Dominiiica!

Dominica hat mit der Dominikanischen Republik so viel gemeinsam wie Österreich mit Kängurus. Deshalb ist den Einwohnern die richtige Aussprache bzw. Betonung wichtig, nämlich wie in der Überschrift. Die Insel liegt zwischen den französischen Karibikinseln Guadeloupe im Norden und Martinique im Süden, ist ein eigenes Land und gehört dem Commonwealth of Nations an. Sie wird von Seglern gerne ausgelassen, da die nautische Infrastruktur im Vergleich zu den Nachbarinseln praktisch nicht vorhanden ist. Genau genommen gibt es nicht einen einzigen für die Freizeitschifffahrt geeigneten Hafen im ganzen Land. Trotzdem (oder gerade deswegen?) haben wir uns entschieden, die relativ unberührte und wenig besuchte Insel näher zu erkunden.

Das Land ist, wie die meisten der eigenständigen karibischen Inseln, eher arm, hat eine hohe Arbeitslosigkeit und lebt hauptsächlich von Landwirtschaft und Tourismus. Es gibt (noch) keinen großen Flughafen, der von internationalen Airlines genutzt wird. In der Hauptstadt Roseau können immerhin zwei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig andocken – wir haben während unseres Aufenthaltes drei Exemplare an- und ablegen gesehen. Wie sehr die Insel versucht, für Segeltouristen wie uns attraktiv zu erscheinen, erkennt man auch an der Tatsache (nicht verifiziert), dass auf den Diebstahl eines Jacht-Beiboots 9 Jahre Gefängnis stehen. Das ist viermal so lange wie für Diebstahl eines lokalen Fischerbootes. Hurricanes sind in der Sommerzeit leider keine Seltenheit – sie verwüsten alle paar Jahre die Küstenstädte, zuletzt Maria im Jahr 2017. Wir hören Geschichten von Häusern, Hotels und Stegen, die regelmäßig zerstört und neu gebaut werden müssen und von Einheimischen, die das als Teil ihres Lebens akzeptieren.

Erster Blick auf Dominica

Dominica beeindruckt uns schon aus der Ferne durch surreal leuchtendes Grün, denn drei Viertel der Fläche sind von Regenwald bedeckt. Wir schnappen uns als erste Anlaufstation eine Boje in einer unschmucken Bucht in der Nähe von Roseau, wo wir zwei Nächte verbringen. Der Fußweg in die Stadt zum Einklarieren ist anstrengend, der Verkehr schnell, laut und links, die Straße schlecht und fußgängerfeindlich. Da das einzige Bootsfachgeschäft schon geschlossen hat, kaufen wir am Straßenrand eine billige Touristen-Dominica-Flagge und setzen sie als Gastlandflagge. Für nur vier Tage Aufenthalt eigentlich die perfekte Lösung. 

Erstmals seit wir in der Karibik unterwegs sind, sehen wir mehr von einem Land als die unmittelbare Küstenregion. Und zwar in einer sechsstündigen Tour gemeinsam mit Guide Dr. Jones und Jim & Marianne vom knallorangenen kalifornischen Katamaran Alani. Dr. Jones bringt uns in seinem Kleinbus zunächst zu den Middleham Falls. Der Besuch des Wasserfalls erfordert eine einstündige, matschige und ausgesprochen anspruchsvolle Wanderung über Stock und Stein und den ein oder anderen Fluss durch den Regenwald. Der Weg ist das eigentliche Highlight – Wasserfälle kennen wir schon, Regenwald ist für uns neu. Pia hat Tage später noch Muskelkater. 

Middleham Falls

Zweites Ziel unseres Ausflugs ist Titou Gorge, ein kleiner Wasserfall am Ende einer Regenwaldschlucht, der nur schwimmend erreicht werden kann. Zur Abwechslung steigen wir also in frisches Süßwasser und erschwimmen den kurzen Fluss entlang der beeindruckenden Felswände. Einer von 365 Flüssen der Insel – einer für jeden Tag des Jahres. Nachdem vor uns eine wasserscheue Gruppe mit ihrem panischen Guide endlich das Feld räumt, plantschen wir unter dem Wasserfall und lassen uns anschließend mit der Strömung wieder hinaustreiben. Die Schlucht ist ein Drehort von Fluch der Karibik 2 – da wo sie in den Käfigen runterfallen und dann im Wasser landen. Orlando Bloom ist hier geschwommen! 

Titou Gorge

Beim späten Mittagessen unterhalten wir uns mit Jim & Marianne, die beide Zahnärzte sind und seit Jahren im Monatswechsel arbeiten und die Karibik besegeln. Netter Lifestyle. Sie versorgen uns mit persönlichen Empfehlungen und etwas Lektüre zu den Virgin Islands, die für Februar & März auf unserer Liste stehen. Tagesziel 3, die Trafalgar Falls, erfordern zum Glück für unsere Oberschenkel nur einen kurzen Fußweg. Wir dürfen sie mit Regenbogen bestaunen. 

Trafalgar Falls

Nach zwei Nächten im Süden begeben wir uns in den Norden der Insel, wo wir in Portsmouth noch einmal zwei Nächte an der Boje in einer viel hübscheren Bucht mit zahllosen anderen Segelbooten verbringen. Boatboy Avin, seines Zeichens auch zertifizierter Island Tour Guide, empfängt uns herzlich und wir arrangieren eine Tour auf dem Indian River für den Folgetag. Die Flussmündung ist nur wenige Minuten von unserer Boje entfernt. In Avins Holzboot erkunden wir im strömenden Regen einen anderen Drehort aus Fluch der Karibik 2, nämlich Calypsos Hütte mitten im Sumpf. Nicht nur als Fans der Filmreihe sind wir beeindruckt. Johnny Depp ist hier Boot geschwommen! Bei einer anschließenden kurzen Wanderung durch die Mangroven bekommen wir noch ein paar Sonnenstrahlen ab.   

Indian River

An unserem Abschlussabend auf Dominica nehmen wir an der berühmten sonntäglichen Strandgrillerei teil, die von den Verwaltern des Bojenfelds organisiert wird. Mit gegrilltem Huhn und all-you-can-drink-Rumpunsch lassen wir es uns gutgehen. Von letzterem haben wir uns allerdings zwei Tage später noch nicht erholt. Wir treffen die ARC-Teilnehmer Antonia und Joaquin, ein chilenisches Paar, das mit ihrem Flughörnchen Clara an Bord ihres Segelboots Tokerau reist. Wie bitte? Ja – wir können später auf deren Boot selbst miterleben, wie das handtellergroße, zahme, aber sehr flinke Tier mit den riesigen Augen beinahe ausbüxt, eine Runde um das Boot schwimmt, von Antonia wieder eingefangen wird und zur Strafe den Rest des Abends in seinem Käfig verbringen muss. 

Danke Dominica, morgen geht es wieder zurück in französische Gewässer. Guadeloupe im Norden und seine vorgelagerten Inseln warten schon auf uns.