Nachdem wir von unserer Startinsel Great Inagua aufgebrochen sind, ankern wir im Hogsty Reef, einem von nur drei echten Riffatollen im Atlantik. Das hufeisenförmige Atoll wird begrenzt durch zwei Sandhaufen – einer davon mit defektem Leuchtturm. Die vorherrschende Flaute hält leider die Wellen nicht davon ab, über das Riff zu brechen und uns eine schaukelige Nacht mitten im Nirgendwo zu bescheren.





Unser nächster Schlag führt uns nachts Richtung Nordwesten. Bei fast spiegelglattem Wasser gleiten wir mit einer leichten Brise mit supergemütlichen 3 kn durch den Ozean und erreichen Acklins Island am späten Vormittag. Der Ankerplatz bietet etwas Schutz vor Schwell, sonst aber im Grunde nichts. Wir warten hier zwei Tage auf segelbaren Wind und wollen eine herannahende Front für unsere Überfahrt auf die Jumentos Cays nutzen.


Was für eine schlechte Idee! Statt der angesagten 30 kn (eh schon viel!) für eine halbe Stunde, erwarten uns in der Realität bis zu 45 kn und wir kämpfen uns in dieser stockfinsteren Nacht sieben Stunden lang durch einen waschechten Sturm mit Wellenbergen und Regengüssen. Im Zuge dessen müssen wir auch unseren Kurs ändern, um mit dem Wind im Rücken abzulaufen. Bis etwa 3 Uhr früh sind wir beide wach und halten uns mit Gebrüll und Gesang wach. Dann wechseln wir uns im 15 Minuten Takt ab, wobei wir jeweils unmittelbar einschlafen, wenn wir das Ruder übergeben. Statt vormittags kommen wir gegen 17 Uhr völlig hinüber auf einem gut geschützen Ankerplatz im Süden von Ragged Island an. Der Wind wird im Laufe des Tages schwächer und um 19:30 gehen wir ins Bett schlafen erst mal 12 Stunden durch. Crew und Schiff sind unversehrt.
Nachdem die letzten Tage über Wasser aber sonst nicht so viel los war, wollen wir im Folgenden mal die Gelegenheit nutzen euch in einer subjektiv-meeresbiologischen Pseudoanalyse ein paar unserer Lieblingsunterwasserbewohner der Karibik vorzustellen:
Sergeant Major: Ein etwa handgroßes, süßes Fischlein, das überall in der Karibik zu Hauf herumschwimmt. Klassisch fischförmig mit dunklen Streifen und gelbem Rücken beäugen sie uns zumeist ganz neugierig und unerschrocken. Wir salutieren, wenn wir ihnen begegnen.
Prinzessinnen-Papageifisch: Wäre der Name nicht schon lustig genug, haben sie stets ein entzücktes, aber leicht verlegenes Lächeln auf dem Schnabel. Dabei wirken sie mit ihrer teils beeindruckenden Größe von fast einem Meter und ihrem besonders hübsch schimmerndem Schuppenkleid immer volksnah und hocherfreut einem zu begegnen.
Gelbschwanzschnapper: Dieser eher unscheinbar aber köstlich aussehende Fisch begegnet uns das erste Mal auf Pidgeon Island vor Guadeloupe und bleibt uns durch seine besonders zutrauliche Art in Erinnerung. Wir schwimmen ihm ein Stückchen nach, wenn man aufhört ihm nachzuschwimmen kommt er zurück und schwimmt um uns herum. Wir nennen ihn besonders kreativ Frechfisch.
Königs-Feenbarsch: Diese winzigen, halb orange, halb violetten Fischlein verstehen das Konzept von Oben und Unten so gar nicht. Wir begegnen ihnen mehrmals beim Tauchen, wo sie sich kopfüber in kleinen Überhängen verstecken. Oben ist da, wo das Riff nicht ist – egal ob horizontal, vertikal oder verkehrt herum.
Zweifarben-Gregory: Diesem interessanten Fisch begegnen wir in den Bahamas das erste Mal. Üblicherweise blau-gelb, war unser Exemplar weiß-weiß, dennoch nicht weniger territorial. Er hat es sich unter unserem Schiff gemütlich gemacht und unseren gesamten Kiel, inklusive der Badeleiter zu seinem Territorium erklärt. Seine geringe Größe, von etwa einer Handfläche, macht er mit Aggressivität wett. Beim Rausklettern aus dem Wasser hält Bernhard ihn mit zwei Flossen an den Händen fern, was Gregory nicht davon abhält immer wieder auf ihn zuzuschwimmen. Was für ein wütender Zwerg.
Gartenaale: Diese etwa 30 cm langen, bräunlichen Würmchen sind die Nachbarn, die man nicht haben möchte. Vor Peter Island in den BVIs ankern wir über einem Schwarm (?). Nähert man sich auf einen Meter, verschwinden sie im Boden. Nach wenigen Sekunden tauchen sie wieder senkrecht auf, stänkern und drohen einem mit der Faust, die sie gerne hätten.
Große Tümmler: Endlich, endlich sehen wir unsere ersten karibischen Delfine! Sie besuchen uns in der Bucht in Acklins Island. Bernhard hüpft gleich ins Wasser uns kann sich bis auf ein paar Meter nähern. Da sie ein Junges dabei haben wollen sie aber nicht spielen. Der magischen Kraft eines Bootsbugs können sie sich aber doch nicht entziehen und so begleitet uns die ganze Schule von etwa 20 Großen Tümmlern aus der Bucht hinaus.


Man merkt, wir haben seit längerem keinen Kontakt zu anderen Menschen gehabt, dafür viele neue Fischfreunde und -feinde (ich schau dich an, Zweifarben-Gregory).

