
Robert & Antonia auf großer Fahrt
Ein Gastbeitrag:
Alles begann 2022 mit einem: Robert, eine Bekannte macht eine Atlantiküberquerung mit dem Segelboot!
Da eine Atlantiküberquerung schon lange auf Roberts bucket list stand, überzeugte er mich nach der Rückkehr im Sommer 2023 von besagten Bekannten (Pia, Bernhard und ihrem Boot Mêlée) mit den beiden auf ein Bier zu gehen und sie zu ihrem Abenteuer auszufragen. Dann? Passierte… nichts. Der Segeltraum wurde mangels Boot, Zeit und Gelegenheit erst mal wieder hintenangestellt.
Fast forward, März 2025, bekomme ich (Antonia) ein WhatsApp-Nachricht von Pia: Was machen denn eigentlich eure Segelpläne? Wenig später sitzen wir wieder zu viert bei einem Bier. Pia und Bernhard erzählten von ihrem Plan, ihr Boot Mêlée nach dem Abenteuer Übersee im Sommer 2025 von den Azoren zurück nach Festlandeuropa zu segeln. Wir sind mindestens so überrascht von der Anfrage, sie zu begleiten, wie sie von unserer sofortigen Begeisterung, unseren Sommerurlaub mit einer Langfahrt verbringen zu wollen – was jetzt nicht im klassischen Sinne in die Kategorie erholsamer Urlaub fällt. Robert und ich sind uns am Nachhauseweg sofort einig: Das ist eine einmalige Chance – die schlagen wir auf gar keinen Fall aus!
An dieser Stelle ein kurzer Realitätscheck zu unseren Segelkenntnissen:
- Robert: diverse Mittelmeertörns, beim A-Schein mit der Jolle gekentert
- Antonia: eine Woche Kroatien auf einem Katamaran, davon etwa eine Stunde unter Segeln; Genua ist eine Stadt in Italien
Um uns auf die Überfahrt vorzubereiten, absolvieren wir eine Woche vor Abreise noch ein Segelsicherheitstraining. Danach sind wir uns sicher, dass wir bestenfalls aufgrund eines Lecks die Klotür mit einer Axt zerhacken und von außen an den Rumpf schrauben müssen – schlechtestenfalls nach Mastbruch in der Rettungsinsel sitzen werden.

Robert & Antonia kapern unseren Blog
Ein reclaim:
Wenn wir mit Mêlée in der Vergangenheit längere Zeit an schönen Orten verbracht haben, waren wir am Ende meist doch froh, weiterzureisen, getreu nach unserem Motto: Nichts wie raus aus diesem paradiesischen Höllenloch.
Diesmal fühlt es sich aber anders an, da wir die Azoren wirklich ins Herz geschlossen haben. Wehmütig verbringen wir zum (vorerst?) letzten Mal eine Nacht in Ponta Delgada, bevor wir zum (vorerst?) letzten Mal auf Santa Maria landen. Wir finden Mêlée in der Marina wie erhofft am Trockendock in pole position vor und werden gleich am nächsten Tag ins Wasser gekrant.




Mêlée ist insgesamt in einem guten Zustand, es bahnt sich aber ein kleines Problem mit der Bordbatterie an, die zwar voll geladen ist, sich aber vehement weigert, ihre Volts und Amperes herauszurücken.
Wir lassen uns aber von solchen Lappalien nicht beirren und treten unsere langersehnten, weil uns letztes Jahr verwehrten, Tauchgänge an. Der erste Spot ist ein exponierter blue water Tauchgang, bei dem uns eine Familie majestätisch dahingleitender Riesenmantas begrüßt. Der zweite Tauchgang führt uns in ruhigere und gewohnte Gefilde, einem küstennahes Riff mit den üblichen Küstenriffbewohnern und dem drittgrößten Stachelrochen der Welt.






So machen Robert und ich uns Anfang Juli auf den Weg nach Santa Maria, wobei wir beim Flug vielleicht ein bis zwei Mal auf den Ozean schauen und denken: Puh – ganz schön viel blau und weit da unten.
Auf der Insel angekommen nehmen uns Pia und Bernhard in Empfang und es startet unsere Einführung ins Bordleben – von Level 1 (Mistkübel mit der rechten Hand öffnen) bis Level 100 (Temperatursensor der Lithiumbatterie desintegrieren).
Zudem lernen wir neues Bordvokabular:
- Kevin = Ankerlicht
- Gernot = Möwe
- Dibln = provisorisch reparieren (vorzugsweise mit viel Duct Tape)
- Rudi-Lehner-Menü = kleines Bier + Espresso


Und wir lernen an Anschauungsbeispielen zwei essenzielle Bordregeln:
- Nichts verbessern, was funktioniert.
- Bis zur Abfahrt wird nie alles funktionieren.
Am Abend vor dem Ablegen gibt es noch Referate zum Sundowner – damit wir auch ein Minenräumungsboot zweifelsfrei identifizieren können – und zentrale Fragen zum Stuhlgang an Bord werden detailliert besprochen. Stichworte: Drüberleger & Streichresultat (Details überlassen wir der Fantasie).
Nach einer Woche auf Santa Maria können wir sagen, dass wir alle Supermärkte (4 Stück) von Vila do Porto erfolglos nach Tomatenmark abgeklappert haben und das Sortiment des einzigen Baumarkts der Insel auswendig kennen. Es hält uns also nichts mehr hier, somit machen wir uns bei strahlendem Sonnenschein und mit nagelneuen Segeln auf den Weg nach Festland-Portugal.

Nach dem Tauchen erwarten wir hochfreudigst unsere Gäste Antonia & Robert. Sie haben sich irrwitzigerweise bereit erklärt, die Überfahrt nach Portimão an der Algarveküste mit uns zu bestreiten, weshalb wir dieser entspannter entgegenblicken als der letzten, eher unlustigen Langetappe (Bermuda – Azoren).
Mit nur einem Jahr Verspätung setzen wir endlich unsere brandneuen Segel, inspizieren & schmieren unsere selbst geflickte Ruderanlage nochmal gründlich und machen das Schiff bereit für die hohe See. Da wir mit Robert glücklicherweise einen ambitionierten Bastler an Bord gelockt haben, gelingt es uns sogar den Endgegner in Form der widerspenstigen Lithiumbatterie zu zähmen, indem wir sie davon überzeugen, dass das Konzept Temperatur nicht existiert.


Der Solaranlage, die wir zuletzt in Fahrt zusammengediblt haben, verpassen wir ein paar neue Adernendhülsen und Steckverbindungen. Danach funktioniert sie leider nicht mehr. Im Kampf mit dem Laderegler geben wir uns schließlich geschlagen, was dank der mittelgradig potenten Lichtmaschine und erwartetem, flautebedingtem Motoren zu verkraften ist.
Nach einem letzten abendlichen Landgang und der folgenden Flucht vor den Riesenkakerlaken, die auch mal gerne in der Kloschüssel lauern und von dort aus Angst und Schrecken verbreiten, werfen wir am nächsten Tag, dem 11. Juli um 11:00 die Leinen los und lassen Santa Maria und damit die Azoren schließlich und (vorerst?) endgültig hinter uns.










