Noch ein Gastbeitrag:
Schon in den ersten Stunden unserer Überfahrt mit Kurs auf Portugal ist die komplette Tiersichtungswunschliste erfüllt: Delfine, Schildkröten, bunte Fische, Buckelwale – check! Besser hätte die Überfahrt eigentlich nicht starten können.
Dann kommt die erste Nacht. Und mit ihr: Sprühregen. Seekrankheit. Atlantikwelle. Und so wirklich weit weg sieht Santa Maria am Plotter noch nicht aus…
Und obwohl uns Pia und Bernhard mental exzellent auf die Langfahrt vorbereitet haben: In der Theorie ist ein Ihr werdet in der ersten Nacht wahrscheinlich nicht schlafen anders, als wenn man um 6:30 Uhr nach einer schlaflosen Nacht seine Frühschicht antritt und maximal 90 Sekunden unter Deck stehen kann, ohne dass einem übel wird. Eventuell fragen Robert und ich uns in den ersten beiden Tagen, ein, zwei Mal was genau gegen Wanderurlaub in Tirol gesprochen hat.




Während meiner ersten Nachtschicht überlege ich fast durchgehend, wann wohl die erste Welle über Deck bricht – und ob so ein Segelboot wohl wirklich nicht so leicht kentern kann. Spoiler: Ich bin trocken geblieben und wir sind nicht gekentert. Und irgendwann – nach den zähen ersten 48 Stunden stellt sich tatsächlich auch irgendwann Freude ein: stabiler Halbwindkurs, Tunfischpasta, zauberhafter Sonnenuntergang und glitzerndes Plankton bei Nacht.
Der Wind wird kontinuierlich schwächer und während wir uns über das ruhige Segeln freuen, kündigt sich die mit dem Azorenhoch verbundene Flaute an. Nach einem kurzen Rätselraten gefolgt von einer Recherche in den Bootspapieren, wie viel Liter der Dieseltank nun tatsächlich fasst (es sollten 200 sein), und dem Back-Up-Plan, dass wir im Zweifel auch noch nach Madeira abbiegen könnten, können wir den Leichtwind und die ruhigere See genießen.
Wir sichten an diesem Tag sicher 30 Schildkröten, die das wärmere, ruhige Wasser an der Oberfläche genießen und sanft umkippen, wenn sie von unserer Bugwelle erwischt werden. Wir nähern uns dem alkoholfreien Halbzeitbier, das wir dann dank Flaute sogar auf dem Cockpittisch genießen können. Musikalisch werden wir mit einer Schlager/Austropop Live-Musik Gitarren-Session beglückt.



Nach vier Tagen auf See:
Rund um die Halbzeit ist für mich der mental anstrengendste Tag, da das Ziel (mittlerweile ist sicher, dass wir den Kurs nach Portugal beibehalten) noch in gefühlt unendlich weiter Ferne liegt. Der Schlafmangel macht sich deutlich bemerkbar, da ich in der Kabine weder unter Segel (schaukelig) noch unter Motor (laut) wirklich schlafen kann und daher auf kurze Naps im Cockpit oder am Salonboden zurückgreifen muss.








Schlafen zum Zeitvertreib
Kurz nach der Halbzeit nimmt der Wind allerdings wieder zu und wir können einen gemütlichen Kurs fortsetzen. Nochmal nur der Vollständigkeit halber: Über das Wetter dürfen wir uns wirklich nicht beschweren, wir haben zwei Tage in Folge wolkenlosen Himmel, strahlenden Sonnenschein und absolut akzeptable Temperaturen.
Nach einer Woche auf See:
Gleichzeitig mit der Einwochenmarke nähern wir uns erkennbar Festland-Portugal und es werden Wetten angenommen, wann wir das erste Land sichten. Für weitere Zuversicht sorgt die Nachricht, dass die iberischen Orcas sich in den letzten zwei Wochen ruhig verhalten hätten und es wenige Sichtungen und keine Attacken in jüngerer Vergangenheit gab.
Die letzte Nacht ist nochmal eine Herausforderung, da der Wind stetig zunimmt und wir zudem eine große Schifffahrtsstraße kreuzen. Wir werden sogar vom Frachter Sea Elephant auf Kollisionskurs angefunkt, um uns auszumachen, wer wohin ausweicht.





Nachdem wir die ganze Nacht erfolglos nach dem Leuchtfeuer von Sagres (Südwestspitze Portugals) Ausschau halten, ist es dann am Samstag, den 18. Juli gegen 07:30 Uhr so weit – Land in Sicht – weshalb es zur Feier des Tages Kinder Bueno zum Frühstück gibt und die Schiffsglocke geläutet wird. Die letzten Meilen Richtung Portimão legen wir dank 20-25 Knoten Wind schnell zurück.



Land in Sicht
Angekommen in der Marina von Portimão legt Bernhard dann noch bei Böen von 25 Knoten ein beeindruckendes Anlegemanöver an den Tag. Nach 8 Tagen und 4 Stunden auf See sind wir wohlbehalten angekommen. Mit wackeligem Boden unter den Füßen genießen wir eine Dusche, die länger als 30 Sekunden dauert. Abschließend zelebrieren wir die Ankunft mit Pizza, Aperol, Salat (frisches Gemüse!) und einem gigantischen Eisbecher. Und der Schlaf in dieser Nacht, ohne Schaukeln, Motorgeräusche und Wecker um 00:30 – unbeschreiblich.



Annehmlichkeiten für Landratten
Und jetzt? Wir sind unglaublich dankbar, dass wir mit Pia und Bernhard Langfahrterfahrung sammeln durften, wir haben beide sehr viel gelernt!
Würden wir das nochmal machen? Vielleicht nicht übermorgen. Und nicht zu zweit. (Wirklich: Hut ab, Pia und Bernhard!)
Aber Robert hat bereits wieder auf Bootsverkaufsplattformen gestöbert – wer weiß, wann das nächste Abenteuer ruft.
