Unsere letzte Nacht an Bord der Mêlée sollte denkbar kurz werden. Nach drei Stunden Schlaf klettern wir noch im Dunkeln zwischen aufgestellten Pölstern, der offenen Bilge, Leinen und Springs auf den Fingersteg und sprechen unsere letzten Abschiedsworte für unbestimmte Zeit. Doch spulen wir zunächst 24 Stunden zurück:
Der erste Koffer ist mit Uschi und Pez schon am Weg nach Hause, zwei 10 kg Pakete geben wir am Vormittag in einer 1,5-stündigen Prozedur bei der Post auf und unsere beiden großen Reisetaschen sind bereits im Mietauto verstaut. Wir putzen, verstauen und vertäuen noch dies und das, als uns der Caretaker Thomas, in dessen routinierte Hände wir Mêlée für das nächste Jahr übergeben, einen kurzen Besuch abstattet. Er betreut mehrere Schiffe in der Marina, kontrolliert Leinen, Bilge, lüftet und entfeuchtet. Dank ihm parken wir am Vormittag nun auch noch ein fünftes Mal innerhalb der Marina Ponta Delgada um, um in einem möglichst geschützten Teil, hinter dem Wellenbrecher und den riesigen Tankern, untergebracht zu sein. Thomas ist zufrieden mit dem neuen Liegeplatz und nach ein paar Adjustierungen auch mit den Festmachern.
Abends bleibt noch genug Zeit, um ein letztes Mal fein Essen zu gehen – Fisch steht am Speiseplan. Nach einem kurzen Bummel durch die Stadt entdecken wir ein schnuckeliges Restaurant und bekommen prompt den letzten freien Tisch. Wir bestellen beim freundlichen und etwas extravaganten Kellner das Highlight der Karte, den Fischeintopf für Zwei mit 30 Minuten Zubereitungszeit. Nach der Vorspeise – Oktopussalat – und fast einer ganzen Flasche azorischem Riesling, klirrt und scheppert es plötzlich und unser Kellner liegt hinter der Theke mit einer Speise am Boden, die verdächtig und köstlich nach Fisch und Meeresfrüchten riecht. Wortlos richtet er sich auf und schreitet voll besudelt aus dem Lokal. Seine zwei Kollegen kümmern sich um die wohlriechende Sauerei, bevor einer der beiden zu uns kommt, die leere Flasche Wein betrachtet und uns fragt, worauf wir eigentlich noch warten.
Er erklärt uns schockiert, dass die Küche nichts von einem Fischeintopf weiß und deshalb noch nicht einmal begonnen hat, ihn zu kochen. Wir wollen ihn trotzdem haben, willens, nochmal 30 Minuten zu warten, und als Belohnung für unsere Hartnäckigkeit gibt es für uns noch eine Flasche Wein aufs Haus. Ob die Sauerei am Fußboden in Wirklichkeit unser Eintopf war, wird zwar negiert, doch die ganze Wahrheit werden wir wohl nie erfahren. Kurze Zeit später kommt unser wieder fein herausgeputzter Kellner zurück durch die Lokaltür, noch etwas blass, und macht sich wieder an die Arbeit, fühlt sich aber nicht mehr für uns verantwortlich. Dann kommt endlich unser großer, dampfender Topf mit fish stew, mit dreierlei Fisch, Garnelen und Muscheln und wir bereuen nichts. Recht überfressen, nach zwei Flaschen Wein und noch zwei Ananaslikören aufs Haus beginnt unsere letzte Nacht am Boot in dem Wissen, dass der Wecker für unseren Heimflug in 3 Stunden läuten wird.

Captain’s Dinner: Fischeintopf
Das macht immerhin den Abschied weniger sentimental. Frühmorgens werfen wir unser Schlüsselkarte für den Steg in die dafür vorgesehene Box, um wenige Minuten später zu bemerken, dass wir diese noch zur Ausfahrt aus dem Marinagelände brauchen. Nach kurzem Grübeln und Herumstreunen auf dem weitläufigen Areal finden wir einen schlafenden Nachtwächter, der überglücklich ist, uns um 4:30 Uhr den Schranken zu öffnen.
Nach einem unbeschwerten, aber langen Reisetag kommen wir abends endlich zu Hause an und sind damit auch sehr ausgesöhnt und zufrieden. Beizeiten wollen wir noch ein Fazit zu unserem Auszeitjahr posten mit Zahlen, Fakten, Erfahrungen und Reisemottos. Jetzt legen wir uns aber erst mal in unserem Chaos schlafen.


