Genug der Nacherzählungen und Aufarbeitungen. Wir versuchen unsere Erlebnisse und Eindrücke wieder einigermaßen aktuell zum Besten zu geben.
Am Samstag, den 10. Dezember verlassen wir also die Port Louis Marina St. Georges und damit den geschützten Rahmen der ARC und begeben uns Richtung Süden. Als erstes Boot der Pier-Q-Gang, bestehend aus Polly, Griselda, Zola und Mêlée, machen wir uns auf den Weg – doch es ist ein sehr kurzer. Aufgrund unseres recht späten Aufbruchs (noch Einkaufen, noch Geld abheben etc.) wechseln wir nur in das Bojenfeld außerhalb der Hafenbucht. Aufgrund eines hier untypischen Nordwestwindes wird es eine Nacht mit ungemütlichem Schwell.

Im Vergleich zum Winter in Europa verläuft die Sonne hier in einer steileren Bahn. Das heißt von Dämmerung bis zur absoluten Dunkelheit vergehen nur wenige Minuten. Der Tag-Nacht-Rhythmus lässt sich jedoch ungefähr mit daheim vergleichen – um 7 Uhr wird es hell, um 18:00 Uhr ist es stockfinster. Ein ungewohntes Gefühl bei nächtlichen Temperaturen von 24°C.
Der nächste Tag bringt zwei Stunden gemütliches Segeln und wir ankern schließlich in der gut geschützten Woburn Bay an der grenadinischen Südküste. Vor einer sehr grünen, von Mangroven überwucherten Küste sehen wir auch viele andere ARC-Boote wieder. Wir sind nicht zufällig hier gelandet, denn eine kurze Dinghifahrt durch eine Riffpassage entfernt liegt das versteckte, sehr karibisch anmutende Restaurant Island Fever. Von diesem haben wir einen Gutschein bei der Siegerehrung gewonnen, und einem geschenkten Gaul… Wir speisen vorzüglich und genießen einen Rumpunsch mit Aussicht auf Palmenstrand und Schildkröten, die regelmäßig ihren Kopf aus dem Wasser strecken (Pia ist Schildkrötenskeptikerin und zweifelt bis heute deren Existanz an). Ein perfekter Abend – wäre ich nicht beim Verlassen des Restaurants umgeknöchelt, was die nächsten Tage durch Spitalsbesuch, Knöchelschiene und Medikamente etwas durcheinanderbringen sollte. Mehr zu diesem Thema zu schreiben wird aber hoffentlich nicht nötig sein, deshalb weiter im Programm.



Eine immerhin wettertechnisch ruhige Nacht später begeben wir uns nur ein paar hundert Meter weiter in die Clarke‘s Court Marina, wo wir ein länger aufgeschobenes Ruderservice durchführen lassen. Eine Arbeit, die überraschenderweise keine weiteren Probleme aufdeckt. Beim Frühstück tags darauf erleben wir einen ersten sturzbachartigen Regenguss, den wir abwettern, bevor wir uns zwei Buchten weiter in die Mt. Hartman Bay verholen.


Zwischen den Buchten ist genaue Navigation erforderlich, da etliche Felsen und Riffe bis knapp unter die Wasseroberfläche reichen. Dank elektronischer Hilfe und deutlich erkennbar brechender Wellen an diesen Stellen aber kein Problem. Die Crew der Griselda, die wenige Meter von unserem Ankerplatz entfernt in der Marina liegt, lädt uns zu abendlichen Drinks auf deren Schiff ein. Am nächsten Morgen treffen wir uns auf english und carribean breakfast in der Secret Harbour Marina. Zweiteres beinhaltet unter anderem eingesalzenen Fisch, Kokosbrot und gebratene Plantains (Kochbananen). Es nieselt immer noch, ein Wetterumschwung steht bevor. Für die nächsten (mindestens) 7 Tage ist schönes Wetter mit starkem Nordost- bis Ostwind angekündigt.
Nach dem Frühstück verlassen wir die Südküste von Grenada – jetzt geht es nordwärts. Nach drei Stunden, in denen Wind und Seegang aus vorhergesagter Richtung bereits spürbar sind, machen wir einen Ankerstopp in der Black Bay. Ich erahne schon von Weitem, dass wir das einzige andere ankernde Schiff dort an der Küste kennen und tatsächlich treffen wir zufällig die Crew der Zola. Nachdem sie uns in St. Georges zu Kuchen eingeladen haben, dürfen wir uns jetzt mit selbst gemixtem Rumpunsch revanchieren. Ein wunderbarer Abend vor malerischer Kulisse mit Steilküste und Mangroven, bei dem auch noch mein Knöchel professionell osteopathisch behandelt wird.



Frühmorgens geht es weiter Richtung Norden und die nächste Etappe wird ein Kampf. Großteils gegen 25 kn Wind und Welle, teils segelnd, teils motorend, stampfen wir nach Tyrell Bay auf der Nachbarinsel Carriacou, die Grenada zugehörig ist. Wir kommen erst in der Dunkelheit an und in kurzer Folge werfen wir zuerst den Anker und dann den Griller an.
In der riesigen Tyrell Bay ankern etwa 200 Boote, viele davon Bekannte und gute Bekannte (Polly und Zola machen auch hier Stopp am Weg nach Martinique). Die Küste bietet einen gut ausgestatteten Marine Store (brauchen wir immer), zwei größere Supermärkte und den Paradise Beach mit Ausblick auf Sandy Island – ein Sandhaufen mit Palmen.






Beim Ausflug dorthin bestaunen wir einmal mehr das großartige grenadinische Bussystem. Private Personen mit 8-Sitzern, die Platz für mindestens 20 Fahrgäste bieten, fahren entlang von 9 fixen Routen. Die Haltestellen sind variabel. Um einzusteigen winkt man einem Bus, wird vom Fahrer angehupt oder vom Anwerber angebrüllt, ob man mitfahren möchte. Um Auszusteigen klopft man auf das Dach oder teilt einem der beiden Offiziellen seinen Haltewunsch mit. Das Ganze wird untermalt von dröhnendem Dancehall und einer Folge von rasenden Fahrtgeschwindigkeiten und abrupten Stopps – zu einem Preis von unter 1 €. Es ist großartig.
Zurück nach Carriacou. Wir wollen am nächsten Morgen Diesel und Wasser aufzufüllen. Nach einer Tauchaktion an der Tankstelle, weil sich ein Festmacher um den Propeller gewickelt hat (missglückte Kommunikation zwischen Crew und Tankwart), wollen wir uns jetzt einmal drei Tage Pause gönnen, bevor wir die erwartungsgemäß anstrengende etwa 30-stündige Etappe nach Martinique in Angriff nehmen.
