Zwei heiße Nächte in Palermo

Wir schwitzen in Palermo. Eine kritische Entscheidung steht an: Überfahrt nach Sardinien im Sturm oder eine Woche Festsitzen auf Sizilien. Dazu ist noch eine Reparatur ausständig, die in kurzer Zeit organisiert und erledigt werden muss. Aber eins nach dem anderen.

Nachdem uns Andi und Benni verlassen haben, machen wir mit Jan, einem Mitarbeiter der ARC, eine virtuelle Sicherheitsinspektion unserer Mêlée. Das ist nicht nur sehr hilfreich, sondern macht richtig Spaß und wir haben jetzt einen sehr genauen Plan was uns noch fehlt, um fit für den Atlantik zu sein.

Am nächsten Tag, Freitag Vormittag, starten wir unsere bisher längste Überfahrt von Lefkas in die Straße von Messina – und das nur zu zweit. Der Schlag hat von allem etwas: Die beiden ersten Tage können wir weite Strecken entspannt bei Halbwind segeln. Die beiden Nächte und Tag 3 sind (unent)spannender. Die erste Nacht ist gezeichnet von Gewittern. Genau auf unserer Route eine Wand von Blitzen. Mit Hilfe des Radars manövrieren wir uns trockenen Fußes und ohne Detonationen durch die Zellen. Es fühlt sich kontrolliert und trotzdem absolut unheimlich an! Ab dem Sonnenuntergang an Tag zwei sind Wind und Welle gegen uns. Um 1:20 Uhr passiert es: Beim Versuch die Genua zu setzen löst sich die Rollanlage vom Vorstag und die Genua rauscht aus. Das heißt: Volles Zeug bei stärker werdendem Wind ohne Reffmöglichkeit. Wir gehen auf Nummer sicher und bergen die Genua über das Fall – ein Kraftakt bei 20 kn Windgeschwindigkeit. Mit dem Motor geht es dann noch 20 Stunden weiter gegen die Welle. Um 21:20 liegen wir nach 280 sm in der Marina Villa San Giovanni, die wir schon vom letzten Jahr kennen. Bier, Pizza, Schlafen.

Lefkas bis Villa San Giovanni

Und wenn die Suche nach einem Reparaturservice in diesem kleinen Örtchen fehlschlägt, welchen Weg wählt ihr dann? Wenn der Genuafurler euch in die Knie zwingt, wagt ihr dann einen noch gefährlichen, stinkenden, dreckigeren Weg? (Frei zitiert)

Palermo
Ich glaub es ist in der Vergangenheit schon herausgekommen, dass wir nicht die größten Fans von Italien sind (vom Essen abgesehen). Der Gipfel ist aber Palermo. Als wir diese – Sie nennen es „Stadt“ – 2018 besucht haben, haben wir eigentlich gehofft ihr für immer den Rücken gekehrt zu haben. Und doch: 24 Stunden später sitzen wir nach einer gemütlichen Überfahrt in Palermo. Und schwitzen.

Die Küste entlang von Villa San Giovanni bis Palermo

Zunächst die Reparatur der Reffanlage: Dank unserer separat zu bedienenden Sturmfock können wir während der Überfahrt etwas segeln. Wir versuchen abzuschätzen, was die Reparatur der Genuarollanlage wohl kosten wird und nachdem wir das genaue Problem nicht kennen, liegen unsere Schätzungen zwischen 100 € (ein ehrfurchtgebietender Blick des Riggers) und 4.000 € (ein komplett neues System einbauen lassen). Oft liegt die Wahrheit in der Mitte, aber manchmal läuft auch mal was gut. Die Reparatur ist in Kürze erledigt, von einem freundlichen und kompetenten Fachmann mit dem wir uns vorab über WhatsApp Details ausmachen. Letztlich fehlen nur sechs Schrauben (wie viele davon zum Zeitpunkt des Zwischenfalls wohl noch da waren?) und es kostet gerade einmal 150 €. Glimpflich.

Dann ist da noch der Sturm: Das Wetter gibt uns ein Fenster von rund 48 Stunden Südwind bevor der nordwestliche, extrem starke Mistral einsetzt und eine Überfahrt nach Sardinien unmöglich macht. Der vorhergesagt Südwind ist jedoch auch nicht ohne und auch der Marinero in Palermo schluckt als er hört, dass wir noch übersetzen wollen. Das nächste Wetterupdate sagt 60 kn in Böen voraus – damit hat sich das Thema Überfahrt vorerst erledigt. Wir müssen zwar unseren Zeitplan über Bord werfen und unsere nächsten Gäste auf Sardinien um mehrere Tage vertrösten, doch die Erleichterung, nicht zwei Nächte durch den Sturm zu segeln, überwiegt in dem Moment. Wir bleiben also in Palermo und schwitzen weiter – von hier an aber nicht wegen des Zeitdrucks und, ja ich würde es emotionalen Stresses nennen, sondern wegen der vorherrschenden 40°C.

Schlechte Aussichten für die Überfahrt nach Sardinien

Palermo selbst ist keine Perle, bleibt uns aber doch deutlich besser in Erinnerung als vom letzten Besuch: Die Marina ist klein aber fein, der Marine Shop hervorragend ausgestattet (viele todos gekauft zum Abwettern) und das kulinarische Bingo aus Arancini, Cannoli und Zitroneneis lässt sich auch rasch auftreiben.

Nach zwei Nächten geht es etwas planlos weiter Richtung Westen an dieses eine Kap ganz im Nordwesten von Sizilien – wo sind wir eigentlich? Hübsch ist es jedenfalls. Noch vor Einsetzen des Mistral beobachten wir mehrere Brände an der sizilianischen Nordküste, wobei kurz sogar Asche auf uns herab regnet.

San Vito Lo Capo

Weiter geht es auf die interessante Insel Favignana im Westen von Sizilien. Türkisblaues Wasser, aber Schwell in unserer Bucht. Ein ähnliches Bild zeichnet sich heute auf Marettimo ab, wobei wir nach einmaligem umparken und adjustieren nun auf eine ruhige Nacht hoffen dürfen und dann hoffentlich morgen Früh Richtung Sardinien starten können. Stück für Stück pirschen wir uns in den letzten Tagen an unser Ziel heran und haben unsere geplante Überfahrt schon um etwa 50 sm verkürzt. Wir erwarten eine unruhige See, wenig Wind von vorn und langsam voranzukommen. Sardinien wir kommen – geschüttelt, nicht gerührt.