Nach 36 Stunden Motorfahrt kommt kurz vor Ankunft auf der südlichsten Bahamasinsel Great Inagua – auch Wilder Westen der Bahamas genannt – ein Wildwestwind auf, der uns daran hindert, vor dem Port of Entry Matthew Town zu ankern. Wir wettern also die erste Nacht in einem exponierten, doch windabgewandten Riff ab. So weit entfernt vom Land im Nirgendwo haben wir noch nie geankert. Den kleinen Hafen erreichen wir am nächsten Morgen. Schwarze Balken schieben sich von oben und unten ins Bild und die folgenden Szenen muss man sich in Breitbild und sepia vorstellen. Die Tür zum Sheriffsdepartment schlägt auf und zwei Gestalten betreten die Szenerie. Es sind der Sheriff und sein Deputy, die uns insgesamt 380 $ abknöpfen – so teuer sind wir noch nirgends eingereist!

Szenenwechsel. High Noon auf der Suche nach Lunch. Hoch über uns kreisen die Geier. Die Sonne am Zenit, ein räudiger Straßenköter versperrt uns den Weg. Müde, aber forsch hält er auf uns zu. Nur mit einer Finte gelingt es uns, ihn abzuhängen. Staubbedeckt doch unversehrt betreten wir den Saloon. Völlig ausgestorben, doch die Barfrau serviert uns zwei hungrigen Reisenden Burger. Abblende. Der nächste Tag.


Wir sichern uns einen Liegeplatz am Verladedock, um unsere Wasser- und Dieselvorräte zu füllen. Hafenmeister George schickt ein Telegramm an die beiden Tankstellen der Stadt, die beide absagen, da ihre Zapfhähne trocken sind. Seit längerem ist kein diesellieferndes Dampfschiff mehr vorbeigekommen. Er stellt mir also seinen Bekannten Onetooth Joe vor, einen pensionierter Salzfabrikarbeiter, der in der ganzen Stadt dafür bekannt ist, haarige Angelegenheiten zu regeln.


Wir tuckern in der Nachmittagshitze kreuz und quer durch die Geisterstadt. Gesäumt von wenigen, teils verfallenen Häusern, rollt über die geradlinigen Straßen höchstens ab und zu ein verdorrtes Grasbüschel. Wir unterhalten uns und ich erfahre, dass Joe schon seit seiner Geburt hier in der Stadt lebt. Ob es hier immer so ruhig ist? Yes, very quiet, all the time. Wo bekommt man denn hier frisches Gemüse? Am Markt, aber nur wenn die schwimmende Postkutsche gerade angelegt hat. Sie kommt nur einmal pro Woche und die Vorräte sind dann schnell vergriffen.
Wir bleiben vor Joes Haus stehen. Ich schaue mich um und sehe gleich neben dem Grundstück einen rosaroten Salzsee. Auch hier ist es komplett ruhig, nur ein paar Kojoten heulen in der Ferne. Joe steigt aus und verschwindet hinter dem Haus, ich warte im Auto. Nach drei Minuten kommt er mit einem menschgroßen Fass wieder und lädt es ein.
Als nächstes halten wir an einer verlassenen Tankstelle. Joe steigt aus, klopft an eine Seitentür, nennt das Passwort und spricht dann mit einer Frau, die mir bekannt vorkommt – sie hat uns gestern im Saloon unsere Burger serviert! Joe kommt zurück und wir fahren um den Block in einen Hinterhof, in dem ein weißer Tanktruck steht. Als das Fass gefüllt ist, zahle ich bei der Saloon- & Tanktruckfrau einen überhöhten Bargeldbetrag ohne Rechnung und wir machen uns noch rechtzeitig vor dem Abendrot auf den Rückweg. Ich will mich mit 10 $ für Joes Hilfe bedanken. Er will lieber 20 $. Ich habe immerhin gut eine Stunde seines turbulenten Tages in Anspruch genommen und es ist ja nicht seine Schuld, dass das üblicherweise angebotene Dieselservice genau heute nicht in Betrieb ist.




Zurück in der Jetztzeit fahren wir mit frisch gefüllten Tanks und Vorratskammern Richtung Norden in die Man O War Bay. Die 380 $ zum Einklarieren erlauben uns, in den Bahamas mit maximal sechs Leinen gleichzeitig maximal fünf Fische pro Person und Tag zu fischen. Also jetzt oder nie. Wir checken uns im nächstbesten und einzigen Angelladen improvisiertes und überteuertes Equipment zum Fischen mit Schleppleine und bringen diese erstmals aus. Insofern erfolgreich, da wir uns nicht damit verletzen. Kurz vor Ankunft am Tagesziel beißt dann ein wohl etwas zu großer Fisch unseren halben Wobbler ab. Werten wir als Teilerfolg. Im spiegelglatten Wasser der Man O War Bay werfen wir dann noch ein paar Mal die Schleppleine aus und sind fasziniert, dass Fische scheinbar aus dem Nichts spawnen und sich für die Leine interessieren. Anbeißen will aber keiner und eigentlich sind wir darüber fürs Erste gar nicht so unglücklich. Eins nach dem anderen. Jedenfalls haben wir einen neuen Skill freigeschaltet, der ab jetzt geübt wird.


