Tag 1 – Raus aus dem Nebel?
Die Marina in Gibraltar ist nur wenige Gehminuten von einem McDonald’s entfernt. Nachdem wir die beiden letzten Abende an Land noch zivilisiert essen waren (stilecht mit Fish & Chips in Gibraltar und fein in La Linea am Strand) decken wir uns kurz vor der Abfahrt nach Lanzarote noch mit Cheeseburgern ein, die wir bei der Fahrt aus der Bucht mampfen. Als Unterhaltungsprogramm zum Essen: Delfine. Die mit Abstand größte Schule die wir je gesehen haben. Ich versuch nicht zu übertreiben, aber würde schätzen es waren an die hundert sogenannte gewöhnliche Delfine. Ein irritierender Name, weil diese zweifarbigen Exemplare hab ich noch nie gesehen. Nach einem netten Einstieg wird es vor Tarifa ruppig mit über 30 Knoten Wind. Das Reffen schaffen wir gerade noch und dann ist mit dem Wind von hinten alles halb so wild. Fast schon schön. Wir fahren nördlich des Verkehrstrennungsgebiets – backbords eine Unmenge an Frachtschiffen.
Die erste Nacht ist – fast schon Tradition – nicht so gemütlich. Kalt, viel Wind, viel Welle, schwierig zu steuern. Immerhin macht sich der Windgenerator mal bewährt, wir sind mit wenig Segelfläche richtig schnell und immerhin keine Flaute! Als der Mond untergeht verlier ich kurzfristig die Orientierung und versteuere mich. Bernhard eilt in Pyjama und Rettungsweste heraus um mit mir gemeinsam unsere beiliegende Lage wieder in eine Fahrt umzuwandeln. Klappt gut und unsere Sicherheitsmechanismen (Preventer für den Großbaum) werden einem Härtetest unterzogen und bestehen.





Tag 2 – Kurs auf Madeira
Diesig ist es noch immer, aber es wird heller. Wind und Welle drehen nicht wie angesagt auf Nordost und wir fahren immer noch nicht Richting Süden, dafür haben wir Kurs auf Madeira – ein Abstecher? Um die Stimmung hoch zu halten setzen wir auf comfort food – heute: (spanische) Erdbeeren mit Vanillejoghurt. Wir unterhalten uns mit Büchern, Hörbüchern, Essen, Schlafen. Alles in allem sind wir an Tag 2 etwas langsamer als an Tag 1, aber der Kurs passt dann letztlich.
Die zweite Nacht ist durchwachsen, aber wahrscheinlich etwas gemütlicher als die erste. Beeindruckende Wellenberge schieben uns voran, bis eine kleine freche Welle dann rüberhüpft und mich unter Deck ein Weilchen mit Aufwischen beschäftigt. Ab sofort bleibt die Schott geschlossen. Noch etwas mehr Klettern und Potential für blaue Flecken.
Tag 3 – Schmetterling
Wir nutzen die ersten Sonnenstrahlen um die Genua mit Spibaum zu setzen und zwar auf der anderen Seite als das Großsegel (Schmetterling), da Wind und Welle jetzt genau von hinten kommen. Sonnenstrahlen ist dabei ein Euphemismus, denn es ist immer noch diesig. Wir taumeln in den Wellen durch den Tag, dafür sind wir schnell. Am frühen Nachmittag besuchen uns winzige, pfeilschnelle Delfine. Außerdem sehen wir in der Ferne zwei andere Segelboote. Buch, Hörbuch, Spaghetti.
Durch den exzessiven Einsatz des Autopiloten, der einen ganz überragend guten Job macht, sind unsere Batterien am Limit und wir drehen den Motor zum Laden auf. Motorgebrummel und Wellengeschaukel – Edelkombi. Und kalt ist es nachts. Wir tragen lange Unterwäsche, Hose und Pulli und darüber das warme Ölzeug. Durch den kurzen Motoreinsatz haben wir dann immerhin auch heißes Wasser zum Duschen.



Tag 4 – Es geht nichts über ein gutes Frühstück
Bei Striezel und Kaffee vergessen wir rasch die anstrengende Nacht. Tagsüber ist es mit einer Lage langer Kleidung angenehm. Am Nachmittag lässt der Wind nach und wir reffen aus. Wir sind nicht mehr ganz so schnell, dafür lässt langsam, ganz ganz langsam, die Welle nach. Über das Satellitentelefon laden wir einen neuen Wetterbericht herunter: Der Wind soll jetzt so angenehm bleiben und die Ankunft in La Graciosa wäre mitten in der Nacht. Der neue Plan ist es daher gleich in den Süden von Lanzarote zu segeln und dort Montag Nachmittag anzukommen. Inzwischen perfektionieren wir es, uns selbst im Cockpit so zu vertäuen, dass wir ohne Anstrengung ein Weilchen sitzen oder liegen können. Und so verbringen wir den Tag mit dem Herr der Ringe I Hörbuch.
Die Nacht ist wieder gemischt: Während wir um Mitternacht herum bei viel Wind vermutlich Geschwindigkeitsrekorde aufstellen, wird es in der Früh fast flautig.
Tag 5 – Endspurt
Die Welle wird wieder ungemütlicher, der Wind dafür etwas mehr, sodass wir schnell bleiben. Die Sonne versteckt sich heute nicht hinter dem üblichen Dunstschleier, sondern hinter dicken Wolken. Zum Wahltag sind wir besonders österreichisch und den Wellen zum Trotz gibts zu Mittag Schwammerlsauce mit Semmelknödel – köstlich! Am Nachmittag kommt die Sonne heraus und der Wind lässt nach, sodass wir die Besegelung etwas umbauen.
Gemächlich geht es durch die Nacht. In unsere drei Schichten gehüllt erzählt Bernhard, dass es in unserer Zielmarina ein Pool gibt. Ob es am Endspurt liegt oder an der nachlassenden Welle – wir schlafen besser denn je während unserer off-duty.


Tag 6 – Land(zarote) in Sicht
Kurz vor 5 Uhr erblicke ich das erste Mal Land. Mit richtig gemütlichem Rückenwind lassen wir unsere erste Langfahrt entlang der Ostküste von Lanzarote ausklingen. Kurz vor 15 Uhr haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Wir organisieren noch ein paar Wartungstermine für die nächsten Tage, nehmen einen Anlegerschluck und versinken dann gegen 18 Uhr in einen traumlosen, 13-stündigen Tiefschlaf. Weil es uns hier gefällt, wir einiges abarbeiten können und Bernhard nostalgische Kindheitserinnerungen hat beschließen wir bis nächste Woche auf Lanzarote zu bleiben.


Fazit zur Fahrzeit
Wir waren schnell! Schneller als wir es zu hoffen gewagt hätten. Phasen mit richtig Wind waren immer genau so lang, dass es nicht zu anstrengen geworden ist, aber wir gut Fahrt gemacht haben. Keine Flauten. Die Welle war durchgehend nervig, aber daran gewöhnt man sich. Während wir bei dieser Investition bisher noch gezögert haben, werden wir die Servicebatterien nun definitiv tauschen. Seekrankheit war glücklicherweise gar kein Thema. Die verkürzte Schlafzeit hat uns wesentlich weniger zugesetzt als erwartet. Die Nächte waren viel kälter als gedacht, tagsüber dafür angenehm. Drei mal Delfine in 5 Tagen! Währen wir auf Lanzarote ankommen, entkommen unsere Hobbitfreunde gerade dem Dunkelwald.
