Nach einer Nacht an der Boje im Westen von Formentera lassen wir die Balearen also hinter uns. Unsere letzte kurze Überfahrt von 30 Stunden verläuft gemischt. Nachdem wir unter optimalen Bedingungen mit Rückenwind und ausgebaumter Genua starten, setzt nach wenigen Stunden wieder unsere altbekannte Flaute mit Welle von der Seite (Option A) ein. Um gegen den aufkommenden Frust anzukämpfen probieren wir zwei neue Dinge aus:
Unter dem Bimini spannen wir zwischen Mast und Großschot eine Hängematte und hängen uns damit selbst kardanisch auf. In diesem schattigen Plätzchen kann man zwischendurch Muskeln und Hirn baumeln lassen – merken wir uns für künftige, rollende Überfahrten.
Schritt 2 verlangt uns mehr ab. Mit dem Boot haben wir einen Spinnaker gekauft, haben mit diesem monströsen Leichtwindsegel jedoch keine Erfahrung. Fast drei Monate haben wir uns nun davor gedrückt das Segel auszupacken, haben versucht einen Coach zu finden, haben schon den Bergeschlauch gesetzt und wieder heruntergenommen, haben Ausreden gesucht warum genau jetzt der falsche Moment dafür ist… Bei der nunmehr x-ten Überfahrt mit Flaute und Welle von der Seite ist aber Schluss mit Ausreden. Wir haben mittlerweile etwas Übung mit dem Spibaum und auch die Leinenführung für den Spinnaker und die Funktionsweise des Bergeschlauchs mehrmals theoretisch durchgespielt. Also ausse mit dem Fetzen! Es haut großteils hin. Er steht, wir fahren. Eine Relingstütze nimmt bei Experimenten mit dem Niederholer Schaden. Außer dass es uns einiges abverlangt – körperlich und geistig – ist das eigentlich ziemlich cool! Kann man wieder machen. Vor Sonnenuntergang beenden wir jedoch zur Sicherheit den Testlauf und kehren zurück zum Motoren mit Welle von der Seite. Immerhin gibts noch die Hängematte. Nach der eher mühsamen Nacht können wir am nächsten Tag noch ein bisschen segeln und erreichen am Nachmittag die ruhige und gut geschützte Marina von Cartagena. Mit wenigen Minuten Verzögerung kurz vor der Hafeneinfahrt, da wir angefunkt und gebeten werden, dem auslaufenden Kreuzfahrtschiff auszuweichen.








von Ibiza ans spanische Festland (augenschonende Filterdarstellung des Spinnakers)
Cartagena ist anders als andere Städte. Römische Relikte und moderne Fußgängerzonen liegen hier direkt nebeneinander, mitten in der Stadt eine Festung am Berg, drum herum wieder neue Bauwerke. Historische Fassaden werden zum Teil in moderne Gebäude eingeschlossen. Sehr sehenswert. Leider fehlt uns die Zeit die entlegeneren Bereiche der Stadt zu erkunden. Zeit ist jedoch für ein Abendessen an einem der Hauptplätze (…? Die Struktur der Stadt lässt sich für mich ganz schwer erfassen). Als unerwartetes kulinarisches Highlight gibt es in einem Tapas- und Grillrestaurant Garnelen-Tempura, Oktopuskroketten, frittierte Artischocken in Orangensauce und einen saftigen Angus-Burger. Außerdem entdeckt Bernhard in Cartagena das Ministerium für Olivenöl (ich zweifle ja dessen Existenz an) und einen kleinen Supermarkt, der ausschließlich die beiden Dinge anbietet, die wir gerade noch auf der Einkaufsliste haben: Frisches Brot und Kinder Überraschungseier.
Am nächsten Morgen trauen wir kaum unseren Augen. In der beschaulichen Marina, in der hauptsächlich ältere, hochseetaugliche Segelboote liegen (wir fühlen uns gut aufgehoben) hat über Nacht in direkter Nachbarschaft zu unserem Liegeplatz still und heimlich die Celebrity Apex, ein 306 m langes Kreuzfahrtschiff festgemacht. Es ist größer als die gesamte Marina und passt hier irgendwie gar nicht ins Bild (wie so oft bei Kreuzfahrtschiffen).








Cartagena
Nach einem Kuchenfrühstück geht es weiter Richtung Südwesten. Das Gute an den drei folgenden motorlastigen Tagen sind die gut ankerbaren Nächte. In der Nähe von Águilas ankern wir zwischen einer Miniinsel mit Ruinen und einer vom Rest der Welt abgekapselten Ferienanlage.






Unweit Águilas
In der Cala de San Pedro ankern wir bei Schwell und Südwind zwischen Bergen vor den Resten einer Burg. Abends kehren, wie angesagt, Flaute und ruhige See ein. Ein wirklich imposanter Ort frei von jeglicher Beleuchtung und Geräuschen.




Cala de San Pedro
Für einen Mittagsstopp geht es am nächsten Tag bei Flaute weiter in das wüstenartig anmutende Naturschutzgebiet Cabo de Gata, den trockensten Ort Europas. Eine wirklich beeindruckende, vulkanisch geprägte Landschaft, die schon für manchen Blockbuster als Kulisse diente (Wir waren am selben Ort wie Indiana Jones!!). Bei einem kurzen Schnorchelausflug im verhältnismäßig eisigen Wasser (25,5°C) entdecken wir (vermutlich) einen Knurrhahn (sagt mein Huawei) – ein eigentlich recht hässlicher Fisch.













Cabo de Gata
Weiter gehts dann bei anhaltender Flaute Richtung Almería, wo wir direkt vor dem Stadtstrand ankern, den Stadtbummel jedoch auslassen. Für die nächsten Tage ist ohnehin mehr Zeit an Land eingeplant.


Almería
Samstag Nachmittag haben wir Spaß auf unserem Kreuzkurs nach Almerimar. Noch ist der einsetzende Westwind ganz willkommen, bei der Planung der nächsten Tage bereitet er uns jedoch etwas Kopfzerbrechen. Am späten Nachmittag kommt Roland zum zweiten Mal zu uns an Bord. Beim Abendessen läuft Segelprominenz an uns vorbei – die Youtuber Julia & Markus von der Segelyacht Insieme. Bernhard quatscht sie frech von der Seite an und so können wir am nächsten Tag beim Frühstück etwas mit ihnen plaudern. Heute kommt noch Flo zu uns an Bord und wir beobachten weiter aggressiv das Wetter. Es ergeben sich die Möglichkeiten Option A) Gegenwind mit Welle von vorn oder Option B) mit dem Bus nach Granada.
Ein Zwischenfazit zu Südspanien, das wir ja noch gar nicht kannten. Eine einmalige Bergkulisse, viel schöneres Wasser als erwartet (bei diesen Bergen würde man nicht direkt daneben Sand vermuten) und unerwartet weitläufig – zwischen die Städten liegt meist kilometerlang nur Natur. Wir freuen uns auf eine weitere Woche mit Roland und Flo und zur Abwechslung etwas weniger Meer und mehr Land.

