Venteux, windy, winderig

Saint Martin ist kompliziert. Die kleine Insel ist zweigeteilt in den französischen Teil Saint Martin und den holländischen Teil Sint Maarten. Der holländische Teil ist aber nicht wirklich holländisch, sondern ein autonomes Land des Königreichs Niederlande. Logo. Verschiedene Amtssprachen, Währungen und Gesetze auf einer Fläche die kleiner ist als Linz – immerhin die gleiche Zeitzone.

Nach einer super Überfahrt erreichen wir also den französischen Teil dieser seltsamen Insel. Die Anse Marcel bietet neben zahlreichen Schildköten in trübem Wasser einen ungemütlich schaukelnden Liegeplatz, was sich in weiterer Folge als das kennzeichnende Merkmal dieser Insel herausstellen sollte.

Am nächsten Morgen beziehen wir früh unseren reservierten Liegeplatz in der angrenzenden Marina – unser erster Hafen seit etwas über einem Monat. Während der Einfahrt stoßen wir wohl mit einer Schildköte zusammen. Eine heftige Erschütterung im Rumpf, aber keine sichtbaren Schäden. Hier haben wir nun zwei Tage Zeit zum Putzen, Aufräumen und Erledigen von kleinen Arbeiten bevor unsere zweiten karibischen Gäste Johanna & Michi landen. Nach einem fleißigen Tag rösten wir gerade Zwiebel an fürs Abendessen als Michi anruft: Wir sind jetzt da, bitte abholen! Wiiiiiiiiiee…? Nach 20 Minuten der Verwirrung dürfen wir also aufgrund eines kleinen Datumsverdrehers unsere ersten Überraschungsgäste auf der Mêlée begrüßen. Recht sauber ist es schon, Essen gibts auch genug, rasch ein Begrüßungsrumpunsch gemischt – willkommen an Bord! Zum Glück sind wir schon im richtigen Hafen im richtigen Land. Den Bonustag und auch noch den nächsten halben Tag nutzen wir, um unser marodes Steuerrad neu zu beziehen. *bling*

Anse Marcel

Nach einem gemütlichen Tag in der Marina folgt die letzte ruhige Nacht für eine Weile. Die folgende Woche ist geprägt durch Wind, Schwell, Wind, Wind und die vergebliche Suche nach Schutz.

Erstes Ziel mit neuer Crew ist die nur 3 sm entfernte Nachbarinsel Anguilla. Anguilla ist auch komisch. Um irgendwo vor Anguilla ankern zu dürfen ist eine Lizenz erforderlich- so weit, so normal. Ankern über Nacht ist allerdings ausschließlich in zwei definierten Buchten erlaubt…

Nach einer wilden, aber spaßigen Überfahrt ankern wir in der nördlich gelegenen Road Bay – Wind und Geschaukel. Auch die beiden Ausflugsziele Pidgeon Island und Sandy Island, die wir am nächsten Tag besuchen, bieten eben dies. Zudem Strandbars, die aber geschlossen sind, beeindruckend schöne, aber scharfkantige Muscheln, türkisblaues, aber trübes Wasser und einen beinahe außer Kontrolle geratenen Anlandungsversuch in der Brandung mit dem Dinghi. Es folgt eine weitere windige und schaukelige Nacht in der Road Bay. Beim Ausklarieren am nächsten Tag trifft Bernhard die Kellnerin der Cocktailbar von letzter Nacht wieder – heute ist sie nämlich im Dienst als customs officer. Wir segeln auf der Suche nach einer windgeschützten Bucht zurück nach Saint Martin. Immerhin ist der Wind noch gut segelbar und wir freuen uns über eine sportliche Am-Wind-Fahrt nach Süden.

Anguilla

Auch die Bucht vor der Hauptstadt der französischen Inselhälfte Marigot bietet keinen Schutz vor Wind und Welle. An unserer Boje ist es sogar noch ungemütlicher als ankernd, zudem werden unsere Festmacherleinen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Dann verbringen wir eben mehr Zeit an Land, denn die Stadt ist es wert. Marigot ist belebt, attraktiv und leistbar. Für uns der lebenswerteste Ort, den wir in der Karibik besucht haben. Wir strandeln, besteigen das Fort Louis und essen hervorragenden Fisch.

Marigot

Zwei Tage später hat der Wind immer noch nicht nachgelassen und wir machen jetzt ernst mit unserer Suche nach Schutz. Ganz im Westen von Saint Martin befindet sich eine riesige halb französische und halb holländische Lagune, die Simpson Bay Lagoon. Wir fahren von Süden in die Bucht und klarieren zum ersten Mal in den niederländischen Antillen ein. Ankernd zwischen motorisierten Megayachten und Luxussegelschiffen werden wir aber noch immer von 25 kn angeblasen, obwohl ganz Saint Martin zwischen uns und der Windrichtung liegt. Immerhin schafft es die Welle nicht herein. Bei nur noch wenig Geschaukel verkrümeln wir uns unter Deck und zelebrieren einen windgeschützten Taco- und Spieleabend.

Kurzfristig organisiert Bernhard für die nächsten zwei Nächte einen Liegeplatz in der Simpson Bay Marina, um den anstehenden, selten gewordenen Crewwechsel möglichst einfach zu gestalten. Beim Anlegen dürfen wir mal wieder Zeugen eines Hafenkinos werden diesmal sind wir aber mittendrin und irgendwie doch völlig unbeteiligt. Nachdem uns Bernhard unter windigen Bedingungen gekonnt in die Parklücke schiebt empfangen uns am Steg drei Marineros, die jeweils zwei konträre Pläne verfolgen wie genau das Boot zu vertäuen sei. 45 Minuten später und unter Einbezug eines Dinghis und dreier Nachbarboote dürfen wir die letzte Leine fixieren. Für uns gibts zwischendurch nicht viel zu tun außer das Geschehen interessiert und mit viel Kopfkratzen zu beobachten. Wir beobachten zum Beispiel den Versuch, den Bug des Nachbarboots mit Hilfe des Dinghis in Windrichtung zu schieben, diesen dann nicht zu fixieren, gefolgt von verwunderten Blicken der Marineros, warum das Boot sich wieder zurückbewegt und dann den selben Versuch nochmal – immer und immer wieder. Als schließlich der letzte Marinero in seinem Golfwagen abbraust legen wir unsere Leinen nochmal neu. Das war interessant. Daraufhin ein Manöverschluck – sogar bereits mit einem neuen Crewmitglied…