, köstliche Backwaren in süß und salzig,… Alles in allem gefällt uns die erste Azoreninsel so gut, dass wir uns fragen, warum wir eigentlich so weit weggefahren sind.
Unsere letzte Überfahrt, für vermutlich zu lange Zeit, führt uns auf die 150 sm östlich gelegene Insel São Miguel. Wir wechseln zwischen angenehmem leichtwindsegeln und motoren. Ein Abschluss, der einen das Segeln vermissen lassen kann.
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São Miguel: Seen und gesehen werden
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Unsere letzte Überfahrt von Faial nach São Miguel beschert uns die angenehmste Welle seit langem bei wenig Wind. Zwei Drittel der 150 sm motoren wir. Erneut schaffen wir es kurz nach Sonnenaufgang an der Zollmole unserer langfristigen Destination Ponta Delgada anzulegen. Wir bekommen einen schönen geschützten Platz im östlichen Teil der Marina. Im Laufe der nächsten Stunden und Tage werden wir noch zu insgesamt fünf Umparkmanövern gezwungen, fahren von einem Ende der Marina zum anderen und wieder zurück. Ein Platz wird uns weggeschnappt, der nächste ist zu groß, einer zu ungeschützt. Schade, dass es davon keine Luftaufnahme im Zeitraffer mit Benny-Hill-Titelmusik gibt.
Am Nachmittag kommen Uschi und Pez, die uns mit leeren Koffern beim Umzug helfen, mit dem Mietauto angerollt. Der traditionelle Begrüßungscocktail wird ersetzt durch 2 €-Krügerl im nächstbesten Beisel, wo wir zufällig auch noch köstliche Snacks bekommen.





Mit besagtem Mietauto und besagten Begleitern machen wir am nächsten Tag einen Ausflug zu den Lagos das Sete Cidades im Westen der Insel. Wir kämpfen uns durch dichten Nebel und vermuten schon ähnlich viel zu sehen wie vom berüchtigten Soufflé auf Guadeloupe.



Wieder ein gelungenes Sightseeing
Doch siehe da – der Nebel rückt ein Stückchen höher und wir können vom Berg aus die imposanten Kraterseen in ihrem grünen Kraterbett sehen. Dann schauen wir uns dieselben Seen noch von Seenebene an und sekkieren Enten mit akkuraten Imitationen ihrer selbst.












Lagos das Sete Cidades mit Enten
Wir klappern in weiterer Folge noch die sehenswerten Plätze der West- und Südwestküste von São Miguel ab, darunter mehrere Miradoure mit Ausblick auf nebelverhangene Seen, schroffe Felsküsten, einen Leuchtturm und einen Esel. Alle Straßen sind gesäumt von Unmengen an riesigen, blau bis rosa blühenden Hortensien.















Sightseeingrunde mit Sicht
Doch noch immer steht die Kulinarik im Vordergrund unserer Zeit auf den Azoren. Hier ein Steak an der Mole, da ein Burger im Pub, dort eine Pizza im Hipsterlokal. Einmal bekommen wir zu unserem Dinner ein gratis Blueskonzert. Die Biergrößen sind ähnlich ungenormt wie in Italien. Beim Bestellen eines großen Biers bekommen wir einmal 0,2 l, als wir woanders ein kleines bestellen, bekommen wir 0,4 l. 0,3, 0,48 und 0,5 gibts auch.



Essen und packen
An den meisten unserer letzten Tage auf den Azoren sind wir damit beschäftigt, unsere sieben (oder eher tausend) Sachen in Koffer zu stopfen und Mêlée darauf vorzubereiten, auf ihrem sprichwörtlichen eigenen Kiel zu stehen. Einen halben Tag nehmen wir uns dann aber noch für einen Tauchgang und das ist gut so. Eine wichtige Erkenntnis des letzten Jahres für uns war es, sich absichtlich Zeit für Freizeit einzuteilen. Klingt blöd nach einem Auszeitjahr, aber auf einem Boot geht einem die Arbeit niemals, niemals aus.
Wir erreichen die schnuckelige Tauchbasis bei grauem Himmel und dezentem Nieselregen. Für die sonst stressige Startphase wird hier eine Stunde anberaumt und wir fühlen uns gut und warm aufgehoben in unseren 7 mm Neoprenanzügen. Wir starten zu zehnt mit dem RIB und sind aufgeregt ob unserer ersten Rolle rückwärts vom Rand des Tauchboots in den 18°C kühlen Atlantik. Dann begegnen uns Delfine und die fröstelige Stimmung der Bootscrew wird sofort erhellt – diese Narren wissen wohl nicht, dass das eine schreckliche, stürmische Nacht bedeutet… Für den Moment freuen wir uns aber auch über unsere quietschfidelen Begleiter. Beim ersten Tauchgang stellen wir fest, dass es hier eine ebenso sehenswerte Unterwasserwelt wie in der Karibik gibt – bunte Fischlis, gigantische Barsche und Einsiedlerkrebse, Seesterne, nur der Meeresboden ist nicht ganz so bunt. Dann kehren wir zum Aufwärmen zur Basis zurück und der zweite Tauchgang, bei dem wir nur noch zu siebt unterwegs sind, zum Schiffswrack Dori ist unser liebster bisher. Ein beeindruckend erhaltenes Kriegsschiff aus dem 2. Weltkrieg, das von Schiffsschwärmen a la National Geographic bewohnt wird. Und ein Urzeitwesen: Ein mindestens 5 m langer Rochen, der sich im Sand neben dem Wrack friedlich ausruht und uns mit seinen tellergroßen Augen verfolgt. Auch für unsere Tauchguides ein noch nie dagewesenes Spektakel.







Azorisches Abschlusstauchen
Zurück an der Oberfläche schmeckt das Dekobier, nach einer heißen Dusche, besonders gut, trotz anhaltendem Nieselregen und Nebel. Zum Abschluss werden feierlich die Schnorchel eingewintert.
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Captain’s Dinner
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Unsere letzte Nacht an Bord der Mêlée sollte denkbar kurz werden. Nach drei Stunden Schlaf klettern wir noch im Dunkeln zwischen aufgestellten Pölstern, der offenen Bilge, Leinen und Springs auf den Fingersteg und sprechen unsere letzten Abschiedsworte für unbestimmte Zeit. Doch spulen wir zunächst 24 Stunden zurück:
Der erste Koffer ist mit Uschi und Pez schon am Weg nach Hause, zwei 10 kg Pakete geben wir am Vormittag in einer 1,5-stündigen Prozedur bei der Post auf und unsere beiden großen Reisetaschen sind bereits im Mietauto verstaut. Wir putzen, verstauen und vertäuen noch dies und das, als uns der Caretaker Thomas, in dessen routinierte Hände wir Mêlée für das nächste Jahr übergeben, einen kurzen Besuch abstattet. Er betreut mehrere Schiffe in der Marina, kontrolliert Leinen, Bilge, lüftet und entfeuchtet. Dank ihm parken wir am Vormittag nun auch noch ein fünftes Mal innerhalb der Marina Ponta Delgada um, um in einem möglichst geschützten Teil, hinter dem Wellenbrecher und den riesigen Tankern, untergebracht zu sein. Thomas ist zufrieden mit dem neuen Liegeplatz und nach ein paar Adjustierungen auch mit den Festmachern.
Abends bleibt noch genug Zeit, um ein letztes Mal fein Essen zu gehen – Fisch steht am Speiseplan. Nach einem kurzen Bummel durch die Stadt entdecken wir ein schnuckeliges Restaurant und bekommen prompt den letzten freien Tisch. Wir bestellen beim freundlichen und etwas extravaganten Kellner das Highlight der Karte, den Fischeintopf für Zwei mit 30 Minuten Zubereitungszeit. Nach der Vorspeise – Oktopussalat – und fast einer ganzen Flasche azorischem Riesling, klirrt und scheppert es plötzlich und unser Kellner liegt hinter der Theke mit einer Speise am Boden, die verdächtig und köstlich nach Fisch und Meeresfrüchten riecht. Wortlos richtet er sich auf und schreitet voll besudelt aus dem Lokal. Seine zwei Kollegen kümmern sich um die wohlriechende Sauerei, bevor einer der beiden zu uns kommt, die leere Flasche Wein betrachtet und uns fragt, worauf wir eigentlich noch warten.
Er erklärt uns schockiert, dass die Küche nichts von einem Fischeintopf weiß und deshalb noch nicht einmal begonnen hat, ihn zu kochen. Wir wollen ihn trotzdem haben, willens, nochmal 30 Minuten zu warten, und als Belohnung für unsere Hartnäckigkeit gibt es für uns noch eine Flasche Wein aufs Haus. Ob die Sauerei am Fußboden in Wirklichkeit unser Eintopf war, wird zwar negiert, doch die ganze Wahrheit werden wir wohl nie erfahren. Kurze Zeit später kommt unser wieder fein herausgeputzter Kellner zurück durch die Lokaltür, noch etwas blass, und macht sich wieder an die Arbeit, fühlt sich aber nicht mehr für uns verantwortlich. Dann kommt endlich unser großer, dampfender Topf mit fish stew, mit dreierlei Fisch, Garnelen und Muscheln und wir bereuen nichts. Recht überfressen, nach zwei Flaschen Wein und noch zwei Ananaslikören aufs Haus beginnt unsere letzte Nacht am Boot in dem Wissen, dass der Wecker für unseren Heimflug in 3 Stunden läuten wird.

Captain’s Dinner: Fischeintopf
Das macht immerhin den Abschied weniger sentimental. Frühmorgens werfen wir unser Schlüsselkarte für den Steg in die dafür vorgesehene Box, um wenige Minuten später zu bemerken, dass wir diese noch zur Ausfahrt aus dem Marinagelände brauchen. Nach kurzem Grübeln und Herumstreunen auf dem weitläufigen Areal finden wir einen schlafenden Nachtwächter, der überglücklich ist, uns um 4:30 Uhr den Schranken zu öffnen.
Nach einem unbeschwerten, aber langen Reisetag kommen wir abends endlich zu Hause an und sind damit auch sehr ausgesöhnt und zufrieden. Beizeiten wollen wir noch ein Fazit zu unserem Auszeitjahr posten mit Zahlen, Fakten, Erfahrungen und Reisemottos. Jetzt legen wir uns aber erst mal in unserem Chaos schlafen.




